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”Erinnerungen”
 

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Leise sang der Wind auf dem hellen Metall, wenn scharfe Klingen sich trafen, wieder trennten Präzise, schnelle Schlagfolgen, die Naret nur mühsam abwehren konnte. Sich an die bisherigen Lektionen erinnernd, konterte der Gleiter, schuf eine winzige Lücke - und griff an. Erfahren wehrte Singvogel den Angriff ab, als Mondjäger plötzlich zurückwich.

"Alec - warte !"

Verblüfft hielt der Barde inne, blickte zu Naret, der ihn verwirrt ansah.

"Ich kenne diese Abwehr ... ich habe sie oft bei Sehel gesehen !"

Über Alecs Lippen huschte ein leises Lächeln, als er seine Krummschwerter senkte.

"Natürlich - ich habe sie ihm gezeigt."

Nun vollends verwirrt, steckte Naret seine schmalen Klingen ein.

"Aber ... er konnte das schon bevor du in den Hain kamst ! Wie kann das sein ?"

Ein tiefer Seufzer, der sich aus der Brust Singvogels löste, als auch er seine Schwerter einsteckte, wieder zu Naret aufsah.

*Ich ...* Stocken. Lange blickte Alec ihn nur an, kämpfte sichtlich mit sich; schloß dann seine Augen, seufzte leise.

**Sehel und ich haben uns vor etwa zweihundertfünfzig Jahreswechseln auf meinem Kontinent getroffen; er blieb bei mir, begleitete mich auf meinen Wanderungen... mit der Zeit entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen uns. Vor etwas mehr als hundert Jahreswechseln trennten wir uns, da er den Hain wiedersehen wollte. Wir wollten uns nach fünf Jahreswechseln wieder dort treffen, wo wir uns getrennt hatten - doch ich wartete vergeblich auf ihn. Nach einem Jahr wollte ich ihm über die große Eisbrücke im Norden folgen, doch sie existierte nicht mehr, es gab keine Möglichkeit mehr für mich, zu ihm zu kommen. Ich habe seitdem immer wieder versucht, hierher zu kommen ... doch erst in den letzten Jahren fror das Eis wieder genügend zu, bildete sich die Brücke, auf der ich schließlich hierher kam.**

Tiefe Gefühle, die im Senden Alecs mitschwangen - Zuneigung, Trauer, Verlust ... Freude.

**Als ich hierher kam, ihn wiedersah, konnte ich es kaum fassen ... doch ich fühlte sofort, daß etwas mit ihm geschehen war: Er kannte mich nicht mehr. Es war, als ob er mich noch niemals gesehen hätte – einzig Einige meiner Lieder dringen manchmal zu ihm durch. Ich habe zu niemandem etwas gesagt, weil ich fühlte, wie sehr er mit seinen fehlenden Erinnerungen zu kämpfen hat. Ich kenne den Grund für sein Vergessen und die Alpträume nicht, aber ich werde immer versuchen ihm zu helfen – so gut ich es vermag...**

Still hatte Naret ihm zugehört, sah er den Barden nun mit völlig anderen Augen ... Langsam setzte der Gleiter sich, dachte darüber nach, sah Singvogel dabei zu, wie dieser sich umwandte, seine Tunika auszog, aus dem Schlauch Wasser in das Gesicht spritzte, so wie jedes Mal, wenn sie mit den Klingen trainiert hatten. Ein schiefes Lächeln erschien auf Mondjägers Zügen - so wie jedes Mal, war er selbst schweißgebadet, während Alec gerade einmal warm geworden war.

Leise stand er auf, ging zu ihren Bündeln, zog ebenfalls sein Oberteil aus, goß sich das restliche Wasser über den Kopf. Während das Wasser seinen Schweiß abwusch, beobachtete er aus den Augenwinkeln den Barden, sah, wie dieser gedankenverloren seine Krummsäbel betrachtete, dann wieder in die Scheiden schob.

‚An was er nur denkt ?‘

Zögernd näherte sich der Gleiter Singvogel, legte ihm seine Hand auf die Schulter. Langsam hob Alec seinen Kopf, ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, glitzerte aus den nun in warmen Grün leuchtenden Augen.

**Du liebst ihn noch immer, nicht wahr ?**

**Ja.** Alecs Lächeln vertiefte sich, als er weitersendete.

**Wir sind noch immer Liebesgefährten, teilen manchmal die Felle ... aber mein Band zu Airilynn ist tiefer als das, das ihn und mich verbindet ...**

Verwirrt blickte Naret ihn an, hörte und fühlte in dem Senden, wie der Barde seine eigenen Gefühle zurückstellte, sich nicht zwischen Sehel und Mondjäger drängte - daß dies nichts Neues für ihn zu sein schien.

**Das ist dir schon einmal passiert, nicht wahr ?**

Nun wurde das Lächeln auf Singvogels Lippen wehmütiger, dauerte es einen Augenblick, bevor dieser antwortete.

**Schon sehr oft. Doch es macht mich glücklich, sie mit ihren Gefährten zu sehen ... so wie auch ich jetzt eine Gefährtin gefunden habe.**

Wortlos hatte Naret ihm zugehört, sah nun, wie Singvogel sich abwandte, seine Tunika aufhob. Langsam hob der Gleiter seine Hand, legte sie auf die des Barden ... hielt ihn zurück, drehte ihn sacht wieder zu sich herum. Unsicherheit, die in seinem Senden mitschwang.

*Alec ... danke.*

Erneut zeigte sich ein Lächeln in den Augen des Barden, als er sacht mit seinen schlanken Fingern Narets Wange streifte, schwang in seinem Senden mit.

*Weißt du ... ich verstehe ihn.*

Erschauernd fühlte Mondjäger die Zärtlichkeit in den warmen Fingerspitzen - und wie er darauf reagierte. Zögernd zog er Singvogel näher zu sich, schauderte erneut, als die Finger des Sängers zu seinem Hals wanderten, sanft über seine Kehle strichen. Keinerlei Zwang ... doch eine Möglichkeit. Langsam senkte Naret seinen Kopf, berührte zaghaft die Lippen des Barden ... fühlte eine ebenso leise, liebevolle Erwiderung. Sich selbst verwundernd, wurde Mondjägers Kuß intensiver, leidenschaftlicher, legte er seine Arme um den Sänger. Fühlte sanfte Hände, die durch seine dunklen Haare strichen, sie öffneten, den Nacken hinab zum Rücken wanderten. Aufkeuchend spürte Naret, wie sein Körper reagierte, sah in wissende Augen ... blickte in die grünen Weiten eines riesigen Waldes, der doch nur aus einem Baum bestand, in der jedes Blatt ein anderes Teilstück dieses Wissens, eine andere Erfahrung, Erinnerung, war. Dann verschwand dieses Bild, wich Leidenschaft, Neugier ... einem Wunsch. Sanft ließ er seine Hände durch die rotgoldenen Haare des Barden gleiten, löste dessen Schwertgurte, Hosenbund, auch seine eigenen öffnete er.

Schließlich standen sie auf der Lichtung, nur durch ihre Haare verhüllt, in denen der Wind leise Muster spielte ... langsam, unsicher, legte Naret wieder seine Arme um Alec, fühlte, wie dieser sich an ihn schmiegte, Singvogels Hände, die über seinen Körper wanderten; hauchzarte Berührungen, die Mondjägers Leidenschaft entfachten. In völligem Einverständnis sanken sie zu Boden, berührten einander, erkundeten ihre Körper ... sacht weckte Alec Narets Gefühle, berührte ihn kennend, wissend... wurden seine Berührungen ebenso leidenschaftlich erwidert. Völlig überrumpelt durch diese für ihn neue Art, sich zu liebkosen, zu entfachen, ließ der Gleiter sich einfach fallen, genoß ... und gab, sich nur durch seine entfesselte Leidenschaft leiten lassend. Lind, wie ein Windhauch, fühlte Mondjäger Alecs Lippen auf seiner Haut, elektrisierende Erregung, die er an Stellen spürte, an denen er es zuvor nicht gekannt hatte.

Langsam drehte er den Sänger auf den Rücken, sah durch halbgeschlossene Augen in die Singvogels ... wieder streifte ihn das Bild des Baumes, sah er, wie ein Windhauch ein weiteres Blatt berührte, bewegte, als Alecs Finger wieder über Narets Schläfe, Wange strichen, das Bild verblaßte Leise keuchend, schloß er seine Augen, genoß diese Berührungen, bevor er wieder seinen Kopf senkte, den Atem von den Lippen des Sängers kostete. Ein lauer Wind umwehte beide Elfen, belauschte ihr Liebesspiel, eine leise Brise, die sacht durch ihre Haare fuhr, sie verflocht. Wieder fühlte Naret wissende, sanfte Hände, die über seinen Rücken wanderten, an seiner Taille verweilten, langsam weiter hinab glitten. Tiefer atmend, fühlte Mondjäger, wie sein Körper auf diese Zärtlichkeiten reagierte, seine Gefühle, wirbelndem Wasser gleich, alle Gedanken beiseite wuschen ... nur fühlend, vereinigte er sich mit Singvogel, spürte, wie ihrer beider Leidenschaft einander ergänzte, steigerte, bis sich Naret mit einem leisen Aufkeuchen hingab, in Alecs Armen zusammenbrach.

Langsam hob Mondjäger seinen Kopf, sah in lächelnde, moosgrün leuchtende Augen, fühlte schlanke Arme, die um ihn lagen, sich nun lösten ... sah Alecs Hand, die sacht Narets Haare aufnahm, den Barden, wie er in einem durch die Blätter fallenden Sonnenstrahl die Tautropfen darauf betrachtete. Vorsichtig löste der Gleiter sich von dem Sänger, legte sich wieder neben ihm in das weiche Moos, sah in Alecs Augen wieder dieses Bild, den leisen Windhauch, der durch diese Blätter fuhr, sie rauschen ließ. Noch gefangen von dem gerade Erlebten, sendete Naret leise.

**Alec ...**

Ein Lächeln, das auf den Zügen des Barden erstrahlte.

**Ja ?**

**Manchmal, wenn ich in deine Augen sehe, blicke ich auf ein Bild ... ein riesiger Wald, der nur aus einem Baum besteht. Was bedeutet das ?**

Wehmut, aber auch tief verwurzelte Freude, die in der Antwort des Sängers mitschwangen

**Das ist mein Erbe. Falcon, mein Ziehvater, war der erste Baum in diesem Wald .. sein Wissen, seine Erinnerungen, die er an einen jungen Schößling weitergab Der Schößling wuchs ... trieb Zweige, Blätter, wuchs schützend um den alten Baum herum, schloß ihn in sich ein, als er starb, bewahrte dessen Weisheit so für immer in sich. Aus dem jungen Schößling war nun ein Baum geworden, der weiterwuchs ... mit jedem neuen Volk, jeder Sprache, wuchs ein Zweig, mit jeder neuen Erinnerung ein neues Blatt an den Zweigen. Junge Schößlinge, die beschützt unter diesen Zweigen wuchsen, ebenso neue Schößlinge schützend, bevor sie starben, sie in die Obhut meines Baumes gaben. Was du gesehen hast, ist mein Wissen, meine Erinnerungen - meine Geschichten und Lieder. Und durch dich wuchsen an den Zweigen neue Blätter, regten sich im Wind meiner Erinnerungen.**

Wortlos hatte Mondjäger zugehört, im Senden des Barden wieder dieses Bild gesehen, nur viel lebendiger ... die zarten Knospen, die nun austrieben, junge Blätter, die sich den Sonnenstrahlen entgegenreckten. Langsam schloß Alec seine Augen, begann leise, fast unhörbar, zu singen .. linde Töne, die durch die im Sonnenlicht aufleuchtenden Staubkörner perlten, eine sanfte Stimme, die wie sachte Finger über Narets Körper strich, ihn erschauern ließ. Ebenfalls seine Augen schließend, fühlte Mondjäger die ihm unbekannten Worte, die leisen Töne, die, Sonnenstrahlen gleich, seine Haut streiften, erneut, unendlich sacht, seine Gefühle weckten. Ein lautloser Seufzer entrang sich seinen Lippen, als er die Augen wieder öffnete, das weiche Leuchten um Singvogels Hände sah, das sich mit dem Wind verwob, über die Lichtung, ihrer beider Körper floß, sich mit ihren Haaren mischte. Ein liebevolles Lächeln, das ihm galt, als Alec sich ihm zuwandte, warme Fingerspitzen, die sacht über Schläfen, Hals, Brust strichen, zusammen mit dessen Stimme etwas vollkommen Neues, doch Vertrautes, schufen. Verlangen, das sich regte, doch nicht feurig, leidenschaftlich, wie zuvor ... sondern leise, licht, erwachte, wuchs. Sanfte Lippen, die die seinen fanden, die Melodie, die nunmehr in Narets Seele erklang, sie mit ihrem Licht erhellte, ebensolches Licht weckte.

Lind wie Schmetterlingsflügel streiften Mondjäger schlanke Finger, herzschlaglang verweilend, lockend ... antwortete sein Körper, gab sich dem Verlangen hin, das die leisen Töne weckten. Außerstande, anderes zu tun, als zu genießen, ließ Naret sich fallen ... genoß die Berührungen, die ihn ebenso zum Klingen brachten wie die Saiten der Harfe. Ein lautloses Aufkeuchen, als Mondjägers Gefühle ebenso erwachten, wie das Lied in seiner Seele, sein Körper in Alecs Händen ebenso erstarkte wie dieses Lied ... sich schließlich der Erfüllung ergab, den leiser werdenden Berührungen ebenso wehmütig nachsah, wie die Melodie den ersterbenden Tönen.

Langsam öffnete Naret seine Augen, sah in die von Erschöpfung gezeichneten Alecs, die ihn liebevoll anlächelten ... schloß ihn sanft in die Arme. Langsam fühlte Mondjäger, wie der Barde sich entspannte, erholte ... wußte ebenso wie der Sänger, daß diese Augenblicke nur ihnen gehörten - und daß das, was sie geteilt hatten, einmalig gewesen war, nicht wieder geschehen würde.

 

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