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”Sternenstaub” 03
 

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Unterdessen fluchte Paul leise vor sich hin, weil er genau wusste, wer die Zigaretten mitgenommen hatte. Jetzt musste er aus dem Haus und neue besorgen. Als es klingelte, merkte er auf und ging zur Tür, und als er öffnete, stand Gianni mit einer Tüte in der Hand da. "Du bekommst noch nen Schlüssel." Mit den Worten ging er wieder von der Tür weg und schnappte sich das Zigarettenpäckchen, das noch übrig war.

Leise schmunzelnd, schloß der Schwarzhaarige die Türe und zog die Schuhe aus, folgte Paul und beobachtete ihn für einen Moment, ehe er zu ihm ging und ihm scheu die Tüte reichte. "Deine Mutter hat zwar Recht, aber es ist trotzdem nicht richtig, sie dir wegzunehmen. Doch ich denke, daß dies eine Eigenart aller Mütter ist, meine ist nicht anders. Ich hoffe, sie passen ..."

Verblüfft nahm Paul die Tüte, allein an der Form des Gegenstandes, der darin war, wusste er, was es war. "Ja, passt schon ... du bekommst das Geld wieder." Es war ihm ein wenig unangenehm, die Zigaretten anzunehmen, und so ging er zu dem Tisch, auf dem seine Geldbörse lag und holte das Geld heraus. "Ich glaube, Mama will nur, daß ich mal rausgehe."

"Das würde dir auch guttun, aber es ist allein deine Entscheidung, Paul. Und das mit dem Geld – sieh es als eine Aufmerksamkeit meinerseits, schließlich läßt du mich hier wohnen und essen." Noch während er sprach, war ihm Gianni gefolgt und nahm dessen Hand, schloß sie um das Geld und lächelte zu ihm hoch. "Und bitte keine Widerrede, es war mir eine Freude, dir eine Freude zu bereiten."

"Wenn du meinst ?" Paul seufzte leise und steckte das Geld wieder ein. Er wirkte etwas unruhig, weil er nicht genau wusste, was er jetzt machen sollte. Er konnte mit Gianni nicht wirklich viel anfangen, auf Reden hatte er keine Lust und doch fragte er leise. "Wieviel Platz brauchst du für deine Arbeit ?"

Leise schmunzelnd, ließ ihn der Schwarzhaarige los und trat einen Schritt zurück, um sich kurz umzusehen. "Eigentlich brauche ich nicht mehr als eine kleine Ecke, in der ich meinen Werktisch und vielleicht auch ein Regal unterbringen kann. Ein paar Geräte ... und vielleicht eine kleine, abschließbare Truhe für das Silber." Er brauchte wirklich nicht viel – an seinem früheren Lehr- und Arbeitsplatz hatte er auch nicht mehr als zwei Meter mal einen Meter an Platz gehabt.

"Hmmm, ich denke, da is genug Platz im Atelier." Der Franzose überlegte einen Moment und ging ins Atelier. Er sah sich kurz um und nickte. "Dort passt es dann." Er wies auf eine Ecke, die gut war. Es war ein schöner Platz mit einem Fenster und genügend Platz für die Tische und Schränke.

Gianni kam ihm nach und nickte – der Platz war mehr als nur ideal und so bedankte er sich, indem er Paul kurz umarmte, ihm einen Wangenkuß aufhauchte und sich dann wieder löste, um schnellstens in sein Zimmer zu gehen und einen der beiden Koffer zu holen. Nachdem er ihn hergeschleppt hatte, stellte er ihn in die leere Ecke, nickte kurz dazu und wandte sich dann wieder dem jungen Künstler zu. "Kann ich dein Telefon benutzen, Paul ? Dann kann ich mich schon einmal kundig machen, wo es die günstigsten Einkaufsmöglichkeiten für die Sachen, die ich brauche, gibt."

"Was brauchst du denn ? Ich kenne viele Geschäfte für Kunstarbeiten. Ich gehe oft in den Großhandel, dort gibt es auch Dinge für Gold und Schmuckschmiede. Dann musst du nicht herumtelefonieren ... ich habe eine Kundenkarte, das gibt Rabatt." Das hieß aber, daß Paul mitkommen musste, aber es kam ihm auch gelegen, weil er neues Material brauchte. "Ich muss eh hin und neuen Ton kaufen."

"Wenn das gänge ? Das wäre wirklich fantastisch, dann könnte ich schon bald mit dem Arbeiten beginnen." Man sah Gianni seine Aufregung deutlich an und auch, daß er nicht damit gerechnet hätte, so bald schon wieder arbeiten zu können. E r liebte seinen Beruf und nun hatte er die neue Chance, die er sich erhofft hatte.

Irgendwie war es ja niedlich, wie aufgeregt Gianni war, Paul war irgendwie gespannt, wie er den Großhandel finden würde, denn da fand jedes Künstlerherz, was es begehrte. Paul war Stammkunde und bekam deutlichen Rabatt auf die Sachen, er scheute sich trotzdem ein wenig, denn dort würde man ihn wieder mit Beileid überschütten. "Am Besten fahren wir bald los ... und du solltest dich da dann als Kunde eintragen lassen. Das von Heute gibt's dann über meine Karte, so sparst du noch einiges an Geld."

"Okay ... warte kurz." Gianni wandte sich ab und ging wieder in das Gästezimmer, öffnete seinen anderen Koffer und nahm von dort eine kleine Silbertruhe heraus, die er mit dem Schlüssel öffnete, den er an einer Kette um seinen Hals trug. Dann nahm er das Geldbündel heraus, das darin war, ließ nur ein wesentlich schmaleres darin und schloß wieder ab, legte die Truhe zurück und ging wieder in das Atelier, um Paul das Geld in die Hand zu drücken. "Das dürfte genügen – zumindest für die Grundausstattung. Silber habe ich noch ein wenig, es reicht für die ersten Schmuckstücke."

Daß Gianni ihm gleich Bargeld in die Hand drückte, war doch sehr überraschend. "Ich denke, wir verrechnen das dann später, wenn wir wieder hier sind. Ich mach erstmal alles auf eine Rechnung." Paul nahm Giannis Hand und drückte ihm das Geld hinein. "Später, Okay ?" Soviel Bargeld wollte er wirklich nicht herumschleppen.

"Okay. Aber ich gebe dir das Geld, wenn wir wieder zurück sind – und ich werde mir die Preise aufschreiben, damit nichts vergessen wird. Hast du denn ein Auto ? Oder können die Händler die Sachen auch liefern ?" Das war etwas, das Gianni erst jetzt einfiel, denn dies konnte zu einem Problem werden. In Florenz war die Sache ein klein wenig anders gelaufen, dort hatten alle Lehrlinge angepackt und so gab es keine Probleme.

"Ich hab ja gesagt, wir rechnen es aus, wenn wir wieder hier sind. Auf der Rechnung steht alles haarklein drauf. Und wir lassen liefern, auch wenn wir jetzt mit dem Auto fahren. Lieferung bekomme ich kostenlos, das gehört zum Service. Ich habe sozusagen eine goldene Kundenkarte ... bin gleich wieder da." Der Bildhauer verschwand kurz in sein Zimmer und zog sich etwas anderes an. Zum Weggehen war er definitiv zu schlampig angezogen gewesen. Als er wiederkam, trug er ein Outfit mit chinesisch und mongolisch wirkenden Akzenten und er schlüpfte in ein paar schwarze Lederstiefel.

Gianni hätte sehr viel erwartet, doch definitiv nicht das, was er jetzt sah. Er wußte nicht, wie er reagieren sollte – denn die Kleidung sorgte dafür, daß der Bildhauer nun völlig anders wirkte, als zuvor. "Paul ...? Er war sichtlich durcheinander, denn dies war so anders als der Paul, den er bisher gewohnt war – doch auch deshalb, weil es seltsam und auf eine ihm unbegreifliche Art ebenso gut aussah, fast, als wären es zwei verschiedene Pauls, die es gab.

Der Angesprochene hob fragend eine Braue und fragte schließlich. "Was glotzt du so ?" Aber er konnte es sich schon denken, schließlich sah Gianni jetzt sein zweites Ich, in dem er sich so wohl fühlte wie in seinem anderen Ich, das er bisher gezeigt hatte. Nur fühlte er sich in dem Jetzigen im Moment etwas besser und sicherer.

"Bitte verzeih, ich wollte nicht starren. Es ist nur so ... du siehst so anders aus, wirkst so anders in dieser Kleidung. Wie eine andere Facette des gleichen Edelsteins, die nur in einer anderen Farbe schillert. Es ist sehr faszinierend für mich, so etwas zu beobachten. Dies ist die Art, wie du dich als Künstler zeigst, nicht wahr ? Es zeigt sich auch ein wenig in deinen Skulpturen ... und es steht dir, dich so zu kleiden. Doch ich gebe zu, daß dir das 'Nomale' auch steht, es macht dich menschlicher. Und das meine ich nicht negativ." Gianni lächelte sanft und kam zu ihm, berührte kurz den feinen, asiatischen Stoff und zog die Hand wieder zurück, da er merkte, daß er zu aufdringlich war.

"Es ist eine andere Facette und es ist wichtig, daß ich sie habe." Sie war wie ein schützender Mantel. Ein Mantel, in den er sich gern hüllte, er gab ihm eine gewisse Freiheit. "Lass uns gehen, ja ?"

"Gerne. Und ich verstehe, daß du diese Facette hast – ich könnte es nicht, doch ich brauche sie auch nicht, da ich nicht ausstelle. Ich freue mich schon darauf, endlich wieder arbeiten zu können ... es geht mir ab, das Silber zu fühlen und zu sehen, wie daraus das entsteht, das ich mir vorstelle." Noch während er sprach, legte Gianni das Geld unter die Polster der Couch, kehrte wieder in den Gang zurück und zog dort die Schuhe und seine Jacke an. "Bitte geh vor ... ich weiß nicht, wo dein Auto steht."

Gesagt, getan, ging Paul vor, die Außentreppe hinab und öffnete das Tor zum Innenhof. Dort stand sein VW-Bus und einige große Marmor und Steinblöcke, die er für seine Arbeit brauchte, die aber zu groß waren, um sie oben ins Atelier zu bringen. "Kennst du den Innenhof eigentlich ?" fragte er leise, denn Gianni staunte ziemlich.

"Nein ... ich war mit Henri immer nur oben oder wir gingen durch die Stadt. Den Innenhof habe ich noch nie gesehen, er ist wunderschön." Und das meinte Gianni auch so, denn er verliebte sich sofort in den einfachen, doch herrlich alten Hinterhof, die schlichten Bänke und mit wildem Wein und Glyzinen bewachsenen Wände. Ach wenn es jetzt schon zu spät im Jahr war, um sie blühen zu sehen, so konnte der junge Italiener sich doch lebhaft vorstellen, wie schön es hier war, wenn sie blühten ... seine Augen leuchteten regelrecht unter dieser Vorstellung und so merkte er erst nach einigen Minuten auf, entschuldigte sich für sein Wegträumen und kam wieder zu Paul, damit sie einsteigen und fahren konnten.

Paul fuhr den kleinen Bus hinaus und schloss das Tor dahinter wieder. Er hatte keine Lust, daß sich Jemand an dem Marmor verging, denn er war nicht gerade billig gewesen. Kurz darauf waren sie schon auf dem Weg zum Großhandel. "Dir gefällt der Innenhof, oder ?"

"Sogar sehr ... im Frühsommer muß er ein wahrer Traum sein, doch das ist er auch jetzt. Allein schon dieser Hof liefert mir unzählige Ideen für Schmuck ... es juckt mich in den Fingern, es umzusetzen, ich hoffe, daß wir alles besorgen können, das ich brauche." Man sah ihm gut an, wie die Vorfreude in ihm erwachte ... er liebte seinen Beruf und konnte es wirklich kaum erwarten, wieder mit dem Schmieden zu beginnen.

Das entlockte Paul zum ersten Mal ein Schmunzeln. "Ich bin sicher, daß du da alles finden wirst. Ich gehe da regelmäßig und schon seit Jahren hin, und hab noch nicht alles erkunden können." Sie waren auch gleich da und Paul fuhr auf den eher kleinen Parkplatz des großen Kunstfachhandels. "Die sorgen dafür, daß nicht jeder Hinz und Kunz hier einkaufen kann, es ist daher alles gut sortiert." Er stieg aus und holte sich gleich einen Plattenwagen für den Ton, den er kaufen wollte.

Mittlerweile stieg auch Gianni aus und überlegte einen Moment ... dann holte er sich einen kleineren Einkaufswagen und wartete darauf, daß Paul das Auto abschloß, ehe er nach ihm das Geschäft betrat und leise aufkeuchte. Gianni fühlte sich wie ein Kind in einem Schlaraffenland und zögerte, ehe er sich zu dem Bildhauer umdrehte und ihn leise fragte. "Vielleicht sollten wir zuerst das besorgen, das du möchtest ? Dann können wir den Wagen an der Seite lassen, es ist leichter."

"Wie du magst." Paul war es gleich und er schob den Plattenwagen zielstrebig zum Tonlager, wo die Tonblöcke eingeschweißt darauf warteten, mitgenommen zu werden. Kaum dort, kam ein Angestellter an. "Paul, schön sie zu sehen ... und mein Beileid, es ist wirklich tragisch, Henri wird uns allen fehlen." Er drückte Pauls Hand und der junge Künstler seufzte innerlich. "Danke sehr." presste er gerade so heraus. "Ich brauche neuen Ton, den feinen weißen, fünf große Blöcke." Er lenkte nun gleich wieder ab und es klappte, denn der Mann nahm den Plattenwagen und verlud die Blöcke mit dem weißen Ton. "Und fünf von dem dunklen." fügte Paul noch an und auch der wurde gleich verladen.

Gianni stand an der Seite und wartete geduldig, während er sowohl den Ton wie auch den jungen Bildhauer beobachtete. Ihm fiel sofort auf, daß Paul es nicht leiden konnte, wieder auf Henri angesprochen zu werden ... und er konnte es verstehen, mittlerweile mußte es ihm wirklich zuviel sein, daß er überall von den Leuten darauf angesprochen wurde. Denn schon auf dem kurzen Gang zum Tonlager war es ihnen dreimal passiert und Gianni hoffte, daß es sich langsam legte. Dann kam ihm eine Idee und er ging zu ihm, neigte sich zu ihm und wisperte ihm ein leises "Nimm doch noch mehr mit – dann mußt du nicht mehr so schnell herkommen ?" ins Ohr.

"Das habe ich schon bedacht, aber Danke." Daß es Gianni eingefallen war, zeigte, wie sensibel er war und zum Dank hatte er eine recht sanfte Antwort bekommen. Als alles beladen war, nickte Paul zufrieden. "Lass es doch bitte zur Kasse bringen ja ?" Der Angestellte nickte und winkte einen Helfer herbei, der den schweren Plattenwagen zur Kasse brachte. "So, und wir gehen jetzt zu den Feinschmiedesachen." Wo sie waren wusste er, denn er war schon mal daran vorbeigelaufen.

Kurz nickend, nahm Gianni seinen Einkaufswagen auf und folgte Paul – es dauerte nicht lange und sie kamen an, und der Silberschmied konnte sein Strahlen nicht mehr zurückhalten. Mit geschultem Blick suchte er sich die entsprechenden Werkzeuge und Geräte heraus, holte sich schließlich einen Angestellten und bestellte die Werkbank samt der eher schwereren Sachen, die dann auch geliefert werden mußten. Erst dann ging er mit Paul zu dem wahren Schlaraffenland für einen seines Faches, der Abteilung mit den Silber- und Golddrähten, künstlichen und echten Edelsteinen, dem Emaille und allem, das dafür nötig war.

Während des ganzen Aussuchens hatte Paul dem Schwarzhaarigen immer wieder bestätigen müssen, daß alles klar wäre mit dem Bezahlen und so auch jetzt, wo sie zu dem richtig teuren Dingen kamen. Etwa ein Drittel des Geldbündels war Werkzeug und Werkbank gewesen, der Rest würde hier verkauft werden bei den Wertmetalldrähten, Plättchen und Sonstigem. Einige Dinge interessierten ihn auch und er betrachtete das Blattgold, Silber und Kupfer.

In der Zwischenzeit holte sich Gianni noch die einen oder anderen Schmucksteine – er behielt aber immer das Limit im Auge und nickte schließlich, als er fertig war und die Frau am Edelsteinschalter die gekauften Steine in eine Box verschloß, die sie zur Kasse mitnehmen konnten. "Ich danke dir, daß du mich mitgenommen hast, Paul ... das gibt mir die Möglichkeit, meine Ideen zu verwirklichen und endlich zu arbeiten."

"Am Besten besorgst du dir noch eine Kundenkarte. Die bekommt man zwar erst, wenn man ein Gewerbe hat, aber ich denke, die drücken auch mal ein Auge zu, wenn ich dabei bin." An der Kasse brauchten sie nicht anstehen, hier war nicht so ein Andrang wie in anderen Geschäften und Paul zahlte alles mit seiner Kreditkarte und faltete die mit jedem Teil aufgelisteten Rechnung, um sie dann in seine Tasche zu stecken. Dann führte er Gianni zum Schalter für die Kundenkarten und sprach kurz mit der jungen Frau, die gleich darauf die nötigen Papiere rausrückte. "Alles ausfüllen. Gewerbe kannst du auf die Adresse der Galerie machen, das passt dann schon." Er zog die Papiere kurz zu sich und trug die Adresse ein, bevor er sie Gianni wieder hinschob.

"Dio mio ... ich muß noch auf die Behörden und alles anmelden und richtigstellen und ein Konto brauche ich auch noch." Er wisperte so leise, daß nur Paul es hören konnte, doch man verstand gut, daß er solche Gänge eigentlich lieber scheute. Doch er füllte das Formular so gut es ihm möglich war aus, gab es Paul zurück und lächelte verlegen, als er noch ein leises "Das Konto fehlt noch." zu ihm sprach.

"Muss nicht sein ... siehst du, da is kein Sternchen dran." Nur die markierten Teile waren wirklich wichtig. Paul überflog es kurz und gab es dann der Frau. Die überflog es ebenso und nickte. "Die Karte wird ihnen dann in den nächsten Tagen zugeschickt." Und schon war alles erledigt. "So, das war es dann. Wir laden ein und dann geht's heim ... eine Bank ist ganz in der Nähe, ich bin dort auch Kunde und sie haben sehr gute Konditionen." Paul winkte einem Angestellten, der den Ton zum Auto brachte und hinten in den Laderaum verstaute. "Und Morgen werden auch deine Sachen gebracht."

Gianni nickte nur und folgte Paul mit den Einkäufen zum Auto, ehe er seine Sachen in die ebenfalls gekauften Klappkisten verstaute und diese dann hinten in den Wagen legte. "Ich kann es kaum erwarten ... doch bevor ich ein Konto eröffnen kann, muß ich mich erst anmelden, ich denke, für das alles wird der gesamte, morgige Tag draufgehen. Aber dann hat wenigstens alles seine Richtigkeit – und ein Visum habe ich schon, zumindest das konnte von Italien aus erledigt werden."

"Am Besten, machst du gleich alles an einem Tag, dann hast es hinter dir." Paul hatte auch genug von den Behörden, allein den Tod eines Menschen zu regeln, die Beerdigung und alles Andere, war die Hölle gewesen. Paul steckte dem Angestellten noch ein Trinkgeld zu und stieg dann in den Wagen. "Beeil dich, da kommt wer, den ich nicht sehen mag." Kaum saß Gianni, fuhr er los und brauste an dem anderen Wagen vorbei, in dem ein Kunstsammler saß, der wie ein Geier hinter den Bildern seines Vaters her war.

Entsetzt aufkeuchend, schnallte sich der junge Italiener so schnell es ihm möglich war an und atmete erst ruhiger, als auch Paul wieder langsamer fuhr. "Wer war denn das ? Und was möchte er, daß du ihn so scheust ?" Es war keine Anklage, Gianni war nur ein wenig neugierig, denn er konnte sehen, wie dieser andere Wagen umdrehte und ihnen nachfuhr.

Missmutig blickte Paul in den Rückspiegel und fluchte leise. "Der Geier will Bilder von Papa kaufen, aber ich verkaufe nicht ... noch nicht. Kaum is ein Künstler tot, stürzen sich die Aasgier auf die Bilder ... verdammtes Pack." Paul stoppte dann doch und stieg mit einem "Bleib drin." aus, um zu dem Wagen zu gehen, der hinter ihnen anhielt.

Schwer schluckend, drehte sich Gianni langsam um – alleine schon das scharfe 'bleib drin' zeigte ihm unmißverständlich, daß dem Bildhauer nun endgültig der Kragen platzte, und keine fünf Herzschläge später hörte er schon dessen wütende Stimme bis ins geschlossene Auto hinein Bei einigen der Beschimpfungen zuckte Gianni sichtlich zusammen – dieser Händler schien ihn wirklich bis ins Letzte geärgert zu haben, damit dieser so laut ausrastete. Die Schimpftiraden dauerten noch einige Zeit an, ehe man das laute Knallen einer Autotüre hörte und quietschende Reifen ankündigten, daß der Händler schnellstens Reißaus nahm. Und keine fünf Herzschläge später kam Paul auch schon zurück und riß die Fahrertüre auf, um sich auf seinen Platz zu setzen. "Ging alles ... in Ordnung ? Wird er nun Ruhe geben ?"

"Wenn nicht, dann verklage ich ihn !" schnaubte Paul und atmete einige Male durch, um sich zu beruhigen. Als Nächstes steckte er sich eine Zigarette an und fuhr dann etwas ruhiger los. "Verdammter Aasgeier." Hin und wieder fluchte er noch, aber es half ihm, ruhiger zu werden.

Das bemerkte auch der junge Silberschmied und speicherte es ab ... er würde ab jetzt einfach dafür sorgen, daß immer genug Zigaretten da waren, egal, was Pauls Mutter dazu sagte. Er war sich sicher, daß der immense Konsum von selbst nachlassen würde, wenn Paul die Trauer verarbeitete ... und bis dahin wäre er der Letzte, der ihm diese Möglichkeit der Zuflucht nehmen würde. "Ich denke, du hast ihn genug abgeschreckt ... er war blaß wie ein Leichentuch, das konnte ich sogar durch die Autofenster sehen."

"Weil ich ihm sagte, wenn er noch mal kommt, dann sag ich allen Künstlern Bescheid, daß er keine fünf Wochen nach Henris Beerdigung schon versuchte, seine Bilder für einen Spottpreis zu kaufen. Wenn das passiert, ist er unten durch und hier in Paris bekommt er keinen Kunden mehr." Daß er so etwas tun würde, hatte er dem Mann mehr als nur klargemacht. "Aber genug jetzt, das Thema is gegessen."

"Zum Glück – dann hast du mehr Ruhe, Paul. Eine Frage ... weißt du, wo ich vielleicht eine große, abschließbare Truhe bekommen kann ? Es ist sicherer wegen dem Material. Und ich bräuchte noch mit Kunstsamt überzogene Tabletts und Schmuckschatullen, sowie Stickmaterialien ... der Großhandel hatte leider so etwas nicht." Gianni versuchte, mit diesen Fragen ein wenig abzulenken, damit der Andere nicht mehr an das gerade Erlebte denken mußte.

Wegen dem Stickmaterial kuckte Paul etwas dumm zu Gianni herüber. "Eine abschließbare Truhe steht bei uns noch wo herum, da bin ich sicher. Schmuckschatullen weiß ich jetzt weniger und Stickmaterial, ich denke, in einem Handarbeitsladen ... ich glaube, wir kommen an einem vorbei. Wofür willst du Stickzeug ?"

"Um die Schatullen zu verzieren, damit sie perfekt zu dem Schmuck passen. Es mag zwar seltsam sein, daß ein Mann mit einer Sticknadel umzugehen weiß, doch es gefiel meinen Kunden in Florenz sehr, daß sie schon alles komplett und passend bekamen ... gerade Männer, die ihren Frauen eine Freude machen wollten, waren froh darum, da es dann auch schon verpackt und gut aufbewahrt war." Daß es damit auch perfekt für die Auslage eines Fensters war, sagte Gianni nicht ... man konnte es sich denken und außerdem hatte Paul ihm auch noch nicht angeboten, einen Teil des Auslagefensters für ihn freizumachen und Gianni war zu höflich, um zu fragen.

Doch das konnte Paul sich schon denken. "Dann machen sie sich sicher auch gut im Schaufenster." murmelte er und stoppte den Wagen bei dem kleinen Handarbeitsladen. "Ich warte im Wagen ... hast du dafür noch Geld mit ?"

"Aber natürlich ... ich beeile mich, Paul." Gianni lächelte kurz und löste den Gurt, stieg aus und betrat den Laden, der ihn sofort in seinen Bann zog. Er liebte solche kleinen Läden, die trotzdem eine gute, große Auswahl hatten ... und persönlicher waren als die Kurzwarenabteilungen in den großen Kaufhäusern.

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