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 ”Die Bluteiche” 01
 

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Leise vor sich hinfluchend, blieb Alin stehen und blickte sich um – es ärgerte ihn, es sich einzugestehen, doch er hatte sich in diesem uralten und unheimlichen Wald verlaufen. "Verdammt ... die Sonne ist noch nicht untergegangen, doch hier in diesem dummen Wald ist es so dunkel, daß ich nichts mehr sehen kann. Wie kam ich nur auf diese bescheuerte Idee, hierherzukommen ?" Doch er wußte die Antwort schon und seufzte, strich sich kurz über das Gesicht und holte dann ein kleines Zweigstück aus seinem kurzen, schwarzen Bart, während er sich auf einen größeren Felsen setzte. Dies alles hatte seinen Anfang vor einem halben Mondzyklus genommen ... als sein Vater bei einer Jagd schwer verletzt wurde und seine Söhne zu sich holen ließ, um mit ihnen zu sprechen. Die fünf Brüder bekamen den Auftrag, sich zu bewähren – und je schwieriger die Aufgabe war, die sie sich aussuchten, desto höher standen die Chancen, sich als Nachfolger zu bewähren. Der Jüngste von ihnen hatte es abgelehnt und stattdessen darum gebeten, weiterhin bei dem Schamanen lernen zu können – und der Zweitjüngste wollte bei dem Steinmetz lernen und verzichtete ebenfalls darauf, sich zu bewähren. Alin und die übrigen zwei Brüder stellten sich der Herausforderung und nahmen ihre Waffen, um sich eine Aufgabe zu suchen. Während der Drittälteste über die Berge ging, um in den Tälern auf der anderen Seite den berüchtigten Lindwurm zu suchen und der Älteste den gefürchteten Albinobären jagte, ging Alin als Zweitältester hierher, um den schwarzen Wald nach einer anderen Legende zu durchsuchen. Er wollte die Bluteiche finden und einen Zweig zu seinem Vater bringen, denn die Legenden sagten, daß bisher nur wenige Menschen den Weg aus dem Wald fanden und noch weniger hatten es geschafft, die Bluteiche zu finden. Langsam glaubte Alin, daß diese Legende nur einen Ursprung hatte: Die Männer, die sich in diesen Wald wagten, hatten sich schlicht und ergreifend verlaufen und verhungerten schließlich oder wurden von einigen wilden Tieren gefressen, nachdem sie schwach genug waren. Erneut leise schnaubend, stand der junge Häuptlingssohn wieder auf und blickte sich um – dann entschied er sich und kletterte auf den untersten Zweig eines Baumes, lief ein wenig auf dem oberschenkeldicken Ast und sprang auf einen Höheren, bis er schließlich in sicherer Höhe am Ansatz der Baumkrone ankam, sich dort hinsetzte und Beine und Rücken ein wenig einstemmte, damit er beim Schlafen nicht herabrutschte. Sicher war sicher – und hier in der Baumkrone war er auf jeden Fall sicherer als unten auf dem Boden.

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Am Berg bei der Bluteiche legte Temau seinen Meißel weg und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Es wurde langsam dunkel und für den heutigen Tag hatte er genug Steine aus dem Fels geschlagen, die Metall enthielten. Er wusste genau, wie er es gewinnen konnte und machte auch Werkzeuge daraus, um sie als Schamane oder wandernder Händler in den Dörfern gegen Dinge zu tauschen, die er brauchte. Der Dunkelhäutige verließ die Höhle und ging zu der Quelle am Berg, wo er sich gründlich wusch, jedoch fühlte er etwas in der Nähe und sein Blick richtete sich auf den Wald, der unter dem Berg lag. "Ein Mensch ? Hmmm." Hin und wieder kamen Menschen in den Wald, sie verliefen sich oder wurden von den Wölfen oder Bären angegriffen. Temau hatte sich angewöhnt, daß er sich dort nicht mehr einmischte, es war bekannt, daß dieser Wald gefährlich war und doch war es für ihn eine Möglichkeit, etwas Blut zu erhaschen. Kurzerhand breitete er seine schwarzen Federschwingen aus, verschleierte sich und flog hinab zu dem Wald. Um den Menschen zu finden, brauchte er nicht lange, und so landete er in der Baumkrone, ließ seine Schwingen verschwinden und kletterte zu ihm hinab. Durch seine vampirischen Kräfte ließ er ihn tiefer schlafen bevor er zubiss, einige wenige Schlucke von dessen Blut nahm und dann so schnell verschwand, wie er gekommen war.

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Es dauerte noch einige Zeit, bis Alin plötzlich aufwachte und mit dem Dolch in der Hand aufschreckte – für einen Moment dachte er, daß er angegriffen wurde, doch seine Augen sahen nichts Gefährliches auf den Ästen um ihn herum. Doch irgendetwas war anders ... und das war nicht das langsam über die Baumwipfel gleitende Licht der Morgensonne, sondern etwas, das den jungen Krieger eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Und dann bemerkte er auch, was anders war: Es roch schwach nach getrockneten Kräutern, Blut und nach etwas, das er nicht kannte ... doch es war angenehm und gerade deshalb verwirrte es den jungen Krieger, so daß dieser die Brauen tieferzog und leise knurrte. Irgendetwas schien in der Nacht, während er schlief, hiergewesen zu sein – und er hatte es nicht gehört, auch wenn er nur einen leichten Schlaf besaß, aus dem er jederzeit aufwachen konnte. Nun noch ein wenig verwirrter und mißtrauischer, strich sich Alin über den Hals zu den Haaren und stockte, als er dabei an den Kragen seines Hemdes kam ... langsam nahm er die Hand wieder zurück und blickte verblüfft auf die fast getrockneten Blutspuren, die an seinem Hemd und nun an seinen Fingern hafteten und die er gerochen hatte. Ein kurzes Nachfühlen zeigte allerdings, daß der junge Häuptlingssohn keine Wunden am Hals hatte – doch das Blut war da, etwas, das Alin noch mehr davon überzeugte, daß dies alles hier mehr als nur seltsam war.

Davon bekam der Übeltäter aber nichts mit. Temau hatte sich nach dem kleinen Trunk schlafen gelegt und wachte nur beiläufig über die Umgebung. Durch das wenige Blut fühlte er sich wieder besser und er schlief etwas länger. Hier konnte er sich seine Zeit immer gut einteilen, ganz früher in seiner Kindheit hatte er einen geregelten Tag in einem Palast in Ägypten gehabt. Hier in der Wildnis fühlte er sich trotzdem sicherer, obwohl er sehr einsam war.

Währenddessen wunderte sich Alin noch immer, was da nun passiert war – denn er wußte sehr wohl, daß das Blut auf seiner Kleidung nicht nur frisch sein mußte, sondern auch von ihm stammte. Er war in seinem jungen Leben schon oft genug verwundet worden, um zu wissen, wie sein Blut roch ... und er konnte es auch sehr wohl von dem eines Tieres unterscheiden. Doch dann zuckte er nur innerlich mit den Schultern, denn er hatte keinerlei Wunde und das wiederum gab ihm Sicherheit. Daß er dem berüchtigten, finsteren Dämon dieses Waldes schon begegnet war, ahnte er jedoch nicht – und so wartete er nur, bis das Licht auch tiefer auf den Waldboden drang, ehe er herunterkletterte und sich dann nach einer kurzen Morgentoilette an dem Bach am Waldboden weiter auf den Weg machte.

Langsam erwachte der Dunkelhäutige, seine Überwachung hatte ihm gesagt, daß dieser Mensch sich dem Berg näherte und das war etwas, das ihn überraschte. Normal vermieden es die Menschen, auf den Berg zuzukommen, sie fürchteten die Legenden und die große Eiche mit den blutroten Blättern und Eicheln. Eine Eiche, die Temau sehr liebte und hin und wieder tropfte er etwas von seinem Blut auf die Erde und gab Wasser hinzu, um den Baum zu stärken, so daß die Bluteiche älter war als jede andere Eiche, die es je gegeben hatte, und sie war deutlich größer. Von seiner Schlafhöhle aus konnte er direkt auf einen der breiten Äste steigen und erst von da schwebte er mit Hilfe seiner mentalen Kraft zu Boden.

Währenddessen fluchte der junge Krieger vor sich hin – denn je näher er dem Berg kam, der angeblich vor ihm liegen sollte, desto dichter wurde das Unterholz und er sah sich schließlich gezwungen, erneut auf einen der uralten Bäume zu klettern und auf den oberschenkeldicken Ästen weiterzulaufen, die sich über dem Boden kreuzten und so einen weitaus einfacheren Weg boten. Dennoch war es nicht leicht, voranzukommen ... und so verging Stunde um Stunde und schließlich wurde es wieder Abend und er hatte den Berg noch immer nicht erreicht, auch wenn er ihm schon wesentlich näher gekommen war. Kurzentschlossen blieb Alin auf den Bäumen und legte sich in eine tiefe Astkuhle, die eine Art Nest bildete – dort konnte er bequem schlafen und grummelte leise, als er in einen leichten Wachschlaf fiel und dabei den Dolch an seiner Seite in der Hand behielt.

Das nutzte nur nichts, denn Temau ließ den Menschen wieder tiefer schlafen. Die Chance, erneut von ihm trinken zu können, war einfach zu gut und so neigte er sich wieder über ihn, biss zu und trank wieder nur wenige Schlucke. Diesmal war er vorsichtiger, und wie das letzte Mal verschloss er die Wunde mit einem Lecken. Er nutzte aber den tiefen Schlaf und musterte den Menschen. Er war jung, stank, hatte einen leichten Bart und ... stank ! "Ich hoffe, die Menschen, die hier leben, entwickeln sich noch weiter." murmelnd, verschwand er auch diesmal so schnell, wie er gekommen war.

Und ein weiteres Mal dauerte es nur eine kleine Weile, bis Alin aus seinem Schlaf aufschreckte und kampfbereit seinen Dolch schwang. Doch auch diesmal sah er keinen Gegner und fluchte unterdrückt, sackte wieder zurück und rieb sich die Augen, um ein wenig klarer zu werden. Diesmal roch er kein Blut – doch er roch ein weiteres Mal die getrockneten Kräuter und diesen ungewohnten Geruch, der dem einer hitzigen Frau glich. Und das war etwas, das den jungen Krieger bis ins Mark erschauern ließ – er mochte es nicht, sich mit den Frauen seines Stammes abzugeben, er zog es vor, mit den Männern während der Jagd zu liegen und schob es so lange wie nur irgend möglich vor sich her, einen Nachkommen zu zeugen.

Diesmal wurde er noch weiter beobachtet. Temau war nicht weit weg und verbarg sich in einem anderen Baum. Er war nun doch neugierig auf den jungen Krieger und lächelte, als der in die Astkuhle zurücksackte. Interesse an dem Menschen hatte er nicht wirklich, es war eher die Neugierde auf das, was er tat, sein Leben war einsam und teilweise sehr langweilig, ein wenig Abwechslung tat da doch ganz gut.

Der junge Krieger versuchte, wieder einzuschlafen und noch etwas Kraft zu tanken, doch es war vergebens. Irgendetwas war anders ... sein Instinkt sagte ihm, daß irgendetwas in seiner Nähe war, das ihm gefährlich werden konnte und es half keineswegs, daß er nun schon die zweite Nacht aus einem viel zu tiefen Schlaf aufschreckte und dabei diesen seltsam angenehmen Geruch um sich hatte. Leise vor sich hinfluchend, stand er schließlich auf und streckte sich, ehe er runtersprang und zu dem kleinen Bach ging, sich erleichterte und dann kurz abwusch. Dann packte er seinen Speer fester und überlegte, ehe er sich orientierte, zu dem großen Berg wandte und wieder losging. Es sah zwar nicht sehr viel, doch es reichte ... je näher er dem Berg kam, desto lichter wurde das Unterholz, da die uralten Bäume nicht genug Platz oder Licht ließen, als daß junge Bäume nachwachsen konnten.

Temau blieb ihm lautlos auf den Fersen, seine Neugierde blieb, auch wenn er sich in nichts einmischen wollte. Er wusste, daß der Mensch in das Gebiet eines alten Bären kam und er überlegte, ob er ihn nicht doch warnen sollte. Er entschied sich vorerst dagegen, vielleicht bemerkte der alte Bär ja nichts.

Davon ahnte Alin nichts, als er weiter voranschritt und insgeheim aufatmete, als der Morgen graute und er ein wenig mehr sehen konnte. Nicht ahnend, daß er in das Revier eines Bären kam, folgte der junge Häuptlingssohn weiterhin dem Fluß und hielt nach einer Weile, um ein wenig seines Reiseproviants zu essen – doch als er ein Krachen in seiner Nähe hörte, schreckte er auf und keinen Moment später ließ er alles fallen, packte seinen Speer und fluchte, als er in Kampfbereitschaft ging. Nur wenige Meter von ihm entfernt brüllte ein riesiger Bär, der durch den Krieger aus seinem Schlaf aufgeschreckt worden war, und richtete sich auf. In diesem Moment verfluchte Alin sich, daß er nicht auf den Ästen geblieben war – davonlaufen konnte er nicht mehr und ihm blieb nur eine Chance, den Speer in den massigen Leib des wütenden Tieres zu bohren.

‚Nicht einmischen ... misch dich nicht ein.' Temau sagte sich das immer wieder im Geiste, und doch regte sich sein schlechtes Gewissen. Doch da griff der Bär schon an, brüllte auf und kam mit wütenden Prankenschlägen auf Alin zu. An den Narben in dem Fell sah man, daß er schon viel gekämpft und an den Augen, daß er einen Hass auf Menschen hatte.

Erneut leise fluchend, bemerkte auch Alin die tiefen Narben in dem Fell und die Wut des Bären – und wußte noch im gleichen Moment, daß es aus war. Aber er war kein Mensch, der einfach aufgab und brüllte wütend auf, lief dem Bären noch entgegen und duckte sich unter einen Hieb der mächtigen Pranken, drehte um und wartete nur so lange, bis der Bär sich wieder zu ihm herumdrehte. Sein Speer fand den Weg in den Körper des riesigen Tieres, doch dann trafen ihn die Pranken und das sterbende, brüllende Tier brach über ihm zusammen und begrub ihn unter sich, während auch dessen Zähne den Weg in den Körper Alins fanden.

"Bei den Göttern !" Temau versetzte es einen Stich und sein schlechtes Gewissen trieb ihn aus dem Versteck. Er schämte sich für sein Nichtstun, sein Ziehvater würde ihn rügen, so war er nicht erzogen worden. Ohne viel Kraft einzusetzen, schob er den Bären vom Körper des Menschen und Temau fluchte leise, als aus der Wunde, die die Zähne geschlagen hatten, ein Schwall Blut heraussprudelte. Ohne zu zögern, riss er das Hemd von der Stelle und fing an, die Wunde abzulecken, um so das Blut zu stillen. Dabei weinte er leise ... so, wie er eben gewesen war, hatte er nie sein wollen. Erst nach einigen Minuten hatte er die Blutung gestillt und kümmerte sich um die Kratzwunden. Leider hatte er nicht die Fähigkeit zu heilen, aber allein die Enzyme in seinem Speichel halfen sehr gut. Als die Wunden nicht mehr bluteten und großteils geschlossen waren, nahm er den Menschen auf seine Arme, breitete seine Schwingen aus und brachte ihn in die große Höhle im Berg. Er selber schlief nicht dort und der Mensch war gut aufgehoben, denn dort lagerte Temau Felle und Kräuter und auch noch andere Dinge. In der Höhle angekommen, legte er Alin auf einigen Fellen ab und bedeckte ihn auch damit, erst dann flog er nochmal zurück, holte dessen Sachen und den Bären. Auch wenn man es kaum glauben mochte, der Dunkelhäutige war so stark, daß er den Bären ohne Probleme in die Höhle schaffen konnte. Da der Mensch tief schlief und außer Gefahr war, kümmerte Temau sich um den Bären, häutete ihn ab, nahm ihn aus und brachte das Fleisch in eine Höhle, um es dort zu lagern. Später wollte er es in Salz einlegen und haltbar machen.

Doch davon bekam der verletzte, junge Mann nichts mit – er schlief und das leichte Rasseln in seinem Atem zeigte, daß einige seiner Rippen angeknackst oder gebrochen waren, da das Tier auf ihm zusammengebrochen war. Davon, daß er in einer Höhle lag und der Vampir ihn gerettet hatte, wußte er nichts ... und er würde auch sicherlich noch eine Weile schlafen, bis sein Körper soweit war, um aufzuwachen.

Temau schlief nicht, er sah hin und wieder nach dem Menschen und ging seiner Arbeit nach. Er legte auch immer wieder Holz in das Feuer, damit die Höhle - die in im Sommer recht kühl war - warm blieb und der verletzte Mensch nicht auskühlte. Der Vampir kümmerte sich auch noch mal um die Wunden und richtete den gebrochenen Arm von Alin, legte eine Schiene aus Ästen an und verband alles fest mit einem Lederband. Bei den angeknacksten Rippen konnte er nichts tun, aber die würden heilen, Menschen waren robuster, als sie aussahen.

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