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 ”Die Bluteiche” 03
 

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Wieder vergingen einige Stunden, in denen Alin schlief ... diesmal war es ein ruhigerer Schlaf und er wachte ein wenig erholter auf, als die Male zuvor. Es gelang ihm sogar, sich selbst in die Schale zu erleichtern, ohne die Hilfe Temaus in Anspruch zu nehmen - dann nahm er die kleinere Schale mit dem Wasser und trank es durstig, stellte sie auf die Seite und legte sich leise keuchend wieder hin, da schon die wenige Bewegung ihn wieder angestrengt hatte. Nachdem seine nötigsten Bedürfnisse befriedigt waren, kehrte allerdings eine Frage wieder ... Alin dachte an das, was dieser Fremde bei ihm getan hatte und alleine schon der Gedanke daran ließ ihn leise aufstöhnen.

Erst von diesem Stöhnen erwachte Temau, er hatte recht tief geschlafen und hörte jetzt erst, daß Alin wieder wach geworden war. Es dauerte somit auch nicht lange, bis er wieder in der großen Höhle war, erneut etwas Eintopf in eine Schüssel gab und wieder zu der kleinen Innenhöhle ging. Im Eingang blieb er aber stehen, weil Alin ihn seltsam ansah. Seine Augen wirkten dunkler und musterten ihn von oben bis unten. "Hier ist etwas zu essen." Den letzten Eintopf hatte Alin nicht gegessen, er war wohl zu abgelenkt.

"Danke." Der junge Krieger riß sich ein wenig zusammen und nickte ... doch sobald er die Schüssel genommen hatte, stockte er, denn er konnte die Schüssel nicht mit dem gebrochenen Arm halten. Leise über sich selbst fluchend, blickte er wieder zu dem schlanken Fremden auf und seufzte, ehe er ihn sichtlich beschämt fragte. "Kannst du mir die Schüssel halten ? Es geht sonst nicht."

"Natürlich." wisperte Temau, er nahm die Schüssel und den Löffel und fing an, den Menschen zu füttern. Für ihn war es nicht einfach, ruhig zu bleiben, Alin war aufgewühlt und das konnte man deutlich fühlen. "Der Schlaf hat dir gutgetan, ich bin sicher, daß du bald aufstehen kannst. Darf ich fragen, warum du in diesem Wald bist, wenn man sagt, daß hier ein Dämon lebt ?"

"Natürlich darfst du fragen. Und wieso – ich ..." Leise seufzend, legte Alin sich wieder auf die Felle zurück und lächelte schief, als er ihn betrachtete und sah, daß dieser hübsche Mann nur neugierig war. "Es ist eigentlich sehr einfach und schnell erklärt – mein Vater, der Häuptling meines Stammes, wurde schwer verletzt und hat mir und meinen Brüdern aufgetragen, uns zu beweisen, damit er einen Nachfolger auswählen kann. Ich wählte die Aufgabe, einen Zweig der Bluteiche zu holen ... und bisher ging so ziemlich alles schief, Hm ?"

Menschen waren wirklich seltsam, das musste Temau immer wieder feststellen. "Nun ja, wärst du nicht dem alten Petz begegnet, wäre alles besser verlaufen, aber so oder so, du bist nicht weit von der Eiche." Er pflückte ein Eichenblatt, das sich in seinem Haar verfangen hatte, heraus und zeigte es Alin.

"Was ?" Völlig verblüfft, nahm der junge Krieger das blutrote Eichenblatt und schluckte schwer ... dann sackte er zurück und krampfte die Hand darum, nickte leicht und schloß seine Augen. "Dann muß ich nur noch einen Zweig der Eiche finden und gesund genug werden, daß ich zurück kann. Bis es soweit ist, werden meine Brüder schon lange da sein – und sich schon darum zanken, wer der nächste Häuptling wird." Man hörte, daß Alin nicht gerade davon begeistert war ... allein schon der Gedanke daran, sich mit seinen Brüdern herumzuschlagen und die Intrigen, die in seinem Stamm liefen, ließ ihm die Galle hochsteigen und er schnaubte kurz, ehe er sich wieder zu dem Schlankeren wandte und ihn betrachtete. Dieser schlanke, wunderschöne Mann strahlte eine beruhigende Ruhe aus ... Alin wußte nicht, wieso, aber er vertraute ihm und entspannte sich wieder, seufzte leise und berührte eine der langen, blütenweichen Haarsträhnen dieses Fremden.

"Ich denke, der Baum wird dir ein Zweiglein gewähren." erwiderte Temau und lächelte, als Alin sein Haar berührte und bestaunte. Seine Haare waren weich und sauber und er kämmte sie jeden Tag durch, daher hatte er auch keine Nester darin. "Gefällt dir mein Haar ?"

"Ja ... es ist so anders als das der Frauen und Männer in meinem Stamm. So weich und anders – ich habe noch nie solches Haar gesehen." Noch während Alin sprach, hob er die Strähne an und roch daran, schloß einen Moment lang die Augen und blickte dann wieder zu dem Schlankeren hoch. "Ich habe das schon einmal gerochen ... die vergangenen zwei Nächte wachte ich immer auf und roch es. Hast du mich beobachtet ?" Es war nur eine sachte Frage – der junge Krieger hatte keine Angst, denn wenn dieser Fremde ihm schaden wollte, hätte er ihn gewiß nicht gerettet und gepflegt.

"Äh ..." Temau war ertappt und reagierte unbewusst und genau so, daß er sich verriet. Er brauchte nicht einmal was zu sagen, denn seine Reaktion hatte schon alles gesagt, weil er sichtlich zusammengezuckt war. "Ja ... ich habe geschaut, weil sich sonst Keiner hierher verirrt. Ich sehe andere Menschen nur, wenn ich zu den Dörfern gehe, um zu handeln."

Die Reaktion ließ Alin leise schmunzeln und er hob die Hand, um das Kinn des Schlankeren leicht anzuheben, damit er ihn besser sehen konnte. "Jetzt erinnere ich mich ... ich kenne einen Krieger aus dem Stamm bei den Salzbergen, er erzählte mir von einem jungen Mann, der nur selten kommt und mit Stoff handelt. Das bist du, nicht wahr ?" Die leichte Schamröte sah einfach nur wunderschön auf den Wangen des Vampirs aus und für einen Moment war Alin versucht, ihn einfach an der Haarsträhne zu sich herabzuziehen und hemmungslos zu küssen.

Das wäre sicher nicht der Fall, wenn Temau sein wahres Gesicht zeigte. "Ich handle auch mit anderen Dingen ... Fellen, Kräutern und Metall." Mit den Worten versuchte er, sich abzulenken. Diese zärtliche Berührung tat so gut, es war so lange her, daß ein Mensch ihn so berührt hatte. Alin war noch immer leicht erregt, das konnte Temau sehr deutlich riechen - und er reagierte ein wenig auf den Geruch des Menschen, versuchte aber, es zu verdrängen. Alin war verletzt.

Verletzt und noch immer geschwächt – doch trotz allem nur ein Mann, der auch Bedürfnisse hatte und sie nur schwer unterdrücken konnte. "Man riecht die Kräuter, Temau ... aber deine Hände sind so weich und fein, ich kann es nicht glauben, daß du auch Felle bearbeitest oder mit Metall arbeitest. Ich habe schon Schmiede gesehen und kenne die Hände unserer Frauen – sie sind voller Schwielen, deine jedoch nicht. Deine sind so schön und weich, genauso wie du. Wie kann das sein ?" Dieser schlanke Mann war ein einziges Geheimnis ... und Alin fühlte es im Bauch, daß noch mehr hinter ihm stecken mußte, auch wenn es ihm seltsamerweise keine Angst machte.

Eine Tatsache, die Temau fühlte und er überlegte eine Weile hin und her, bevor er sich durchrang. "Ich bin anders und ich bin der Dämon, von dem die Menschen sprechen. Aber ich würde niemals Jemanden etwas antun." Er wich etwas zurück, dann zeigte er, wie er wirklich aussah, und aus der hellen Haut wurde eine dunkle Haut. Die Augen blieben sandfarben und wirkten jetzt etwas unheimlicher, weil sie heller als die Haut waren. "Ich bin kein Mensch."

Nun doch sichtlich überrascht, weiteten sich für einen Moment die Augen Alins – doch dann lächelte er noch tiefer und hob die Hand, berührte die Haut, deren Farbe einem Rehfell glich und betrachtete dann seine Finger, um zu sehen, ob es abfärbte. "Du bist wunderschön, Temau. Ich habe noch nie Jemanden mit so dunkler Haut oder so hellen Augen gesehen – andersherum schon, sogar sehr oft, doch nicht so wie du. Und irgendwie ahnte ich schon, daß du kein Mensch bist ... kein Mensch kann so schön sein wie du. Und du fühlst dich ein wenig anders an, vor dir habe ich irgendwie keine Angst oder bin mißtrauisch wie bei den Menschen. Und du kannst kein Dämon sein, denn du hast mir geholfen, obwohl du mich nicht kanntest. Das tut kein Dämon."

"Aber ich hätte dich vor dem Bären warnen sollen. Ich wusste, daß er da ist." Dafür schämte Temau sich noch immer sehr und blickte unsicher zu Alin. Jedoch sah er wirklich keine Angst in dessen Augen, es war Faszination. "Und du hast nicht so lange geschlafen, wie ich gesagt habe. Meine Spucke kann Wunden heilen." Langsam sprudelte ein Geständnis nach dem Anderen aus ihm heraus und er zeigte nun auch seine längeren Fangzähne. "Ich hab von dir getrunken, als du in den Bäumen geschlafen hast."

"Ihr Götter ... du bist einer der Bluttrinker aus den Legenden ?" Es war eine uralte Legende, die den Kindern oft genug erzählt wurde, damit sie des Nachts nicht mehr rausgingen ... eine Geschichte, die davon berichtete, daß des Nachts ein geflügelter Mann kommen würde, der wie eine Fledermaus Blut trank und die Menschen leer und leblos liegen ließ, die Augen vor Horror verzerrt. Doch nichts in dem schlanken, eher scheuen Mann glich auch nur im Entferntesten den Erzählungen der alten Schamanen – und so hob Alin erneut die Hand und berührte hauchzart eine der vollen, schönen Lippen, ehe er die Hand wieder zurückzog und ihn fasziniert betrachtete.

Die Worte entsetzten Temau. "Ich würde niemals Jemanden töten, niemals !" Er schüttelte den Kopf. Nein, so etwas konnte er nicht, er war nicht wie seine Mutter. Kurz zeigte sich ein Tränenschleier in seinen Augen, aber der verschwand wieder, als er Alin ansah. "Du hast wirklich keine Angst ?"

"Nein – wieso sollte ich ? Du hättest mich schon lange töten oder verletzen können ... stattdessen hast du mich gerettet, mich gepflegt und sogar ... das mit dem Mund ... getan." Einen Moment lang stockte Alin, denn allein schon der Gedanke an das, was geschehen war, ließ ihn kurz vor Lust erschauern. Doch dann fing er sich wieder und lächelte, umfaßte erneut eine der weichen Haarsträhnen und zog Temau daran zu sich herab, küßte ihn sanft und löste die Lippen dann wieder, da er noch immer zu schwach für mehr war.

Der Kuss verwirrte Temau sichtlich und so blickte er verwundert in die Augen des Menschen. "Du bist der Erste, der so ist ... und der mich küsst. Und das mit dem Mund, magst du das wieder haben ?" Bei dem Thema wurde er nicht Rot, er war mit jungen Männern aufgewachsen und war, was Sexuelles betraf, sehr versiert.

Einen Moment lang wußte Alin nicht, wie der Andere das meinte – doch dann keuchte er leise, als er es verstand und nickte schließlich zu der Frage. "Ja, das war sehr schön. Aber ... was meinst du damit, ich wäre der Erste ? So, wie du küßt, hattest du bestimmt schon viele Männer." Daß er auch deshalb darauf kam, weil der schlanke Vampir auch so versiert darin war, mit dem Mund zu erregen, sagte er nicht, auch wenn er es sich dachte und allein der Gedanke daran ein klein wenig Eifersucht erwachen ließ.

"Ich meine, der erste Mensch. Früher war ich mit anderen Männern meiner Art zusammen und die Menschen waren Diener. Ich ging dann aber fort, ich wollte die Welt sehen." Temau lächelte sacht. "Ich denke aber, daß du erst noch etwas ruhst, bevor ich das nochmal mache." Er leckte sich kurz mit der Zunge über die Lippe und grinste leicht.

Ohne es verhindern zu können, folgte Alins Blick der Zungenspitze und er atmete unwillkürlich tiefer dabei ein. Dieser Anblick war so erotisch wie nichts sonst, das er bisher erlebt hatte ... das weiche Glühen dieser honigfarbenen Augen und das sanfte Lächeln auf den vollen, dunklen Lippen, die so einen absoluten Gegensatz zu den langen, scharfen, hellen Eckzähnen bildeten, erschien ihm schöner als alles, das er kannte und er keuchte kurz auf, ehe er die Hand hob, Temau zu sich herabzog und ihn ein weiteres Mal küßte.

Und diesmal erwiderte Temau den Kuss und zeigte, wie gut er wirklich küssen konnte. Seine Augen schlossen sich dabei halb und schließlich drang seine Zunge zwischen die Lippen des Menschen und kostete ihn. Seine Zunge zog sich aber wieder in seinen Mund zurück, er ritzte sie an seinen Zähnen und gleich darauf schob er sie wieder in den Mund von Alin. Vielleicht half sein Blut ja bei der Heilung. Als Temau bemerkte, wie die Augen des Menschen einen Schleier bekamen, zog er sich rasch zurück. Das war zuviel gewesen, da war Temau sich sicher. "Alin ?"

Leise keuchend, schloß dieser die Augen und erschauerte am ganzen Leib – es war jedoch kein Schmerz, sondern helle Lust, die ihn durchströmte, verbrannte und sich schließlich mit einem leisen Aufschrei Bahn brach, als er sich verströmte und erschöpft zurücksank. Noch nie zuvor hatte der junge Mensch so etwas erlebt ... zuerst dieser absolut herrliche Kuß und dann der Geschmack des Blutes, das sich darunter gemischt hatte und wie süßester Honig seine Kehle herabgeflossen war. Nur langsam kam Alin, daß der schlanke Vampir ihn rief und er öffnete die Augen wieder, lächelte matt und hob erneut die gesunde Hand, um ihm über die Wange zu streicheln. "Ich weiß nicht, was du getan hast, Temau ... doch so heftig bin ich noch nie gekommen. Ihr Götter, du bist ein Wunder."

Als der Mensch kam, machte Temau große Augen. Mit solch seiner Reaktion hatte er nicht gerechnet, doch er lächelte nun und streichelte Alin den Pony aus den Augen. "Ich dachte, mein Blut unterstützt deine Heilung ... Es war wohl etwas zuviel. Das nächste Mal passe ich besser auf."

"Wag es ja nicht ... das war einfach nur herrlich, Temau. Und vielleicht hilft es ja, Hm ?" Alin fühlte, wie ein weiteres Mal der Schlaf nach ihm griff ... und so schloß er seine Augen und drehte den Kopf ein wenig in die ihn kosende Hand, während er die seine wieder sinken ließ und in einen tiefen, erholsamen Schlaf fiel. Die Wirkung des Vampirblutes war deutlich sichtbar: Die zuvor noch harsch verschorften Wunden heilten nun völlig ab und der leichter gehende Atem zeigte deutlich, daß auch die angeknacksten Rippen langsam abheilten.

Das sorgte dafür, daß Temau leise aufschnaufte. Er blieb noch ein wenig bei dem Menschen und wollte gehen, aber dann überlegte er es sich anders und legte sich an dessen Seite, um neben ihm zu schlafen. Temau war zu lange allein gewesen, er sehnte sich nach Nähe und holte sie sich jetzt.

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