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”Die weiße Rose des Ostens” 20
 

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Endlich kam die Burg in Sicht und Tahir war doch schon ein wenig angespannt. Sie trugen beide ihre beste Kleidung und er wirkte wahrlich adlig und strahlte eine Kühle aus, die gleich Distanz schaffte. Die beiden Jungen waren hinten auf dem Wagen und trugen auch die beste Kleidung, die man für sie bekommen konnte, auch wenn es Juan nicht wirklich passte.

Doch das hatte Amalric zuvor mit ihm geklärt - schließlich war er jetzt sein Junker und dazu gehörte auch, daß er diesen neuen, höheren Stand gebührend zeigte. Wie Amalric es sich schon gedacht hatte, liefen die Bediensteten geschäftig im Hof der Burg hin und her ... nur die beiden Wachen am Burgtor standen stramm und neigten respektvoll den Kopf, als ihr junger Herr vorbeiritt. Im Hof selbst sammelten die Bediensteten sich auf einer Seite - die Frauen knicksten respektvoll und die Männer neigten tief den Kopf, ehe sie wieder zurücktraten, da die Herrin und ihr Sohn nun die Treppen herabkamen. Erst jetzt stieg Amalric ab und ein leichtes Lächeln erwachte auf seinen Zügen, als er den völlig verwunderten Blick seiner Mutter sah. Doch dann fing sie sich wieder und lachte erleichtert, stürzte auf ihren Sohn zu und umarmte ihn leise schluchzend. "Ich fasse es nicht - du bist wieder zurück, mein Sohn ! Und unverletzt ... aber ... wieso ?" Der junge Adelige hatte die Frage erwartet und seufzte leise, ehe er ihr leise antwortete. "Das ist eine sehr lange Geschichte, Mutter - vielleicht sollten wir reingehen, damit ich sie erzählen kann. Doch zuvor möchte ich dir meinen Ordens- und Kampfbruder Tahir Husam di Sciabola vorstellen. Tahir, das ist meine Mutter - und hier, das ist mein Bruder Christophero."

Tahir war ebenso abgestiegen und Juan nahm die Zügel beider Pferde, um sie an die Diener zu übergeben. Er hatte Anweisung, sich um den Hengst von Tahir zu kümmern, und das unterstrich der Araber nochmals. "Du kümmerst dich um den Hengst, Juan !" Seine Stimme klang schneidend und erst dann verneigte er sich höflich vor der Hausherrin, und sprach ein etwas freundlicheres "Es ist mir eine Ehre, euch kennenzulernen ... und ebenso euch." Das zweite sprach er zu dem Bruder, der skeptisch eine Braue hob und ein "Ich bin geehrt." sprach. So ganz vertrauenswürdig war ihm dieser Mann nicht und Christo wollte auf jeden Fall wissen, was es mit diesem seltsam aussehenden Mann auf sich hatte. Tahir war ihm unheimlich. "Was ist mit Vater ?"

"Wo bleibt dein Benehmen, Christophero - wir haben einen Gast und es wäre unhöflich, ihn nicht reinzubitten. Wir können im kleinen Speisezimmer bei einer Stärkung reden, nicht wahr ?" Amalric nickte nur auf die Worte seiner Mutter, ehe er Juan zu sich rief, ihm und Antares Instruktionen und dann dem Verwalter strikte Anweisungen gab, sich nach den Wünschen ihres Leibdieners zu richten, da dieser wußte, was gebraucht werden würde. Erst dann kam er wieder zu seiner Mutter und seinem Bruder, nickte ihnen zu, daß sie vorgehen sollten und legte kurz die Hand auf die Schulter seines Gefährten, um ihm ein wenig Halt zu geben.

Das war auch kurz nötig gewesen, denn Tahir hätte sich der Mutter gegenüber gern freundlicher gegeben. Aber der Bruder war eher unsympathisch und führte sie sogleich in ein kleineres Speisezimmer. Tahir erfasste seine Umgebung mit wenigen Blicken - alles war ordentlich, an den Wänden hingen viele Behänge und überall waren kleine Katzen und keine Hunde. Christo betrat zuerst das Zimmer und zog seiner Mutter einen Stuhl vor, damit sie sich setzen konnte, während Diener Wein, Obst, Brot und Schinken brachten. "Ich trinke keinen Wein, ich hätte gerne etwas Wasser, wenn es recht ist." Tahir trank aufgrund seiner eigentlichen Religion keinen Alkohol und verzichtete daher. "Ich vertrage keinen Wein." begründete er noch kurz, und setzte sich schließlich. "Nun gut, dann bring noch etwas Wasser für unseren Gast." befahl der Bruder von Amal, und setzte sich nun ebenso.

Amalric setzte sich direkt neben Tahir und verblüffte seinen Bruder ein wenig damit, daß er dem Weißblonden das Wasser in einen der edlen Glaskelche schenkte. "Du hast dich sehr verändert, mein Sohn ... bitte erzähle doch, was passierte." Die Mutter Amalrics zeigte es zwar nicht, doch sie verging fast vor Sorge und wollte nun endlich wissen, was passiert war. Der junge Adelige seufzte leise und nahm ihre Hand, ehe er ihr in die Augen blickte und zu erzählen begann. "Es dauerte lange, bis wir endlich mit dem Heer an unserem Zielort ankamen - viele starben schon auf dem Weg dorthin, doch die Meisten waren noch kräftig genug für die Schlacht. Die Araber waren jedoch zahlreicher und die Schlacht wütete lange ... so lange, bis alle aus unserem Heer und auch die Meisten unserer Gegner tot waren. Auch Vater starb in der Schlacht - ich überlebte, jedoch nur knapp. Ich irrte danach in der Wüste umher und wäre dort gestorben, wenn Tahir mich nicht gefunden und in die Burg seines Kriegerordens gebracht hätte. Ich verdanke ihm mein Leben und seit dieser Zeit sind wir auch Waffenbrüder und ich vertraue ihm bedingungslos. Während meiner Genesung lernte ich diesen Orden näher kennen und auch in mir erwachte das heilige Feuer - und nun bin ich einer der 'Ritter des Engels Azrael', bilde den Sohn eines Raubritters als meinen Junker aus und möchte in der alten Burg, die Vater immer für die Pferdezucht nahm, eine Zweigstelle unseres Ordens erbauen." Die Mutter brauchte ein wenig, um die Neuigkeiten zu verarbeiten ... sie hatte zwar schon damit gerechnet, daß ihr Mann auf dem Kreuzzug starb, doch es jetzt zu hören, war doch etwas anderes. Doch als sie mitbekam, daß ihr Sohn einem Orden beigetreten war, bekreuzigte sie sich und lächelte unter ihren Tränen, da nun einer ihrer innigsten Wünsche in Erfüllung gegangen war.

Christo war da weniger begeistert. Jetzt war er das Oberhaupt, und so sagte er gleich seine Meinung. "Du willst so einfach die Burg haben ? Aber das Familienvermögen wird ganz sicher nicht in diesen Orden fließen, von dem hier noch kein Mensch hörte." Er war sichtlich angesäuert und zeigte dies auch. "Das hat euer Bruder auch nicht verlangt. Er wünscht nur die Burg, der Orden besitzt genug Geld und ist nicht von dem Vermögen abhängig." Der Blonde mischte sich kurz ein und blickte Christo so eindringlich an, daß der unwillkürlich erschauderte.

Für einen Moment verengte Amalric wütend die Augen und ein leiser, dunkler Laut löste sich aus seinem Brustkorb, der zeigte, daß er sich nur mit Mühe beherrschte. Doch gerade, daß er sich beherrschen konnte, zeigte der Mutter, daß ihr Sohn reifer geworden war und so erhob nun sie das Wort und legte die Hand auf den Arm ihres ältesten Sohnes. "Christophero - mäßige dich und erinnere dich deiner Manieren ! Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder ... im Gegensatz zu dir hat er gelernt, sich zurückzuhalten ! Du hast dich so oder so immer darüber beschwert, daß die Burg nurmehr deshalb in unserem Besitz ist, da dein Vater sie so mochte - nun, ich mag sie ebenso und ich verfüge, daß sie Amalric überlassen wird. Ich habe mir immer einen Sohn gewünscht, den ich der Kirche übergeben kann, doch euer seliger Vater hinterließ mir außer euch beiden nurmehr Töchter. Aber nun ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen und ich danke Gott dafür, daß er in seiner Weisheit dafür sorgte, daß wenigstens Amalric wieder zu mir zurückkehrte. Christophero ... ich möchte, daß du deinem Bruder die Burg samt der zugehörigen Ländereien und der Pferdezucht überschreibst, und ihm auch seinen Erbteil ausbezahlst - schließlich braucht er Geld und Land, um den Orden aufbauen und unterhalten zu können. Ich bin so stolz auf dich, Amalric ... und ich danke euch, Tahir, daß ihr mir meinen Sohn wiedergegeben habt. Wenn ihr einen Wunsch habt, so sagt ihn mir - und wenn ich ihn euch erfüllen kann, so werde ich es tun."

"Ich habe keine Wünsche - ich bin froh, daß ich hier leben darf, es ist weitaus angenehmer als in der Wüste, in der ich geboren wurde." Tahir respektierte die schöne Frau und er würde nie etwas von ihr verlangen oder sich wünschen. "Nun, wenn Mutter es so will, dann nehmt die Burg und das Erbe wird ausbezahlt - doch mehr steht dir dann nicht zu, Bruder." Christo gab nach, denn auch er konnte sich den Wünschen seiner Mutter nicht entziehen, dafür respektierte er sie zu sehr und liebte sie.

"Mehr brauche ich auch nicht, Christophero - es reicht für mich und die, für die ich dann sorgen werde, schließlich möchte ich, daß meinen Schwestern noch genug Mitgift bleibt, daß sie einen guten Mann abbekommen. Nur um einige Kleinigkeiten möchte ich dich bitten, Bruder ... und ich denke, du hast nichts dagegen. Einerseits würde ich gerne die Bibliothek Vaters durchsehen und mitnehmen, was wir in die Bibliothek einbringen können, die wir aufbauen wollen ... und andererseits möchte ich dich um einige Setzlinge und Rosen aus deinem Garten bitten, Mutter. Denn mein Kampfbruder mag Gärten sehr und unser Leibdiener ist ein Apothekerssohn, er kennt sich mit Pflanzen sehr gut aus." Die ältere Frau horchte gleich auf, als sie hörte, daß Tahir Gärten mochte und lächelte, als sie aufstand, da sie inzwischen schon gegessen hatten. "Nun, du und Christophero könnt euch doch schon in die Bibliothek begeben, Amalric ... ich würde gerne unserem Gast die Gärten zeigen, so kann er selbst entscheiden, welche Pflanzen er mitnehmen möchte. Begleitet ihr mich, Tahir ?"

"Sehr gern." Tahir freute sich, blieb aber höflich distanziert, da er immer noch damit Probleme hatte, daß Frauen unverhüllt waren. Aber er hatte sich schon ein wenig daran gewöhnt. Also begleitete er die Hausherrin hinaus und nickte, als dort Antares wartete. "Darf Antares uns begleiten ?"

Die ältere Adelige musterte einen Moment lang den jungen Leibdiener, der sich höflich und ehrerbietig verneigte ... dann nickte sie und lächelte kurz. "Aber natürlich ... ich hörte, du bist ein Apothekerssohn ? Wir gehen in die Gärten, damit dein Herr sich dort Pflanzen aussuchen kann, die er mitnimmt - vielleicht kannst du uns ja ein wenig zur Hand gehen." Antares hob verwundert den Blick und seine Augen strahlten, als er kurz nickte und ein leises "Es wäre mir eine Ehre, Herrin ... gerade, weil Herr Tahir mich auch in den Künsten unterrichten möchte, die er aus dem Morgenland kennt." antwortete, ehe er höflich zurücktrat, damit die Herrschaften vorbeigehen konnten. Die Mutter Amalrics hingegen hakte sich bei Tahirs Arm unter und lächelte, als sie sich wieder zu ihm wandte, während sie die Gänge entlanggingen. "Ihr seit nicht nur ein Ordensritter, sondern auch ein Gelehrter, Tahir ?"

Als die ältere Frau sich unterhakte, erinnerte sich Tahir, daß Amalric ihm sagte, daß es durchaus üblich war und so war er vorbereitet. "Ja, so ist es. Ich bin sehr belesen und habe auch Schriften aus dem Morgenland mitgebracht, die ich übersetzen möchte. Ich verstehe mich ebenso auf die Kunst zu heilen. Auch wenn es vielleicht frevelhaft klingt, die Morgenländer sind in dieser Kunst weit fortgeschritten."

Das brachte die ältere Frau dazu, leise zu seufzen und sie nickte kurz, ehe sie antwortete. "Ja, das stimmt ... auch wenn es der heilige Stuhl in Rom nicht gerne sieht, es ist nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn mein verstorbener Gatte es niemals erfahren hat, unsere jüngste Tochter wäre wohl nicht mehr am Leben, wenn die Hebamme nicht einen jüdischen Arzt geholt hätte, der gerade durch ein Dorf in der Nähe reiste. Die Geburt war sehr schwierig und seither kann ich auch keine Kinder mehr bekommen - doch unser Gott war gnädig genug, diesen Arzt zu schicken, damit wenigstens Agnescia leben konnte. Also habt keine Angst, ihr könnt in meiner Gegenwart reden, ohne etwas befürchten zu müssen ... wenngleich auch mein Sohn Christophero es nicht gerne hört."

"Wenn noch mal etwas sein sollte, dann lasst mich bitte rufen. Ich werde gern als Arzt der Familie zu Diensten sein." Tahir bot es gern an, und auch wenn er nie studiert hatte, besaß er wahrscheinlich mehr Kenntnisse als die Ärzte hier. Derweil waren Christo und Amalric in der Bibliothek angekommen und der ältere Bruder setzte sich mit finsterer Mine auf einen der Sessel. "Ich denke, du kannst alles mitnehmen. Da Vater tot ist und ich eine eigene Bibliothek habe, ist diese hier nun unnötig." Überall waren auch Mitbringsel aus den Schlachten, und auch sie konnte Amalric gern mitnehmen. "Du hast Mutter sehr glücklich gemacht, ich bin erstaunt, daß du diesen Weg eingeschlagen hast."

Das ließ den etwas Jüngeren leise schmunzeln, während er eine der großen Kampfstreitäxte von der Wand nahm und sie kurz schwang. Dann stellte er sie wieder zurück und nahm zur großen Verblüffung Christopheros eines der Bücher zur Hand, blätterte es durch und nickte dann und wann, wenn er etwas in dem Buch fand, das Tahir gefallen könnte. "Nun - wir wissen beide, daß ich mich nie damit abfinden konnte, einfach ein Weib zu ehelichen und Bälger in die Welt zu setzen. Ich bin auch kein Verwalter oder Gelehrter wie du, Bruder ... wenngleich ich durch meinen Waffenbruder inzwischen sehr viel gelernt habe. Ich bin Krieger und Ritter, auch Vater merkte dies - deshalb wollte er mich ja als seinen Nachfolger, etwas, das ich niemals wollte. Mit der Kirche an sich habe ich auch jetzt noch nicht sehr viel am Hut - doch der Orden, dem ich beigetreten bin, hat meine volle Überzeugung und Loyalität. Es war ein Zeichen Gottes, daß ich in dem Kreuzzug war und dort überlebte, um von Tahir gerettet zu werden ... und ich werde mein Leben daran setzen, die hehren Ziele des Ordens weiterzugeben. Nun kann ich genau das tun, das ich immer wollte: In der kleinen Burg Knappen und Junker ausbilden, während Tahir Gelehrte und Ärzte ausbildet. Du weißt, daß ich die kleine Burg schon immer mochte - wie Vater, so habe auch ich mein Herz an sie verloren und an die Pferde, die dort gezüchtet werden. Ich danke dir, daß du mir diesen Neuanfang ermöglichst, Christophero - nun sind wir alle glücklich: Mutter, daß ich in einem Orden bin; du, daß du die unangefochtene Erbfolge antreten kannst und der Herr über Vaters Güter wirst; und ich, da ich in Ruhe meinen Aufgaben nachkommen kann, ohne hier ein Störfaktor zu sein."

"Du hast dich wirklich sehr verändert." stellte Christo fest und musterte seinen Bruder, der früher von Büchern nicht soviel wissen wollte, und jetzt las er sie kurz und schien etwas zu suchen. "Auch wenn ich es ungern zugebe, aber du hast Recht. Jeder kann nun das tun, was er sich wünschte. Ich erbitte dann doch etwas: Sollte es Streit mit anderen Familien geben, bitte ich dich, für uns zu kämpfen." Das kam immer wieder vor und was das betraf, war der Ältere nicht besonders gut.

Die Bitte überraschte Amalric, doch andererseits war es auch verständlich und so legte er das Buch zur Seite und kam zu ihm, um ihm kurz die Schulter zu drücken. "Das ist selbstverständlich, mein Bruder - auch wenn ich nun ein Ordensritter bin, so kämpfe ich für meine Familie. Und natürlich tun es auch mein Waffenbruder und mein Junker - und alle Ordensbrüder, die ich zukünftig anwerben und ausbilden werde. Niemand legt sich ungestraft mit dem Haus del Ponte an ... und das werden alle zukünftigen Gegner lernen. Ich bitte dich nur, weiterhin so vernünftig und vorausschauend wie bisher zu sein, Christophero - ich weiß, wie gut du in Verhandlungen bist und deine Worte haben schon oft Streitigkeiten friedlich beigelegt. Ich bin zwar ein Ritter und Krieger - doch ich kämpfe nur, wenn es nicht vermeidbar ist."

"Und ich vermeide, daß Kämpfe entstehen ... ich mag so etwas nicht und ich bin ehrlich, es war sehr dumm von Vater, daß er in diesen Krieg ritt." Was das betraf, nahm Christo bei Amalric kein Blatt vor den Mund. "Aber er ist so stur gewesen, wie du es bist ... und alle ritten in diesen Kampf, also musste er es auch tun." Dieser ganze Kampf kam dem Älteren sinnlos vor, denn auch wenn er gläubig war, so fand er es Unsinn, anderen Völkern den Glauben aufzuzwingen.

Amalric seufzte leise, dann nickte er und setzte sich seinem Bruder gegenüber. "Du hast Recht - dieser Krieg ist sinnlos, auch wenn wir das nur unter uns besprechen sollten. Und auch wenn Vater niemals hätte hingehen sollen, für mich und nun dich war es das Beste, das uns passieren konnte. So stur wie damals bin ich übrigens nicht mehr, ich bin reifer geworden ... nur, wenn es um meinen Waffenbruder geht, kenne ich kein Pardon, ich lasse nichts auf ihn kommen. Ich liebe ihn wie einen Bruder, Christophero ... ich verdanke ihm mein Leben und ich werde ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, auch wenn ich weiß, daß er es niemals verlangen wird." In diesem Moment konnte der junge Krieger nicht verhindern, daß sein spanisches Feuer in seiner Stimme und auch seinen Augen brannte - doch er hoffte, daß sein Bruder es als Loyalität und Waffentreue auslegte und nicht als die Liebe, die er wirklich für seinen Gefährten empfand.

Christo zog einen Moment die Brauen in die Augen, als er seinen Bruder so sprechen hörte ... denn es klang für ihn fast, als liebe er den Hellhaarigen wirklich. Aber er fasste es doch als Treue auf, jedoch würde er seinen Bruder ein wenig im Auge behalten. "Du bist wirklich reifer geworden. Ich möchte später erfahren, was alles vorgefallen ist ... und ich ... nun, dein Waffenbruder. Hat er eine barbarische Mutter ? Seine Haut ist so dunkel. Denke nicht, ich habe etwas dagegen, es interessiert mich nur."

Diese Frage war erwartet und Amal lächelte nur, ehe er sich entspannt zurücklehnte. "Nein - seine Mutter war eine hellhaarige Italienerin, die nach Arabien verschleppt und von seinem Vater befreit wurde. Die Mutter seines Vaters war jedoch eine arabische Prinzessin, so daß in ihm königliches Blut aus beiden Linien fließt - aus der seines Großvaters und auch der seiner Großmutter. Die dunkle Haut war ein Merkmal, das sich weitervererbte ... und glaub mir, in diesem Land der sengenden Sonne und der heißen Wüsten ist es sogar ein Segen. Tahirs Mutter vererbte ihm die hellen Augen und Haare - er besitzt alle Farben des Wüstensands, so wie es auch sein Pferd und sein Gepard tun. Nicht umsonst wurde er als Dschinn gefürchtet ... denn er ist so geschwind und tödlich, wie ein Sandsturm es sein kann. Doch er ist nicht nur ein begnadeter Reiter und Krieger ... er ist ein Mann des Wissens und ich glaube, du würdest dich sehr gut mit ihm verstehen. Ich habe ihm an Latein und Griechisch gelehrt, was ich vermochte, da er nur das Arabische kannte - doch du warst immer der bessere Schüler von uns beiden und ich hoffe, daß du uns auch einmal in der Burg besuchst, damit du und Tahir ein wenig eures Wissens austauschen könnt." Es war nicht nur ein Friedensangebot, um die Fehde, die früher zwischen ihnen bestanden hatte, endgültig beizulegen ... sondern auch die Hoffnung, daß sie nun ein tieferes Band zwischen ihnen knüpfen konnten.

"Hmm, das erklärt es dann wohl. Und er ist ein kämpfender Gelehrter ? Das sieht man selten bis gar nicht." Christo selbst konnte auch kämpfen, jedoch nur das Nötigste, denn er war dafür etwas ungeschickt. "Ich würde mich gern mit ihm austauschen, aber ich denke, ihr richtet euch erstmal in der Burg ein bleibt für diese Nacht. Mutter wird sich freuen."

Das ließ Amalric leise seufzen und er überlegte, wie er am Besten antworten sollte. "Ich weiß ... doch ich bin mir unsicher, ob sie es verstehen wird, daß ich nun ein wenig andere Regeln befolge. Wenn wir hierbleiben, wird Tahir ebenfalls in meinem Zimmer übernachten - es ist eine der Sitten in meinem Orden, daß Waffenbrüder immer zusammenbleiben. Auch mein Junker und unser Leibdiener sollen in unserer Nähe sein, das Zimmer neben meinem alten Zimmer im Ostturm wäre gut für die beiden, da es eine Verbindungstüre in mein Zimmer hat. Eigentlich hätte ich heute schon abreisen wollen, nachdem die Diener alles gepackt und verladen haben ... doch ich sehe ein, daß es besser ist, wenn sie bis Morgen dafür brauchen können. Ich denke, auch Mutter und Tahir sind noch viel zu sehr mit dem Garten beschäftigt - also gut, wir bleiben. Kannst du das mit den Zimmern veranlassen ? Im Nebenzimmer brauchen wir zwei Betten, in meinem Zimmer genügt das große Bett ... es wäre zuviel Aufwand, es abzubauen und zwei schmalere Betten hochzubringen. Und kannst du bitte veranlassen, daß man Tahir vor allem unser Rind- oder Wildfleisch bringt ? Ich habe ihm während der ganzen Fahrt darüber vorgeschwärmt, wie gern du gute Küche magst und er ist doch neugierig darauf geworden."

"Zusammen ? Nun ... also gut." Daß sein Bruder mit seinem Waffenbruder sogar in einem Bett schlafen würde, hatte Christo nicht erwartet, und er musterte Amalric nochmals für einen Moment und überlegte. "Du teilst das Bett immer mit ihm, oder ? Hat er dich verführt ?" Er war nicht dumm und wusste, daß es möglich war. "Du sagst, du liebst ihn mehr als einen Bruder ... ich bin nicht dumm, Bruder. Aber ich werde Mutter nichts sagen, sie würde einen Zusammenbruch erleiden."

Für einen Moment wurden die Augen Amalrics so hart und kalt wie Kristall und zeigten, wie wichtig ihm die nun folgenden Worte waren - und auch, daß er sie todernst meinte. "Es ist auch gut, daß du schweigst - denn wenn du auch nur ein Wort davon sagst, töte ich dich, ohne zu zögern." Erst dann wurde sein Blick wieder weicher und der junge Adelige seufzte, als er sich hinterlehnte und seinen älteren Bruder betrachtete. "Ich weiß, daß du nicht dumm bist, im Gegenteil ... dein Verstand ist so scharf wie meine Klinge. Und was die Verführung angeht - ich sehe es nicht so. Ich denke, es war Gottes Wille, daß ich durch die Schlacht und die Wüste geprüft, gebrannt und geläutert wurde, damit ich die Liebe auch verdiene, die ich durch ihn erfuhr. Ja, ich liebe ihn, Christophero ... so sehr, wie Vater unsere Mutter liebte. Ich habe es damals nie verstanden, da ich nicht so sehr auf die Weiberröcke, als nach dem Schwert blickte - doch bei Tahir fühlte ich mein Feuer erwachen und es wird von ihm ebenso erwidert. Und in diesem Orden ist es verboten, Frauen zu heiraten und zu besteigen, um Bastarde und auch Kinder zu vermeiden, da sie den Zielen des Kriegerordens ebenso wie keifende Weiber hinderlich wären ... jedoch nicht, untereinander Waffenbruderschaft zu schwören. Diese Paare sind inniger verbunden als viele der Ehen, die hier geschlossen werden - und ein jeder dieses Paares hat die absolute Sicherheit, daß der Andere ihn niemals verraten und ihm immer den Rücken decken wird, eine Liebe, die über das Körperliche hinausgeht. Das ist auch einer der Gründe, weshalb der heilige Stuhl in Rom den Engel Azrael nicht anerkennt - der heilige Stuhl in Konstantinopel jedoch schon. Und ich bin dem Orden der Ritter Azrael's beigetreten, da ich Tahir liebe und mit ihm zusammenbleiben will."

Christo hatte alles ruhig angehört und nickte letztendlich nur. Er musste nicht viel sagen, außer ein "Ich verstehe und akzeptiere das. Und ich werde gewiss nichts sagen." Daß Amal ihm das nun erzählt hatte, erkannte der Ältere deutlich an. "Ich bin doch irgendwie froh, daß du heil wieder hier bist. Mutter war all die Zeit nicht mehr die selbe."

"Ich kann es nur ahnen, da sie nicht nur ihren Mann, sondern auch einen Sohn weggeben mußte. Und wir wissen ja leider, wie hoch die Todeszahlen unter den Kreuzrittern ist ... es ist ein Wunder, daß ich zurückkam und wie ich schon sagte, ohne Tahir wäre ich als Sklave verkauft oder sogar für meine Widerspenstigkeit getötet worden. Ich danke Gott einen jeden Tag dafür, daß ich noch lebe - und nun hat auch Mutter endlich Gewißheit und zumindest mich zurückerhalten. Ich danke dir, Bruder, daß du schweigst ... ich vertraue dir und ich hoffe, du erwiderst dieses Vertrauen auch." Amalric wußte, daß sein älterer Bruder im Herzen ein guter und vertrauenswürdiger Mensch war - lediglich der immerwährende Kampf um die Gunst ihres Vaters hatte sie bisher entzweit und Amalric hoffte, daß er nun mit seinem Bruder endlich Frieden schließen konnte.

Ein Stück waren sie sich ja nun näher gekommen, denn die Fronten und Interessen waren geklärt worden und sie kamen sich somit nicht mehr in die Quere. "Nun, dann lasse ich jetzt die Zimmer richten und ihr erzählt uns vom Morgenland. Ich würde gern mehr erfahren." Christo war neugierig, denn er hatte schon einige Erzählungen gehört, doch waren diese nicht sehr aufschlussreich gewesen, da Kämpfer keinen Sinn für das eigentliche Land hatten.

Das hatte Amalric schon erwartet und er schmunzelte leise, ehe er sich vorneigte und schon damit begann, ein wenig mehr zu erzählen. Tahir würde noch bis zum Sonnenuntergang beschäftigt sein, daran bestand kein Zweifel - und er gönnte es seinem Gefährten auch, da er wußte, wie sehr dieser das frische Grün und die schönen Blumen genoß.

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