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”Eine Mondnacht in Venedig” 03
 

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Leise vor sich hinsummend, legte Giancarlo sein Notenheft auf den kleinen Schreibtisch neben seinem Bett, warf sich rücklings auf die Decken und seufzte erleichtert, als er fühlte, wie sich sein Körper langsam entspannte. Die letzten vier Stunden waren mehr als nur anstrengend gewesen, denn zuerst hatten sie zwei Stunden Gesangstraining gehabt und danach noch zwei Stunden lang ihre Körper trainiert. Denn auch die Sänger mußten genug Kondition haben, um die langen Tänze auf der Bühne durchzuhalten oder auch die Sängerinnen zu heben – und so wurde ebensoviel Wert auf die Bildung wie auf den Gesang und die körperliche Ertüchtigung gelegt. Carlo liebte den Unterricht und gab überall sein Bestes – doch er war genauso froh, wenn er seine Ruhe haben konnte und als die anderen Schüler nachkamen, grinste er breit und hob eine Braue, als seine Freunde ratschend in ihren Schlafsaal kamen.

Ein Junge, der sich gleich am ersten Tag mit ihm angefreundet hatte, kam gleich zu ihm und setzte sich auf die Bettkante. Pablo war einer der Kastraten und sehr zart und jungenhaft geblieben, obwohl auch er schon achtzehn Jahre alt zählte. "Du hast immer soviel Energie, hin und wieder wünschte ich mir, ein paar Tage frei zu haben." seufzte er und blickte Carlo an. Eigentlich musste sich Pablo nicht beschweren, er war einer der besten Kastratensänger der Schule, trotzdem war faulenzen für ihn nicht drin. Er bewunderte Carlo jedoch immer wieder und neidete ihm ein wenig sein männliches Aussehen, weil er die Männerrollen hatte, während er immer wieder in Frauenkleider gezwängt wurde.

Das wußte auch Carlo und so richtete er sich auf und zog ihn zu sich, küßte ihn zärtlich und lächelte, als er ihm durch das lange, gelockte Haar streichelte. "So bin ich eben, Hm? Und du magst mich doch auch so, stell dir mal vor, ich wäre so faul und fettgefressen wie Apiani." Die Vorstellung ließ Carlo kurz schaudern, denn der Hauptsänger der Oper war ein regelrechtes Faß. "Und ich mag dich so wunderhübsch und zart, wie du bist, Pablo ... das weißt du doch."

"Aber lieben tust du nur einen, nicht wahr?" Jeder in dem Raum wusste, wie sehr Carlo seinen Mäzen vergötterte, jedes Mal, wenn er ihn sah, war er danach immer ganz hin und weg. "Aber Raffaele ist ja auch ein schöner Mann." Pablo neckte seinen Freund und küsste ihn auf die Nase.

Leise aufseufzend, nickte Carlo und ließ sich wieder auf sein Bett zurücksinken. "Er ist mehr als das, Pablo ... er hat nicht nur einen herrlichen Körper, auch sein Gesicht ... und die Augen. Und dazu ist er so großzügig und liebevoll wie ein großer Bruder oder Vater. Aber für mich ist er so viel mehr als das ... ich habe es dir ja erzählt, ich habe mich schon damals auf dem Friedhof in ihn verliebt. Aber er beachtet mich in dieser Hinsicht überhaupt nicht – es ist, als ob ich für ihn nur als sein Schützling existiere und nicht als Mann, es ist zum Verzweifeln."

Pablo legte sich neben seinen Freund auf den Bauch und betrachtete ihn. "Ich weiß, ich sehe jedes Mal, wie schmerzlich es für dich ist, wenn er mit seinen Begleitern zu den Vorstellungen kommt. Versuch es doch einfach mal etwas offensiver." Bisher war Carlo immer nur zögerlich an Raffaele herangetreten. "Bei uns bist du doch auch nicht so, Hm?"

"Das stimmt, Großer ... du vernascht jeden von uns, wenn du Lust hast, ohne groß zu fragen." Die Worte Francos ließen Carlo laut auflachen und kurz nicken, ehe er sich wieder aufrichtete, den Braunhaarigen packte und direkt zu sich und Pablo zog, um ihn leidenschaftlich zu küssen. "Klar vernasch ich euch – schließlich seit ihr meine Freunde. Aber bei ihm werde ich immer unsicher, es ist zum Verzweifeln. Er sieht mich immer so an, als ob ich ihn an etwas erinnere ... und dann kann ich einfach nichts anderes tun, als das, was er von mir möchte. Aber wenigstens mit euch kann ich mich austoben, sonst wüßte ich nicht, was ich tun sollte."

Pablo hatte allerdings eine Idee und neigte sich dicht ans Ohr von Giancarlo. "Ich habe eine Idee ... du bist ein guter Schauspieler. Ich wette, Raffaele ist wie jedes Jahr beim Neujahrsball seiner Eltern. Der große Maskenball, wo sie immer noch versuchen, ihn zu verkuppeln. Verkleide dich und verführe ihn, so sieht er nicht dein Gesicht und weiß nur, daß du ein Mann bist, der ihn begehrt." Pablo war ein junger Mann, aber er war gerissen wie eine Frau. "Überlege es dir, Jeder weiß, daß er frischem und fremden Blut nicht widerstehen kann."

"Ja, ich weiß ... ich weiß, Pablo. Aber die Idee ist gut – ich muß nur eine Maske finden, die auch meine Augen tarnt. Aber wie komme ich da hin? Oh Gott, wie komme ich da überhaupt hin, ohne eine Einladung kann ich mich da nicht blicken lassen. Außer, ich stelle mich zu den Huren außerhalb der Tore ..." Das war etwas, das die gerade erwachte Vorfreude schnell wieder versiegen ließ und Carlo fiel wieder nach hinten auf das Bett, als er resignierte.

"Dann stell dich zu den Huren und zieh etwas an, dem er nicht widerstehen kann. Komm mit, ich zeig dir etwas." Pablo stand sofort auf und zog seinen Freund mit sich mit. "Ich habe es vor kurzem entdeckt." Mit den Worten zog er ihn aus dem Zimmer, stieg die Treppen hoch zum Dach und auf den Speicher. Dort ließ er ihn los und zündete eine kleine Laterne an. "Du weißt, ich stöbere gern." erklärte er und ging bis in die hinterste, staubige Ecke, wo eine schwarze Holzkiste stand, und die holte er hervor und öffnete sie, um Carlo zu zeigen, was darin war. "Bei der sieht man deine Augen nicht, ich glaube, die ist so alt, daß sie schon vergessen wurde ... so etwas Wertvolles hier vergammeln zu lassen, finde ich scheußlich."

Carlo war ihm gefolgt, da er genau wußte, daß der schlanke Kastrat nicht aufzuhalten war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Doch als sich der junge Sänger zu ihm kniete und das entgegennahm, das Pablo ihm reichte, wußte er, daß der Schlankere Recht hatte. "Das ist unglaublich. Die haben das hier tatsächlich vergessen?" In seiner Hand hielt er eine Maske, die einen Teufel darstellte – sie war aus feinstem, schwarzen Leder, das so geschnitten war, daß es von der Stirn über die Nase und über die Wangen zu den Kieferknochen reichte, jedoch den Mund und die Unterseite der Wangen freiließ. Daran waren oben zwei schwarze Widderhörner befestigt, die fast echt aussahen und die Aussparungen für die Augen waren mit hauchzartem, roten Glas verdeckt, so daß man zwar hindurchsehen aber die Augenfarbe nicht entdecken konnte. Sprachlos vor Bewunderung, hielt sich Carlo die Maske an – sie paßte, als ob sie für ihn gemacht worden wäre und er blickte auf Pablo, den er trotz des farbigen Glases deutlich sehen konnte.

"Wie für dich gemacht und daß deine Augen Lila sind, sieht man nicht." Gerade jetzt im Licht der kleinen Laterne sah Carlo richtig unheimlich aus. "Hier sind noch ein paar Masken, aber bei den Meisten ist etwas kaputt ... ich weiß nicht, wie man diese Schätze so vergessen konnte, aber es ist auch gut." Pablo tickte an die Dämonenmaske und grinste. "Du wirst ihm auf jeden Fall auffallen, du brauchst nur noch ein passendes Kostüm." Er war wirklich begeistert und hoffte, daß alles klappen würde, weil er Carlo dieses Glück wünschte.

Der fing nun an, sehr breit zu grinsen und nickte, als er die Maske wieder abnahm und sie betrachtete. "Sie ist absolut perfekt – und sie paßt mir auch perfekt. Und weißt du was, Pablo? Ich lasse mir dazu ein Oberteil aus schwarzem Leder machen, das viel Haut zeigt ... und vielleicht ein wenig der offenen Haut mit durchscheinendem, rotem Stoff verdecken. Und dazu einen bodenlangen, schwarzen Lederrock, der schön weit schwingt und schwarze Lederstiefel und eine Peitsche. Ich glaube kaum, daß er mir dann widerstehen kann, was meinst du?"

Pablo lachte leise wegen der Frage. "Natürlich wird er dir nicht widerstehen können. Ein Tropfen Moschus noch dazu und er wird dich verschlingen." Ein wenig ging seine Fantasie mit ihm durch und er seufzte leise auf. "Wie romantisch." säuselte er etwas weibisch und lachte leise. "Komm, lass uns wieder runtergehen, sonst stauben wir noch mehr ein."

"Ja – und der Direktor kriegt wieder einen Wutanfall, denn wir dürfen garantiert nicht hier oben sein und das weißt du so gut wie ich. Und Moschus ... die Idee ist gut, mehr als nur gut. Das läßt ihn die Hemmungen verlieren." Das Grinsen Carlos wurde noch wenig tiefer, ehe er glücklich auflachte und die Maske in ein altes, vergessenes Tuch wickelte, das hier herumlag. "Und außerdem warten noch Stefano und Cicaro auf dich, damit du ihnen die Haare frisierst, du weißt doch, wie versessen sie darauf sind."

"Ich weiß ... ich werde sie schön für die Nacht machen und dann komme ich in dein Bett. Ich will deine Männlichkeit fühlen." Er lächelte beim Sprechen und ging dann wieder vor, löschte am Ausgang des Speichers die Laterne und schlich zusammen mit Carlo hinab in ihr Zimmer. Wenn sie erwischt wurden, dann mussten sie wieder putzen, oder man hängte es - wie so oft - Carlo an und der musste putzen. Das wollte Pablo nicht und so war er besonders leise und sie schafften es unbemerkt ins Zimmer zurück.

Dort bot sich ihnen ein gewohnter Anblick: Franco und Marco verwöhnten die beiden anderen Kastraten und scherten sich nicht darum, daß die Beiden wieder von ihren Streifzügen zurückkamen. Carlo schmunzelte nur und legte die Maske unter die Kleidung in seiner Truhe, ehe er sich Seife, Handtuch und Schwamm nahm, um damit in das große Badezimmer der Schule zu gehen. "Kommst du mit, Pablo? Oder möchtest du noch ein wenig bei den Anderen sein?"

"Warte, natürlich komme ich mit. Ich bin ganz staubig und die Anderen sind eh noch beschäftigt." Daß es so war, hörte man an dem lustvollen Stöhnen, das von einem der Betten kam. "Bin schon da." Pablo hatte schnell sein Waschzeug geholt und folgte nun seinem Freund in die Duschräume. "Weißt du was? Ich hoffe, ich bin auch mal so verliebt wie du."

Die leisen, sehnsüchtigen Worte ließen Carlo innehalten und er seufzte leise ... dann zog er den Schlankeren an sich und küßte ihn sanft, ehe er seine Stirn an dessen legte und aufmunternd zu ihm sprach. "Ich glaube fest daran, daß du Jemanden findest, der dich so liebt, wie du bist - und den du wiederlieben kannst. Bei dir ist es nicht so wie bei mir, nicht so kompliziert ... du bist noch frei und ungebunden und offen für die Liebe." Manchesmal bedauerte es Carlo, daß er sich nicht in seinen Freund verliebte – doch sie Beide verband ein anderes, fast ebenso inniges Band, es war die tiefe Freundschaft, die zwischen ihnen existierte.

Pablo seufzte leise und nickte. "Antonio, den guten Freund deines Mäzens, finde ich wirklich großartig, er ist ein so stattlicher und schöner Mann." Er schwärmte heimlich für ihm und lief Rot an. "Ich hab ihn schon so oft gesehen, aber wir wurden uns noch nie vorgestellt. Könntest du nicht? Obwohl ich ihm sicher zu weiblich bin, ich sehe ihn nur mit richtigen Männern wie Raffaele." Es war wie verhext, es war wirklich nie dazu gekommen, daß sie einander vorgestellt wurden.

"Vielleicht kommt er ja mit, wenn Raffaele in zwei Tagen kommt ... und wenn nicht, werde ich ihn darauf ansprechen, versprochen. Und du solltest dir vielleicht eine Hose anziehen, mein Hübscher – gerade weil er nicht so sehr auf Kleider zu stehen scheint." Das Letztere war scherzhaft gemeint, denn Carlo wußte ganz genau, daß Pablo - sobald es ging - die lästigen Kleider auszog und wegräumte.

"Du weißt, daß ich die Kleider immer gleich ausziehe. Trag du mal ein Kleid, dann weißt du, wie schön es ist, keines zu tragen." Er spielte empört und entledigte sich nun seiner Kleidung. Er wollte duschen, um den Staub aus seinen Haaren zu bekommen - und er wollte Carlo mit Seife und Schwamm verwöhnen, vielleicht auch noch mit etwas anderem.

Das wußte Carlo auch und er schmunzelte leise, als er seinen Freund in die Duschen begleitete. Sie hatten sich schnell ausgezogen und stiegen unter das Wasser, so daß der Größere damit beginnen konnte, Pablo zärtlich abzuwaschen. Er genoß es immer wieder, wenn sie so zusammen waren und sich verwöhnten ... und schließlich hob Carlo das Gesicht des Schlankeren, küßte ihn zärtlich und lächelte, als er fühlte, wie dieser sich an ihn schmiegte.

Und dann langsam tiefer glitt, um Carlo zu verwöhnen. Er tat es immer wieder sehr gern und mit viel Hingabe. Pablo liebte es, die Hoden Carlos zu fühlen und zu schmecken, was er nicht mehr hervorbringen konnte. Im Moment waren sie allein, aber selbst wenn Jemand hinzukam, störte sich Keiner von ihnen daran.

Heiser aufkeuchend, schloß der Größere die Augen und genoß ... es war immer wieder ein herrliches Gefühl, wenn ihn Pablo verwöhnte, und gerade hier unter dem heißen Wasser entspannte es noch mehr. Und vor allem lenkte es ihn wirkungsvoll von seinem Liebeskummer ab, von den Gedanken an Raffaele und dem, was er sich von ihm wünschte.

~~~***~~~

Die Nacht über hatte Raffaele seine Sorgen wirklich vergessen, stöhnte am Morgen leise und schob Antonio, der schwer auf ihm lag, ein wenig von sich. "Ich hab das Gefühl, du bist schwerer geworden, oder ich älter." murmelte er und küsste seinen Freund sanft auf die Wange.

Der schmunzelte nur und zog Raffele wieder enger an sich, knabberte sanft an dessem Hals und antwortete ihm schließlich leise. "Du solltest wieder etwas für deinen Körper tun, mein Freund ... was du fühlst, ist der Sport, den ich treibe – und den du wieder tun solltest. Es hält dich jünger, Raffaele." Gerade das war etwas, das Antonio abging ... früher waren sie mehrfach in der Woche zum Schwimmen oder in den Sportclub gegangen, doch Raffaele verpaßte in der letzten Zeit viele ihrer Termine.

"Ich weiß, ich weiß." Er könnte sich jetzt eine Entschuldigung aus den Fingern saugen, aber er hatte keine. "Kommst du Morgen mit in die Oper?" Raffaele lenkte ab und lächelte bittend. "Jetzt, wo die Einladungen raus sind, werden mich die Frauen wieder umschwärmen. Mütter, ledige Damen und junge Mädchen, die von ihren Müttern geschickt wurden." Es nervte wirklich - kaum gab es einen Ball, zu dem er eingeladen war, wurde er vorher von Frauen überfallen.

Das brachte Antonio dazu, leise zu lachen ... denn er wußte ganz genau, was passierte, schließlich war es jedes Jahr das Gleiche. "Natürlich begleite ich dich zur Oper – nur für den Ball mußt du dir eine andere Begleitung suchen, dieses Jahr möchte ich mir nämlich auch eine Begleitung suchen. Es reicht, wenn sie dir nachrennen, so habe wenigstens ich meine Ruhe." Es war ein gutmütiges Necken unter ihnen Beiden – denn im Gegenzug zu Raffaeles Familie hatte die Antonios schon lange resigniert und akzeptiert, daß er sich nicht verheiraten ließ.

"Du hast gut lachen, deine Eltern sind nicht so stur wie meine. Und zum Ball gehe ich wie jedes Mal alleine." Raffaele reckte sich ein wenig und gähnte herzhaft. "Oh faules Leben, wie schön bist du." murmelnd, blieb er immer noch liegen und lächelte breit. Er musste nicht arbeiten, weil er sein Geld gut angelegt hatte.

Das wiederum brachte Antonio dazu, die Brauen tief in die Augen zu ziehen, ehe er seinen Freund einfach aus dem Bett stieß, nickte, als er den dumpfen Aufschlag hörte und dann selbst aufstand. "Faul? Paß auf, daß du nicht noch fett wirst! Es würde dir mehr als nur guttun, endlich wieder etwas zu tun ... mich wundert, daß dich überhaupt noch ein Mann ansieht bei dieser Einstellung. Komm, zieh dich an – nach dem Frühstück gehen wir zum Schwimmen, erholen uns danach im türkischen Bad und gehen auch zum Friseur, essen zu Mittag und dann machen wir dich hübsch für den Besuch in der Oper. Und bevor du dich beschwerst: Ich bin dein bester Freund und es ist meine Pflicht, auch auf dich und deine Gesundheit zu achten." Diese Faulheit war eine Tendenz, die Antonio überhaupt nicht gern an seinem Freund sah – denn dieser tendierte dabei dazu, entweder gar nicht oder zuviel zu essen und viel zu viel zu grübeln. Es war besser, wenn Raffaele sich ein wenig beim Training verausgabte ... es tat dem Körper gut und auch der Seele, wenn er sich entspannen konnte, ohne an seinen Schützling oder seine Familie denken zu müssen.

Raffaele war mit einem lauten Aufschrei vom Bett gefallen - zum Glück lag das Fell direkt davor und bremste seinen Fall. "Du fieser Hund!" Er rappelte sich auf und betrachtete seinen Freund, der ja nur um ihn besorgt war. Dann lachte er, stieg über das Bett herüber und stürzte sich auf ihn. "Wenn ich dich nicht hätte, dann wäre ich so fett wie Apiani. Obwohl mich die Frauen dann sicher nicht mehr wollten ... aber auch keine Männer mehr."

Ebenso auflachend, fing Antonio seinen Freund auf und warf ihn wieder zurück aufs Bett, sprang ihm nach und hielt ihn spielerisch an den Armen darauf gefangen. "Nein, die würden einen großen Bogen um dich machen – und die Frauen würden dich noch immer wollen, schließlich bist du reich. Aber weißt du was? Du solltest dir ein Beispiel an deinem Schützling nehmen, er hat einen herrlichen Körper. Maskulin und trainiert, aber nicht zu kräftig ... und auf eine herbe Art sehr hübsch. Und auch wenn mich diese schlanken Kastraten ebenso interessieren, ich bin froh, daß du Giancarlo davor bewahrt hast." Bisher wußte nur Raffaele von der Schwäche Antonios für die eher schlankeren, androgynen Sänger ... sie faszinierten ihn sehr, auch wenn er dieser Neigung bisher nicht nachgegangen war.

Raffaele hingegen schon ein paar Mal, er fand sie sehr reizend, aber er mochte halt lieber Männer wie Antonio und seine anderen Freunde. "Er hätte es mir sicher nie verziehen. Und selbst ich hatte das Verlangen, meine Männlichkeit zu verstecken, als der Alte mit der Kastration anfing. Ich finde es Okay, wenn die Jungen es freiwillig machen lassen, aber wie oft werden sie schon gefragt, oder sie werden gelockt mit großen Versprechungen? Und dann werden sie entmannt und bleiben teils so zarte kleine Wesen ... Pablo ist ein gutes Beispiel, er geht locker als eine Frau durch, ohne daß er sich anstrengen muss, oder Giuseppe." Raffaele verstand nicht, warum sein Freund dem Verlangen noch nicht nachgekommen war, aber er drängte ihn zu nichts, denn so etwas würde der auch nicht bei ihm tun.

Erneut leise seufzend, nickte Antonio und stand wieder auf, zog auch seinen Freund wieder hoch und klopfte ihm kurz auf die Schulter. "Ja, ich weiß ... der Kleine, der mit Giancarlo befreundet ist. Ich sehe ihn immer in seiner Nähe, wenn ich dich begleite, er ist niedlich. Giuseppe ist mir zu fraulich, er schminkt sich zuviel und die langen, lackierten Nägel, das ist ..." Allein schon der Gedanke ließ den ein klein wenig Größeren erschauern, doch dann lachte er wieder auf und zog sich an, damit sie frühstücken und in das große Badehaus gehen konnten.

"Ja, ich weiß, er liebt die Frauenrolle zu sehr. Pablo kann immer nicht schnell genug aus den Kleidern heraus, ich finde, er ist eher knabenhaft als fraulich, obwohl er im Kleid eine bessere Figur macht als Giuseppe. Weißt du was? Ich stelle dir Pablo einfach mal vor, bisher hatten wir das ja versäumt." Raffaele zog sich ebenso an, baden würden sie im türkischen Bad, und dort würden sie sich auch rasieren lassen. "Wenn er dir sympathisch ist, vielleicht nimmst du ihn dann mit zum Faschingsball?"

Nun doch ein wenig verdutzt, drehte Antonio sich um und hob eine Braue, als er überlegte. "Wäre eine Idee, nicht wahr? Hm ... das wird sich zeigen, wenn du ihn mir vorstellst. Vielleicht findet er mich ja so gräßlich, daß ich ihm die Strafe meiner Gesellschaft lieber nicht antue." Es dauerte nicht lange, bis sie sich angezogen hatten – und es sprach auch dafür, wie gut sie sich kannten und auch, wie oft sie sich trafen, daß sie in den Häusern des jeweils Anderen genug Wechselkleidung in den Schränken hängen hatten. "Was gibt es denn Heute eigentlich zum Frühstück?"

"Das Übliche eben." erklärte Raffaele und kam zu seinem Freund. "Wegen Pablo nochmal. Hast du nie bemerkt, wie er dich von weitem anhimmelt? Du bist ein Klotz, mein Freund, so etwas bemerkt man doch." Er zwickte ihn sacht und lachte wieder leise. "Er ist bestimmt zu schüchtern, aber seine Augen verraten ihn."

Das überraschte Antonio wirklich und er lachte leise, als er den Arm um Raffaele legte und mit ihm zum Eßzimmer runterging. "Wie das Schicksal doch spielt ... du spielst blind für die Avancen Giancarlos, und ich bin blind, weil ich Pablo nicht bemerkte. Nun gut – ich begleite dich gern zur Oper, auch wenn es eine Tortur werden wird, sich durch die Frauenwelt zu schlagen. Aber auch nur, weil ich dich zuvor ins Badehaus zerren darf und weil du mich dem Kleinen vorstellst. Mal sehen, ob es was wird. Ahh, das riecht gut – ich habe einen Bärenhunger, deine Köchin hat sich wieder einmal übertroffen." Inzwischen waren sie in dem Eßzimmer angekommen und vor ihnen stand ein mehr als nur reichgedeckter Tisch, denn inzwischen wußten die Angestellten gut, welchen Hunger Antonio in der Frühe entwickelte.

So machten sie zweierlei Dinge, für Antonio deftig und für Raffaele etwas süßer, und dazu ein guter Kaffee. "Weil sie wissen, daß du da bist und weil sie wissen, daß du sonst zum Klauen in die Küche kommst." wisperte Raffaele, setzte sich und nahm sich eine Scheibe Rosinenbrot, um es mit guter Butter und Marmelade zu beschmieren. Morgens konnte er so etwas deftiges wie Käse und Schinken einfach nicht bei sich behalten.

Antonio hingegen lachte nur und setzte sich ebenso, nahm eine Scheibe Brot und bestrich sie mit Butter, ehe er damit begann, seine Rühreier mit Speck zu essen. Er mochte die Art, wie die Engländer den Tag begannen, sehr – natürlich mochte er auch Gebäck oder manchmal etwas Süßes, doch in der Frühe war Deftiges besser, damit er genug Energie für seinen meist sehr arbeitsreichen Vormittag hatte. "Einen guten Appetit, mein Freund – es ist gut wie immer, mein Kompliment an die Köchin, es ist wie immer wundervoll."

"Ich werde es ausrichten." Mehr sagte Raffaele nun nicht, sie frühstückten meist eher schweigend, aber diese Stille war nie unangenehm und so taten sie es auch Heute. Danach würden sie noch genug besprechen, wenn sie im Bad und in der Stadt waren. Jetzt war genießen angesagt.

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