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”Figaro” 01
 

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Leise seufzend, nahm Rory seinen Mantel vom Haken bei der Türe und zog ihn über, während er in seine Halbschuhe schlüpfte. Doch als er seinen Aktenkoffer aufnahm, bemerkte er im Spiegel, daß er wieder einmal zum Friseur gehen sollte und seufzte leise, als er daran dachte, daß bei den größeren Läden im Geschäftsviertel Termine vonnöten waren. Und es machte einen sehr schlechten Eindruck, wenn er zu dem Vorstellungsgespräch bei dem hiesigen Leiter seiner Versucherungsgesellschaft so ungepflegt kam. "Verdammter Mist - ich hätte eher daran denken sollen. Na, zum Glück gibt es auch hier einen Friseur - er scheint zwar nur die Frauen hier in dem Viertel zu schneiden, aber ich versuche mein Glück." Eine andere Möglichkeit gab es nicht, denn Rory war erst vor kurzem hergezogen, als er sich seine Wohnung gekauft hatte. Und nun drängte die Zeit, da er nicht zu spät kommen wollte und so schloß er die Wohnung ab, stieg in den Aufzug und fuhr nach unten, um zu dem Innenhof dieser Wohnhäuser und damit auch zu dem kleinen Friseurladen zu gehen.

Dort war Renee gerade mit einer jungen Frau fertig und lachte leise, als sie einen prüfenden Blick in den Spiegel warf. "Die Haare sind wie immer, Luisa, keine Sorge." Dann holte er ihren Mantel und half ihr hinein, ehe er zu Kasse ging und abkassierte. Renee war Frisur aus Leidenschaft, denn sein Vater war ebenso aus diesen Beruf und er war praktisch in dessen Laden groß geworden. Er war Franzose und hatte eine Greencard gewonnen ... und nun nannte er seit wenigen Jahren diesen kleinen Laden sein eigen.

Just in diesem Moment trat Rory ein und blickte sich kurz um, ehe er leicht nickte, da der Laden ausnahmsweise einmal leer war und die einzige Kundin gerade ging. "Entschuldigen sie, Sir - ist es möglich, daß sie mich sofort drannehmen ? Ich habe einen Termin und möchte nicht zu spät kommen." Dabei glitt der Blick seiner hellgrünen Augen unauffällig über den schlankeren, doch sichtbar gutaussehenden Körper des Friseurs, der in dem dunklen Hemd, der schwarzen Hose und dem Gürtel mit den Friseurmessern und Scheren ausnehmend gut aussah. Doch dann riß er sich zusammen und stellte den Aktenkoffer ab, als er an die Kasse trat.

Auch Renees Augen glitten unauffällig über den Kunden. ‚Unglaublich, endlich mal ein Kerl.’ dachte er still bei sich, und lächelte sogleich. "Aber natürlich, Sir. Bitte ..." Renee nahm den Herrenmantel und das Sakko ab, und hängte beides vorsichtig auf. "Ich bin Renee. Welche Wünsche haben sie, Sir ?" Er zog den Stuhl von einem der Arbeitsplätze zurück und lächelte, damit sein Kunde sich hinsetzte.

Jener war es sichtbar nicht gewohnt, daß man ihm den Mantel abnahm und wußte im ersten Moment nicht, wie er reagieren sollte. Doch dann nickte Rory und für einen Moment lächelte er verlegen, kam zu Friseur und setzte sich hin. "Können sie meinen jetzigen Schnitt beibehalten und ihn nur wieder kürzen und anpassen ? Ich habe einen Termin bei meinem neuen Filialleiter und möchte einen guten Eindruck machen. Und wenn es keine Mühe macht, können sie vielleicht schneller schneiden ? Ich bezahle ihnen auch mehr, Renee." Es war Rory sichtbar unangenehm, den Friseur schon fast zu bestechen ... doch er hatte nicht viel Zeit und wußte auch, wie gern sich manche Friseure extra viel Zeit ließen, wenn der Laden leer war.

"Natürlich kann ich auch schnell schneiden. Und ich denke, daß ich das mit den Haaren hinbekomme." Er nahm sogleich einen Umhang, schüttelte ihn aus und legte ihn seinem Kunden um, damit keine Haare auf Hemd und Weste zurückblieben. "Dann legen wir mal los." Renee mochte diese kleine Herausforderung, schnell arbeiten zu müssen und schnappte sich einen Wasserspritzer, um das Haar des Mannes anzufeuchten. Er nahm eine Hand an die Stirn des Kunden und verhinderte so, daß ihm Wasser auf die Haut spritzte. Als alles einigermaßen nass war, massierte er das Wasser ein, und musterte den Grünäugigen im Spiegel. "Sie sind neu hier, nicht wahr ?"

All das war sichtbar ungewohnt und neu für Rory, doch es war unerwartet schön und er genoß die warmen und schönen, schlanken Hände, die er immer wieder fühlen konnte. Auch die leichte Massage war ungewohnt und schön, sie nahm dem jungen Versicherungskaufmann ein wenig der Unruhe und Verspannung, und so huschte sogar für einen Moment ein Lächeln über seine Lippen. "Ja - ich habe mir hier im Viertel eine Wohnung gekauft, ich bin erst seit einer Woche hier und stelle mich nun dem hiesigen Leiter meines Versicherungskonzerns vor. Ich denke, ich werde öfter zu ihnen kommen - sie sind schon jetzt um Längen besser als diese hochnäsigen Haarkünstler, die sich Friseur schimpfen."

"Das will ich doch hoffen - ich bin in einem Friseursalon aufgewachsen, ich verstehe mein Handwerk." erklärte Renee, und griff nun zu Kamm und Schere. "Ich mache auch Rasuren, wenn sie es wünschen. Ich bin ehrlich froh, daß auch mal ein Herr als Kunde kommt."

Rory war schon zuvor der französische Akzent aufgefallen und er blickte in den Spiegel vor sich, um kurz die Utensilien an dem Scherengürtel an den Hüften des Friseurs zu mustern. "Äh ... um ehrlich zu sein, lieber nicht. Sie sind ganz sicher sehr gut darin, doch ich bin nicht gut darin, so lange so ruhig zu sein, um nicht von ihnen geschnitten zu werden. Aber es ist gut zu wissen, daß sie sich auch auf solche Dienste verstehen." Dann verstummte er und beobachtete still, wie Renee sich sichtbar erfahren und gekonnt daran machte, ihn zu schneiden. "Sie sind verdammt schnell - ich hoffe, das sieht danach auch noch gut aus ?"

Renee lachte leise. "Oh, keine Sorge ... sie werden besser aussehen, als eh schon. Ihr letzter Friseur hat nicht ganz sauber geschnitten." Er verbesserte die kleinen Mängel, und verpasste so gekonnt der Frisur den letzten Schliff. "Ich würde mich freuen, sie meiner Kundenliste hinzufügen zu dürfen ... wenn sie zufrieden sind ?" Er war auch schon fertig, und föhnte rasch die letzte Feuchte aus den Haaren.

Es dauerte einen Moment, bis Rory wieder antworten konnte - denn er sah wirklich besser aus als bei seinem letzten Friseur, obwohl dieser mehr als doppelt so lange gebraucht hatte. Und als Renee noch seine Fingerspitzen mit Gel anfeuchtete und damit die Frisur noch ein wenig stylte, blieb Rory erneut kurz der Atem weg. Doch dann fing er sich wieder und lächelte kurz, als ihm der Umhang weggenommen wurde und er aufstehen konnte, um sich richtig anzusehen. "Unglaublich - sie sind einfach unglaublich. Und natürlich können sie mich zu ihrer Kundenliste setzen, definitiv."

"Fein, das freut mich." Renee lächelte breit und holte das Jackett und den Mantel, um sie dem Kunden hinzuhalten, damit er hineinschlüpfen konnte. "Das macht dann fünfzehn Dollar. Und ich bräuchte dann noch ihren Namen für meine Kartei." Renee sah, daß sein neuer Kunde die Geldbörse sofort gezückt hatte und lachte leise, als der verblüfft kuckte. "Ja, ganze 15 Dollar, war ja nicht viel zu machen."

"Sie erstaunen mich immer wieder, Renee - bisher habe ich für so etwas immer mindestens zwanzig Dollar zahlen müssen. Oder wenn ich weniger zahlte, dann war es auch Pfusch. Nun haben sie mich wirklich als Stammkunden gewonnen, ich komme sehr gerne wieder." Während er sprach, nahm Rory die fünfzehn Dollar heraus und gab noch eine Fünfdollarnote dazu, ehe er den Geldbeutel wieder einsteckte und sein Visitenkartenetui herausholte. "Der Rest ist Trinkgeld - und keine Widerrede, solch gute Arbeit muß auch entlohnt werden. Hier ist meine Karte ... ich werde mich wieder melden, sobald ein Nachschnitt nötig ist."

"Ganz, wie es ihnen beliebt. Und ich danke für das Trinkgeld." Renee mochte seinen neuen Kunden, steckte die Karte in seine Kartei und zahlte das Geld in die Kasse, ehe er ihn zur Tür begleitete. "Ich wünsche dann noch einen erfolgreichen Tag."

Das ließ Rory leise schmunzeln und er drehte sich in der Türe noch einmal um, um diesen ungewöhnlich freundlichen Friseur ein letztes Mal zu antworten. "Ich danke ihnen - ich hoffe es auch, der Termin ist wirklich wichtig. Doch ich denke, nun habe ich eine bessere Chance als zuvor." Dann trat er aus dem Laden und mit ein wenig mehr Schwung als zuvor zu den U-Bahnen, um zu seinem Termin zu fahren.

"Was für ein hübscher Mann." seufzte Renee, und blickte Rory nach. Er bemerkte aber auch, daß dieser nun etwas beschwingter war als zuvor, er fühlte sich wohl. "So soll es sein."

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Seither waren drei Wochen vergangen und Rory seufzte leise, als er nach dem Baden seine Haare frisierte. "Mist ... ich muß schon wieder zum Friseur, bevor sie noch länger werden. Na, zum Glück gibt es hier einen guten Friseur." Als er an Renee dachte, huschte ein leichtes Lächeln über seine Lippen und Rory schüttelte amüsiert den Kopf, ehe er den Elektrorasierer aufnahm und damit begann, sich zu rasieren. Während der drei Wochen, die er nun hier wohnte, hatte er sich den einen oder anderen One-Night gegönnt ... doch ein jedes Mal, wenn er an dem Friseurladen vorbeikam oder Renee frühs auf dem Balkon beim Joggen beobachtete, mußte er sich eingestehen, daß keiner von ihnen so gut ausgesehen hatte, wie der Franzose. Dann lenkte er sich jedoch von diesen Gedanken ab und summte leise, rasierte sich fertig und zog sich eine einfache Jeans und ein Sweatshirt an, schlüpfte noch in die Turnschuhe und nahm Schlüssel und Geldbeutel, während er sein Handy mit Absicht daließ, da er Heute einen freien Tag hatte.

Derweil saß Renee im Hinterzimmer seines Salons und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Dann holte er dazu eine Dose mit Keksen hervor und drapierte sie auf einen kleinen Teller, um beides schließlich mit nach vorne zu nehmen, und dort zu genießen. Aber da sah er schon, daß Rory auf seinen Laden zusteuerte, und stellte beides hastig beiseite. Heute war wohl ein Tag, wo er nicht vorbeilief, sondern sich die Haare wieder schneiden ließ ... und Renee freute sich darüber.

Just in dem Moment trat der junge Versicherungskaufmann auch schon ein und lächelte kurz, ehe er zur Kasse kam und Renee ansprach. "Ich grüße sie ... nun, ich bräuchte wieder einmal ihre Dienste und wollte sie fragen, ob sie Zeit haben ? Ich kann natürlich auch später wiederkommen, wenn ich gerade störe ..." Gerade, als er zu sprechen anfing, bemerkte Rory den Kaffee und die Kekse und es war ihm ein wenig peinlich, den Franzosen beim Essen gestört zu haben.

"Oh Nein, sie haben nicht gestört ... es ist nur ein kleiner Snack." Renee schob die Tasse noch etwas beiseite und grinste breit. "Heute keine Arbeit ? Dann könnte man sich etwas mehr Zeit lassen, wenn sie es möchten ?" Er schloss es aus der legeren Kleidung von Rory und hoffte, daß er nicht daneben lag.

Jener schmunzelte nur kurz und nickte, denn seine so oder so schon entspannte Stimmung lockerte sich durch Renee noch mehr. "Ja, Heute habe ich keine Kundentermine. Ich arbeite eigentlich von zu Hause aus, doch manchmal muß ich zu den Kunden - oder zu meinem Vorgesetzten, so wie das letzte Mal. Heute können sie sich wirklich Zeit lassen, Renee ... falls sie keine anderen Termine haben, die bald anfangen."

"Nein, Heute ist es ruhiger und wenn sie Zeit haben, dann könnte ich die Haare diesmal auch waschen." Nun grinste er wieder, jedoch eher sacht und nicht aufdringlich. Er hatte Rory schon öfter am Schaufenster vorbeilaufen sehen auch gesehen, wie er ins Schaufenster blickte. Er selbst sah es meist im Spiegel, so hatte der Grünäugige es wahrscheinlich auch nie bemerkt.

Das stimmte und so nickte er einfach nur, setzte sich in den angebotenen Sessel und lehnte den Kopf ein wenig unsicher nach hinten. "Ich nehme einfach mal an, daß sie beim Waschen auch so gut wie beim Schneiden sind, Renee - der Letzte, bei dem ich das machen ließ, war übel, er ließ mir das Wasser in die Augen laufen und riß schon fast an den Haaren. Nicht unbedingt etwas, das ich wiederholen möchte ?" Es war eine etwas unsichere Frage, doch Rory hoffte, daß sein Instinkt ihn nicht trügte.

"Wie ?!" Renee war entsetzt, und murmelte ein leises Fluchen auf Französisch. "Keine Sorge, DAS wird auf keinen Fall bei mir passieren." Er legte ihm vorsichtig ein Handtuch in den Nacken. "Sollte etwas nicht passen, dann sagen sie es bitte ohne Scheu." Dann nickte er, als Rory sich anlehnte, und stellte das Wasser auf eine angenehme Temperatur. "Geht das so ?"

"Herrlich - und danke." Es fühlte sich wunderbar an, daß das Wasser eine angenehme Wärme hatte und nicht zu heiß oder zu kalt war ... doch noch besser als das waren die schlanken Finger, die nun durch seine Haare strichen und über die Kopfhaut massierten. "Oh Gott ... das ... das fühlt sich wunderbar an. Herrlich ..."

Rory war immer so in Hektik, da war eine Kopfmassage beim Haarewaschen genau das Richtige, und so massierte Renee das Schampoo auch länger ein und verband es mit einer gekonnten Massage. Erst nach einigen Momenten lösten sich seine Finger und er spülte den Schaum aus den Haaren. Wie vorab gesagt, blieb das Gesicht auch trocken, und selbst die Ohren bekamen kaum etwas Wasser ab. Während der ganzen Zeit hatte Renee nicht gesprochen, um die Ruhe nicht zu stören, aber er hatte genau das Gesicht von Rory beobachtet und lächelte weich, da dieser total entspannt und fast eingeschlafen war.

So war es auch - denn es fühlte sich so unerwartet schön an, daß Rory nicht anders konnte, als es zu genießen. Erst, als das Wasser wieder ausgestellt wurde, öffnete er die Augen und blickte erstaunt zu Renee auf, während dieser ihm sanft das Wasser aus den langen Haaren drückte. "Ganz ehrlich - sie sollten dafür Geld verlangen, Renee. Als Masseur verdienen sie das vielfache von dem, was sie als Friseur machen können."

"Was ? Oh Nein, das ist nichts für mich - ich bin viel zu sehr von Haaren besessen. Und ich habe mir bei ihnen ein wenig mehr Mühe gegeben. Sie sind immer so verspannt Rory ... ich darf sie doch so nennen ?" Renee hoffte, daß er sich jetzt nicht in die Nesseln gesetzt hatte und wickelte ein Handtuch um den Kopf des Grünäugigen, damit kein Wasser auf dessen Kleidung tropfte.

Auch das war ungewohnt und so richtete sich Rory auf, nahm das Handtuch und legte es sich auf die Schulter. "Entschuldige, aber ich mag das nicht mit dem Handtuch. Außerdem ist es nicht schlimm, wenn etwas auf das Sweatshirt tropft, das kann man waschen. Und ja, ich habe nichts dagegen - schließlich haben sie mir ja schon beim letzten Mal angeboten, sie beim Vornamen zu nennen, nicht wahr ?" Rory schmunzelte leise, denn er mochte den Friseur und seine ruhige, und trotzdem lebendige Art.

"Oh, tut mir leid mit dem Handtuch, und ich habe es angeboten, ja." Renee stellte sich hinter den Sitzenden und trocknete das Haar noch ein klein wenig ab, ehe er das Handtuch beiseitelegte und den Kittel um die Schultern des Grünäugigen legte. "Ich würde heute gern alles nachschneiden, die Haare oben sind fast schon zu lang."

Das ließ Rory wieder leise schmunzeln und er nickte, als er wieder zu Renee sah. "Ja, das sind sie - meine Haare wachsen äußerst schnell, ich muß sie eigentlich alle zwei bis drei Wochen nachschneiden lassen. Nun ... für sie ist es sehr einträglich, nicht wahr ? Und für mich angenehmer, da sie nicht so ein Kurpfuscher sind."

"Ich mag es, wenn meine Kunden zufrieden sind und ich gaukle ihnen nichts vor, das ist nicht meine Art." Nebenher nahm Renee den Kamm, kämmte alles durch und fing gleich darauf an, die Haare gründlich zu schneiden. "Möchten sie vielleicht einen Kaffee oder Tee, Rory ?"

Auch das überraschte den Versicherungskaufmann, doch andererseits sollte ihn eigentlich nichts mehr überraschen. "Nun - wenn sie mich so fragen, ein Kaffee wäre herrlich. Aber nur, wenn es keine Umstände macht ? Es wäre mir sonst unangenehm." Dabei beobachtete Rory immer wieder im Spiegel, wie sicher und geübt der Franzose ihm die Haare schnitt und sprach es schließlich auch an. "Sie sind ein wahrer Figaro, wissen sie das ? Sie schneiden die Haare so schnell und sicher, da ist kein einziger unsicherer Griff dabei."

"Ich bin im Friseursalon meines Papa groß geworden - ich habe es von klein auf erlebt, und dann schon mit 12 angefangen, zu schneiden." Renee schnitt noch ein wenig das lange Oberhaar, und steckte Schere und Kamm in die Gürteltasche, um rasch einen Kaffee zu holen. Es dauerte keine zwei Minuten, dann war er wieder da und stellte ein kleines Tablett vor Rory, auf dem eine Tasse Kaffee, ein Löffelchen, Milch und Zucker standen. Dazu noch zwei kleine Kekse, die selbstgebacken aussahen und auch waren.

Rory hatte ihm nur nachgesehen und hob nun überrascht eine Braue, als er Kaffee und Kekse musterte. "Der Kaffee riecht ausgezeichnet - und diese Kekse, sind die selbstgemacht ? Sie sehen so aus und riechen noch besser. Sie überraschen mich schon wieder, Renee ... ich sollte mich daran gewöhnen, doch irgendwie ist es schön, daß sie nicht den Normen entsprechen." Dann nahm er ein Zuckerstück auf und gab es mit sehr viel Milch in den Kaffee, nahm einen Schluck und stöhnte leise auf, da er so gut schmeckte.

Renee grinste breit. Er hatte einen bestimmten Händler, und ließ die braunen Bohnen immer selber durch die Mühle jagen, ehe er den Kaffee aufsetzte. "Ich mag es, Kaffe zu trinken, und Kekse ... ich kann nicht anders, als sie zu essen und liebe es, sie zu backen."

"Wow - es gibt glaube ich nicht viele Männer, die gerne backen ... und dann noch so gut aussehen wie sie. Deshalb joggen sie so viel oder ? Ich sehe sie immer frühs und abends, wenn ich auf meinem Balkon stehe." Denn man sah dem Franzosen überhaupt nicht an, daß er viele Kekse aß, Renee hatte eine schlanke und durchaus trainierte Figur.

Renee lachte leise. "Unter anderem, aber ich bewege mich auch gern laufend. Und wegen dem Backen ... ich bin total schwul und liebe es, Haare zu schneiden und zu backen. Ich hoffe, das schreckt sie nicht, Rory ?"

"Äh ... Nein ? Wobei sie wenigstens nicht tuckig sind, das ist nicht so mein Ding. Ich mag Männer auch, keine Sorge ... wenn ich was gegen Schwule hätte, dann müßte ich mich zuerst meiden." Der Grünäugige schmunzelte leise und nahm noch einen Bissen von seinem Keks, ehe er wieder einen Schluck Kaffee nahm und es sichtbar genoß.

"Nein, so bin ich nicht ... ich wusste früh, was los war, und mein Vater hatte nichts dagegen. Ich denke, die Tucken sind einfach ein wenig anders Schwul." Er hatte nichts gegen sie und mied sie auch nicht, aber er benahm sich nicht so. Er wartete, bis Rory seinen Keks gegessen hatte und schnitt dann weiter, um die Seiten anzupassen.

Es war ungewohnt, sich so zu unterhalten ... doch es war schön und der Grünäugige genoß es, einmal so auszuspannen und fast schon freundschaftlich mit Jemandem zu reden. "Ja, das stimmt - sie sind einfach anders schwul. Meine Eltern hatten zwar nicht genau was dagegen, doch sie waren auch nicht sehr dafür. Es ist immer noch ein großes Problem für viele, damit umzugehen - deshalb sage ich nicht oft, daß ich es bin, auch mein Vorgesetzter weiß es nicht. Daß ich ausgerechnet mit ihnen über dieses Thema reden kann, ist neu ... und erfrischend."

"Darf ich fragen, welcher Tätigkeit sie nachgehen ?" Renee interessierte sich wirklich dafür, und musterte kurz das, was er eben geschnitten hatte. "So, oder noch kürzer ?"

"Nein, das geht schon - bei ihren Preisen und ihrem Service komme ich gerne öfters. Und was ich tue: Ich bin Versicherungskaufmann, doch ich sitze nicht in diesen Bürotürmen, sondern arbeite von zu Hause aus oder gehe zu den Kunden, da ich Außendienstmitarbeiter bin. Eine sehr schöne Aufgabe, vor allem, weil ich eben nicht jeden Tag in solch einen stickigen Büroturm muß." Rory hatte schon gemerkt, daß dies nicht einfach nur belanglose Konversation war und lächelte, denn es tat gut, einmal mit Jemandem darüber reden zu können, der nicht von der Arbeit war.

"Versicherungen ? Das hätte ich ihnen nicht zugetraut. Ich kenne Versicherungsvertreter nur als eingestaubte Bürohocker." Renees Finger fuhren kurz durch das Haar und er nickte leicht, ehe er sich den Föhn schnappte, um die Haare zu trocknen.

Rory schmunzelte nur und schloß für einen Moment die Augen, als der warme Luftstrom über seine Lider wehte. Doch er verschwand gleich wieder und Renee kämmte sacht mit den Fingern durch seine Haare, während er sie föhnte, und auch das fühlte sich so gut an, daß Rory die Augen wieder öffnete und ihm zusah. "Das sind auch die meisten Vertreter - entweder das, oder nervende Kerle, die von Haustüre zu Haustüre gehen. Das wollte ich nicht, auch wenn mich die Arbeit an sich interessierte: Den Menschen eine Möglichkeit zu bieten, abgesichert zu sein und weniger Sorgen zu haben."

"Da müsste ich auch mal was tun ..." murmelte Renee leise und gab etwas Gel auf seine Hände, um die Frisur von Rory vollends in Form zu bringen. "Ich kenne mich mit Versicherungen und so etwas überhaupt nicht aus. Der ganze Papierkram bringt mich ganz durcheinander."

Das ließ den Grünäugigen nun doch hellhöriger werden und er runzelte kurz die Stirn, als er sah, daß Renee das ehrlich meinte und nicht nur sagte, um Konversation zu betreiben. "Nun ... ich will mich nicht aufdrängen, aber vielleicht möchten sie einmal zu mir kommen und bringen ihre Unterlagen mit ? Dann kann ich mir einmal durchsehen, was sie haben und was nötig ist - völlig unverbindlich, ich will ihnen nichts aufschwatzen. Aber es wäre schade, wenn sie einen Schaden haben und sie sich verschulden müssen, um ihn zu decken."

"Oh ... ich wollte jetzt nicht, daß es so klingt, als würde ich mich aufdrängen ... obwohl ich etwas Hilfe schon brauchen könnte. Ich steige nicht mehr durch bei den Versicherungen. Gerade, wenn es um Schaden am Kunden geht. Man wird hier in Amerika ja so schnell verklagt." Das war seine größte Angst, denn sollte es passieren, wäre er absolut pleite.

"Das stimmt - und deshalb ist eine gute Absicherung gerade für Geschäfte wie ihres ein absolutes Muß. Und sie drängen sich nicht auf, das würde anders klingen - glauben sie mir, in meinem Job kenne ich das mehr als nur gut. Und wissen sie was ? Sagen sie mir, wann sie Zeit haben, dann sprechen wir das Ganze mal durch, okay ? Es klingt nämlich so, als ob sie da überhaupt nicht abgesichert wären." Es hatte nämlich wirklich so geklungen und Rory machte sich ein klein wenig Sorgen ... denn er wollte auf keinen Fall, daß Renee pleite machte und er nicht nur einen verdammt guten Friseur, sondern einen angenehmen Menschen verlieren könnte.

"Um ehrlich zu sein, ich hab kaum Versicherungen ... gerade weil es hier so viele in Amerika gibt." Renee betrachtete nochmal alles, und nahm dann den Kittel weg. "So, fertig. Und sagen sie, wann sie könnten Rory, ich bin flexibel."

Jener war ehrlich entsetzt darüber, daß der Friseur in dieser Hinsicht so unterversorgt war und das sah man ihm auch für einen Moment an. Doch dann fing er sich und stand auf, nickte kurz und lächelte zuversichtlich. "Nun - wenn sie es wollen, schon heute. Je eher sie eine neue Versicherung beginnen, je eher haben sie im Schadensfall eine Deckung. Wenn sie Zeit haben, wie wäre es heute Abend um acht ? Sie können auch bei mir essen, wenn sie wollen - ich möchte Heute so oder so mehr kochen, und ob ich das Gulasch einfriere oder mit ihnen esse, ist eigentlich völlig egal. Und keine Sorge, das ist kein Date, sondern ein völlig unverbindliches Gespräch."

"Heute gleich ? Gern doch, und ich hab dann genug Zeit, alles einzusammeln, was sie brauchen, Rory. Und keine Sorge, ich ging nicht von einem Date aus. Auch wenn ich sagen muss, sie sehen verdammt gut aus." Was das anging, war Renee sehr offen, und er grinste sacht.

Das ließ den großen Versicherungskaufmann ebenfalls leicht grinsen, und er schüttelte amüsiert den Kopf. "Danke - das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Dann freue ich mich schon auf heute Abend, die Adresse haben sie ja auf meiner Karte. Und hier ist ihr Geld, bis später dann." Noch während er sprach, nahm Rory seinen Geldbeutel heraus und daraus dreißig Dollar, gab sie Renee und klopfte ihm noch kurz auf die Schulter, ehe er wieder ging. Es war zwar nicht seine Art, so schnell zu gehen ... doch irgendwie hatte er das Gefühl, daß es so besser war.

Renee sah ihm nach, und seufzte leise. "Schäm dich, Renee ... du mit deiner großen Klappe." Er seufzte erneut und steckte das Geld in die Kasse, ehe er mit der Tasse Kaffee nach hinten ging und sie wegkippte, um sich einen Frischen zu machen. Heute Abend musste er sich etwas bremsen, damit er nicht zu aufdringlich wirkte.

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