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”Sternenstaub” 04
 

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Eine halbe Stunde und drei Zigaretten später war Gianni noch immer nicht zurück und Paul folgte in den Laden. Er fand Gianni tratschend vor, er unterhielt sich angeregt mit der Verkäuferin und vor ihm lag schon ein Haufen Garn und auch verschiedenfarbige Samtschatullen. Die Verkäuferin bemerkte Paul gleich und lächelte. "Was kann ich für sie tun ?" fragte sie und erhielt ein "Ich warte nur auf ihn." als Antwort.

"Paul ! Sieh doch, das ist perfekt ! Genauso habe ich sie mir vorgestellt, sie sind sogar noch schöner als die, welche ich in Florenz hatte. Madame Guerre hat sie selbst gefertigt und sie kann mir noch mehr fertigen, je nachdem, für welchen Schmuck ich sie brauche. Bitte verzeih, daß ich so lange brauchte – ich habe die Zeit vergessen, ich danke dir, daß wir hierhergefahren sind." Das Strahlen Giannis leuchtete fast noch heller als die Lampen an der Decke und die ältere Verkäuferin lachte leise, als sie dieses Strahlen sah.

"Ja, ich sehe sie ... sie sind wirklich hübsch, aber jetzt komm langsam, ich hab Hunger." Sein Frühstück war ausgefallen und langsam schob er Kohldampf. Das Strahlen fiel ihm natürlich auch auf, doch er ließ sich davon im Moment nicht blenden.

Gianni nickte nur und zog seinen Geldbeutel heraus, zahlte und nahm die Tüte mit seinen Sachen, ehe er sich verabschiedete und versprach, bald wiederzukommen und die nächsten Schatullen in Auftrag zu geben. Dann kam er zu Paul und lachte leise, zog ihn mit sich raus und zum Auto, während er noch ein fröhliches "Keine Sorge – ich werde sofort zu kochen beginnen, wenn wir zurück sind, sobald du mit dem Ton fertig bist, ist auch das Essen fertig." nachsetzte.

Was anderes tun als sich mitziehen lassen konnte Paul nicht tun und er stieg gleich, als sie am Wagen waren. "Wenn du kochen magst, tu dir keinen Zwang an." Er selber hätte sich etwas bestellt, aber auch nur, weil er nicht sonderlich gut kochen konnte. Die erste Zeit kam jeden Tag wer vorbei und hatte ihm etwas zu Essen gebracht ... er mußte nicht mal anrufen, die Leute hatten sich gesorgt und ihn fast mit dieser Sorge erdrückt.

"Ich koche sehr gerne ... und ich bin es gewohnt, dafür wohne ich ja auch bei dir. Und es wäre eine Schande, die schöne Küche ungenutzt zu lassen, Hm ?" Dann kamen sie schon an und Gianni stieg aus, nahm die Kiste mit seinen Sachen und trug sie schon einmal hoch, holte dann die zweite Kiste und schließlich auch die Tüte mit den Schatullen, um alles hineinzutragen, da ihm Paul inzwischen schon aufgeschlossen hatte. Leise summend, nahm sich Gianni einen der Geldscheine aus dem Bündel und eilte zu dem jungen Bildhauer, rief ihm ein "Ich bin noch kurz einkaufen, Paul ... ich habe meine Sachen schon reingetragen, ich beeile mich mit dem Einkaufen." zu und wartete eine Antwort gar nicht ab, als er gleich wieder wegging, um ihnen ein paar frische Zutaten für das Mittagessen zu besorgen.

Paul konnte ihm nur nachsehen, er nahm den Kleinkram, den er sich noch besorgt hatte, und brachte ihn hinauf. Er zog sich oben gleich was anderes an und ging dann wieder herunter, um den Ton aus dem Wagen auszuladen. Er brachte ihn in der Garage unter, dort hatte er auch den Brennofen stehen, nach dem er auch gleich noch sah, denn er hatte einige Dinge, die darin gebrannt worden waren. In seiner Arbeit vergaß er die Zeit und merkte erst auf, als er den Geruch von Essen wahrnahm, der durch das geöffnete Küchenfenster zu ihm wehte. Kurzentschlossen stellte er die kleinen, tönernen Gegenstände in einen Korb und bracht sie mit nach oben. In der Küche hörte er Gianni, er deckte schon den Tisch und summte dabei leise vor sich hin.

Als dieser Schritte hörte, blickte er auf und lächelte, legte noch das Besteck hin und nahm mit einem "Setz dich doch – du kommst gerade richtig !" die Nudeln, stellte sie auf den Tisch und auch noch den Topf mit der selbstgefertigten Tomaten-Basilikumsoße und den frischgeriebenen Parmesan. Dann zog ihm Gianni auch noch den Stuhl zurück und drückte Paul einfach darauf, nickte kurz und setzte sich dann ihm gegenüber, während er ihnen noch ein wenig Rotwein einschenkte. Er wußte von Henri, daß Paul ihn mochte, und so hatte er ihnen einen besorgt. "Einen guten Appetit, Paul – ich hoffe, daß es dir schmeckt."

"Ähm ... Danke." wisperte Paul und bediente sich gleich. Er nahm erst wenig, wenn, aß er lieber mehr kleine Portionen als eine große. Die Soße war eindeutig selber gemacht und nach dem ersten Bissen musste er feststellen, daß sie einfach nur köstlich war. "Schmeckt sehr gut."

Das ließ Gianni wieder mal ein wenig erröten, doch er lächelte und man sah ihm gut an, daß er sich sehr freute. Auch er nahm sich eine kleinere Portion und genoß sie langsam ... er war froh, daß es Paul schmeckte und so antwortete er noch ein leises "Danke dir.", ehe er wieder verstummte und weiteraß. Zwischendurch nahm er sich auch von dem Salat, den er ihnen gemacht hatte und hoffte, daß auch dieser zu Pauls Zufriedenheit war ... doch dann achtete er nicht mehr darauf sondern genoß einfach das angenehme Schweigen und das Essen, wie er es gewohnt war.

Der Salat schmeckte Paul auch sehr gut, er war nicht so sauer durch den milden Balsamico. Reden tat Paul nicht, er genoss die Ruhe und nahm sich immer mal noch ein wenig nach, wenn er aufgegessen hatte. Er aß langsam und im Ganzen doch eine ziemliche Menge, und erst nach einer guten Stunde war er satt und trank sein Glas leer. "Du könntest auch Koch werden." stellte er fest und nahm seinen Geschirr auf, um es in den Geschirrspüler zu stellen.

"Das haben Henri, Toni und Louis auch gesagt, aber ich koche lieber nur privat, ich mag das Fertigen von Silberschmuck lieber. Aber wenn du möchtest, kann ich ja weiterhin kochen ?" Er hoffte es, denn es machte ihm Spaß, für sie zu kochen. Auch er trug nun sein Geschirr zum Spüler, ebenso wie die mittlerweile leere Salatschüssel, den Nudelsieb und auch die Soßenschüssel. "Soll ich dir noch ein wenig Obst aufschneiden ? Dann hast du etwas zu knabbern, während du arbeitest." Es war ein vorsichtiges, doch lieb gemeintes Angebot, denn gerade mundfertig geschnittenes Obst eignete sich wunderbar zum Knabbern.

Die Frage sorgte dafür, daß Paul darüber nachdachte, wie lange er kein Obst mehr gegessen hatte. "Wenn du magst, dann ist es Okay." Somit stimmte er zu und ging dann ins Atelier, um den Korb auszuräumen, in dem er die gebrannten Sachen hatte. Den Kleinkram, den er aus den Resten gemacht hatte, legte er in eine fertige Tonschale. Sie war schon gefüllt mit Perlen und anderen kleinen Dingen, die er aus den kleinen Tonresten gemacht hatte.

In der Zwischenzeit schnitt Gianni leise summend Obst klein und dekorierte es hübsch auf einem Teller, den er dann auch zu Paul in das Atelier brachte. Als er jedoch die Schale sah, stockte er und lachte leise, stellte das Obst daneben und nahm einen kleinen Marienkäfer heraus, der zwischen den anderen Kleinigkeiten gelegen hatte. "Das ist wundervoll, Paul ... das sind die Tonreste, nicht wahr ? Und ... das ist Keramik, oder ? Verkaufst du sie ? Oder sammelst du sie ?"

Das hätte sich Paul fast denken können - Gianni gefiel seine kleine Kramschale. "Ich sammle sie und dann verkaufe ich Stückpreis. Wenn du magst, kannst du dir Sachen raussuchen. Und du magst son Gefummel, oder ?"

"Sogar sehr ... ich weiß, so etwas ist total unnütz und ein Staubfänger, doch für mich bergen solche Kleinigkeiten eine Quelle der Inspiration." Der junge Italiener schämte sich zwar ein wenig für seine kleinen Marotten, doch andererseits gehörten sie zu ihm und gerade hier ... leise vor Freude aufseufzend, nahm er sich noch eine kleine Hummel und eine Perle, deren Glasur die Keramik besonders farbenfroh umspannte, drehte sich um und bedankte sich mit einer Umarmung und einem Wangenkuß bei Paul. Dann löste er sich und lachte leise, ging zu den Kisten mit seinen Materialien und legte die kleinen Keramiken auf die schmalen Schatullen, holte aus seinem Zimmer einen kleinen Skizzenblock und einen Druckbleistift und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, um seine Ideen in Papier zu fangen.

Dabei beobachtete Paul ihn und schüttelte kurz den Kopf. Er stellte noch die fertigen und größeren Sachen in ein Regal und hockte sich hin, um die kleine, abschließbare Truhe aus dem untersten Fach des Regals zu holen. Der Schlüssel steckte und sie war leer. "Hier ist die kleine Truhe." Mit den Worten stellte er sie neben Gianni und verschwand dann wieder in seinen Arbeitsbereich, um an dem marmornen Engel weiterzuarbeiten.

Ihm wehte noch ein leises, doch ehrliches "Danke dir, Paul." nach, auch wenn Gianni nicht von seinem Block aufsah. Er meinte es jedoch nicht böse – er war nur viel zu sehr in Gedanken und Ideen versunken, versuchte, sie zu Papier zu bringen und so Skizzen der Schmuckstücke zu entwerfen, die er fertigen wollte. Doch er war sich sicher, daß Paul es verstehen würde ... schließlich war auch er Künstler.

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Erst, als es dämmerte, bemerkte Paul, daß Gianni aufstand und in die Küche ging, um Abendbrot zu machen. Das Obst hatte Paul nebenher gegessen und dadurch ein wenig weniger geraucht als sonst. Er selber gönnte sich jetzt auch eine Pause, er hatte das Gesicht des Engels fertig und auch für den Rest benötigte er nicht mehr sehr viel Zeit. Nur das Glätten und Polieren würde noch viel Zeit benötigen, aber das war es ihm wert. Er ließ die Statue diesmal unbedeckt und stand auf, um seinen Arbeitsplatz zu säubern. Die größeren Marmorstückchen hob er auf und legte sie in eine andere Schale. Den Staub fegte er ordentlich weg und verfrachtete alles in den Mülleimer an der Seite. Erst, als alles sauber war, machte er sich auf den Weg zum Bad, blieb aber noch kurz bei den Skizzen Giannis stehen und musterte sie von oben. Sie waren wirklich sehr schön geworden und Paul war irgendwie gespannt, wie es in Silber verwirklicht aussah. Er löste sich aber von dem Anblick und ging ins Badezimmer, um sich kurz den Staub abzuwaschen.

In der Zwischenzeit beschäftigte sich Gianni in der Küche und summte leise vor sich hin ... als er hörte, wie der Bildhauer im Atelier kehrte, schmunzelte er leise und summte weiter, während er ihnen hauchdünne Pfannkuchen buk. Er hoffte, daß sie Paul schmecken würden und während dieser sich abduschte, häufte sich ein kleiner Stapel auf einem Teller neben dem Herd. Schließlich stellte sie Gianni nocheinmal in den Heißluftofen, damit sie warm blieben, ging zum Bad und rief ein freundliches "Das Essen ist fertig, kommst du ?", ehe er wieder in die Küche ging und ihnen Marmelade, Zucker und Schokoladencreme an den Tisch richtete.

Nur wenig später kam Paul in die Küche, er trug nur eine kurze Jogginghose und sonst eigentlich nichts. "Crepes ? Du verwöhnst mich ganz schön." Paul setzte sich sofort und nahm gleich eine der hauchdünnen Teigscheiben, um sie mit Marmelade zu bestreichen.

Ein wenig überrascht, blickte der Schwarzhaarige auf sein Gegenüber und errötete ein wenig ... nun sah er ein weiteres Mal, daß Paul ganz bestimmt Henris Sohn war, denn ihre Oberkörper glichen sich fast hundertprozentig. "Ich koche gerne ... und wenn man zu zweit ist, kann man viel mehr Möglichkeiten ausschöpfen. Und nun ja ... macht es dir was aus, wenn ich dich etwas verwöhne ?" Es war Gianni ein wenig peinlich, daß er ertappt worden war ... er war ein sehr geselliger Mensch und vertrug sich gern mit den Menschen in seiner Umgebung, und dazu gehörte auch Paul.

Der rote Schatten auf Giannis Wangen war schwerlich zu übersehen, er hatte eine blasse Haut und jedes Erröten fiel ziemlich auf. Paul konnte sich gut denken, warum das passierte, doch er sagte nichts. "Wenn du es gern machst, kann ich dich ja nicht dran hindern, so habe ich immer was Feines zu essen." Daß er sich schon ein wenig darüber freute, verschwieg er aber.

Gianni nickte und lächelte, da er gerade aß – doch er sah hinter die kühle Fassade Pauls und sein Lächeln vertiefte sich noch, da er froh war, daß Paul es akzeptierte. "Schmecken die Crepes ? Ich habe sie so gemacht, wie ich es gewohnt bin ..." Auf den nackten Oberkörper des Anderen ging er lieber nicht ein, da er selber nicht genau wußte, wie er es finden sollte. Bis er Henri kennenlernte, hatte er nie eine bestimmte Vorstellung von dem Mann seiner Träume gehabt – und als er Henri kennenlernte, nahm der Franzose diesen Platz ein. Doch nun sah er zum ersten Mal einen jungen Mann, der ihn verwirrte, denn er erkannte so vieles von dessen Vater in ihm wieder, nur daß er eben jünger war.

Paul nahm sich schon ein zweites Crepe und antwortete leise. "Wenn sie mir nicht schmecken würden, dann würde ich sie nicht essen, oder ? Sie sind ganz Okay, nicht so wie von Mama, aber Okay." Auch das zweite Crepe bestrich er mit Marmelade und fing an, es zu essen. Als ihm dabei etwas Marmelade auf die Brust kleckerte, wischte er sich mit dem Finger weg und schleckte sie davon ab. Das war typisch, kaum war man sauber, da kleckerte man auch schon wieder.

Diese ungewöhnliche Bewegung weckte wiederum die Aufmerksamkeit Giannis und er blickte mit leicht größer werdenden Augen auf die Szene, die sich ihm hier bot. Auch wenn er noch immer höchst naiv war – selbst er konnte erkennen, daß dies auf höchste Weise erotisch war und erötete noch tiefer, während er aufstand, zur Spüle ging und ein wenig Küchenkrepp naßmachte. "Natürlich reichen sie nicht an die deiner Mutter heran ... sie hat viel mehr Zeit gehabt, ihre Kochkunst zu perfektionieren, und ich würde mir niemals anmaßen, mich mit Jemandem zu messen. Hier, so geht es besser und klebt nicht so." Bei den letzten Worten drehte er sich wieder um und kam zum Tisch, reichte ihm das nasse Tuch und setzte sich wieder, senkte den Blick und vermied es, zu Paul zu blicken.

‚Oha, da hab ich ja was angestellt.' Innerlich grinste Paul, denn er hatte unbewusst etwas furchtbar erotisches gemacht. Jetzt aber wischte er sich noch mal mit dem feuchten Tuch über die Brust und legte es dann beiseite. "Danke." Dann aß er weiter und beobachtete Gianni ein wenig. Der Schwarzhaarige war wirklich sowas von schüchtern. Viele Andere wären ihm gleich an die Wäsche gegangen und hätten ihm die Marmelade von der Brust geschleckt.

An genau das mußte der junge Italiener gerade denken und so nahm er sich nicht die Marmelade, sondern die Schokocreme, strich sie auf sein Crepe und dachte ein wenig nach. Nun fiel ihm auch wieder ein, wie er mit Henri zusammen über so etwas geredet hatte ... daß auch essen erotisch sein und man es in sein Liebesspiel einbauen konnte. Sie hatten es nur nicht getan und einen Moment überlegte Gianni, wie es wohl gewesen wäre ... doch dann glitten seine Gedanken ohne sein Zutun ab und eine innere Stimme sagte ihm, daß er es ja gerade eben gesehen hatte, wie es wohl gewesen wäre, wenn Henri so etwas getan hätte. Und dieser Gedanke ließ den jungen Italiener ein wenig verwirrt zurück, denn es war seltsam für ihn, daß sich die beiden Männer in seiner Vorstellung manchmal vermischten.

Derweil verputzte Paul noch drei weitere Crepes und lehnte sich nach dem Letzten etwas zurück und trank etwas Wein, während er Gianni ein wenig beobachtete. Nach und nach würde er ihm ein paar erotische Brocken hinwerfen, er war gespannt, wie der Florentiner reagierte. "Morgen gehst du auf die Ämter, oder ?"

Davon ahnte Gianni jedoch nichts und er war froh um den Themenwechsel. "Ja, ich erledige alles, was ich machen kann ... hoffentlich muß ich nicht nochmal hin, sie nerven. Das ist das Einzige, das mich wirklich wütend machen kann ... es fällt mir immer sehr schwer, mich dort zu beherrschen." Ein wenig verlegen strich sich Gianni eine seiner rabenschwarzen Haarlocken nach hinten und trank einen kleinen Schluck Wein, um sich ein wenig zu beruhigen.

"Das wird schon und is ja nur ein Tag ... hoffentlich." So wütend würde er Gianni schon gern mal erleben, ein wenig mehr Feuer wäre spannend. Er kannte ihn zwar erst sehr kurz, aber durch die Erzählungen seines Vaters wusste er ein wenig mehr über den Florentiner. "Ich nehme dann Morgen die Lieferung in Empfang, dann kannst du dich abreagieren, wenn du wieder da bist."

"Abreagieren ?" Es dauerte einen Moment, bis Gianni begriff, doch dann lachte er leise und schüttelte kurz den Kopf, ehe er Paul anlächelte. "Nein ... das ist nicht so wie bei dir, du kannst dich wirklich abreagieren, weil deine Arbeit Kraft erfordert. Bei mir ist das anders ... ich beruhige mich durch andere Dinge, damit ich in Ruhe den Schmuck machen kann."

"Und welche Dinge sind das ?" fragte der Bildhauer neugierig und schwenkte das Glas mit dem Wein ein wenig hin und her. Wie das geschah, interessierte ihn wirklich sehr.

Gianni wurde sichtlich verlegener ... doch nach einem weiteren, kleinen Schluck Wein faßte er sich und blickte zu den erwartungsvollen Augen des Anderen hoch. Und gerade das stärkte ihn noch ein wenig, denn es war eine herrliche Abwechslung zu der Wut und Trauer, die sonst darin zu sehen waren. "Ich zeichne neue Entwürfe oder lasse einfach nur die Sonne auf mich scheinen ... oder ich betrachte so etwas wie die kleinen Keramikinsekten, die du gefertigt hast. Es hilft mir, mich zu beruhigen und neue Ideen zu sammeln."

Die Antwort enttäuschte Paul ein wenig, aber irgendwie hatte er Gianni auch nicht viel mehr zugetraut. "Aha." antwortete er somit nur leise und trank den Wein aus. "Hab kurz ein Auge auf deine Skizzen geworfen, sie sind interessant." Mit den Worten stand er auf und streckte sich kurz. Sein Bauch war voll und er fühlte sich im Moment einigermaßen gut.

Die einsilbige Antwort überraschte Gianni nicht sehr, der darauf folgende Satz jedoch schon. Er hätte nicht gedacht, daß er ein solches Kompliment bekommen würde ... denn es war eines, auch wenn es schon fast beleidigend kurz und fast schon desinteressiert formuliert war. "Ich danke dir, Paul. Es beruhigt mich sehr, wenn ich die Entwürfe zeichne, da ich dort meiner Phantasie freien Lauf lassen kann. Es ist sehr schwer für Italiener, ruhig zu bleiben ... du hast sicherlich etwas erwartet, das spektakulärer ist, nicht wahr ? Ich habe es mir abgewöhnt, es wäre zu teuer gekommen, wenn nicht nur meine Mutter und mein Vater, sondern auch ich das Geschirr zerbrochen hätten." Noch während er sprach, stand Gianni auf und räumte das Geschirr in die Spülmaschine, deckte die restlichen Crepes auf dem Teller mit Frischhaltefolie ab und begann damit, die Marmelade und den Rest aufzuräumen.

"Irgendwie hatte ich schon etwas anderes erwartet. Selbst einem sanften Menschen platzt mal die Hutschnur." Die sanfte Art war ja ganz schön, aber auf Dauer stellte Paul sie sich doch ziemlich langweilig vor. Nebenher half er noch kurz beim Abräumen und sprach leise weiter. "Man muss ja nicht Geschirr zerschlagen."

Das ließ Gianni leise schmunzeln und er schüttelte den Kopf, ehe er zu dem etwas Größeren blickte und den Kopf leicht schief legte. "Natürlich nicht ... aber es ist am Einfachsten zu ersetzen. Eigentlich solltest du doch froh darum sein ? Stell dir mal vor, ich würde mein italienisches Temperament ausleben und bei jeder Kleinigkeit in die Luft gehen und deine Arbeiten an der Wand zerschmeißen ... da bin ich lieber friedlicher und lasse es. Natürlich platzt auch mir einmal der Kragen, doch das ist meist nur dann, wenn ich der arroganten Art der Beamten hilflos ausgeliefert bin."

"Na ja ... man kann sich auch anders austoben, man muss nicht Sachen an die Wand deppern. Und sollte es doch mal passieren, ich hab genug Ton, um neue Sachen zu machen." Auch wenn es ihm Arbeit bereiten würde, aber irgendwie reizte es ihn fast schon zu sehen, wie Gianni aussah, wenn er mal austickte. "Ich hab ein paar Sachen, die beim Brennen einen Sprung bekommen haben, die kannst du gern benutzen, sollten dich die Beamten zu sehr ärgern."

Der junge Italiener blickte ihn einen Moment lang entsetzt an – dann schüttelte er den Kopf und seufzte leise, haderte mit sich und sah ihm schließlich ernst werdend in die Augen. "Nein, Paul – auch wenn es lieb gemeint ist. Ich habe mir selbst geschworen, so etwas nicht zu tun ... ich weiß, daß es nicht gut ist." Dann seufzte er wieder leise und wandte sich ab, ging zu seinem Platz und räumte die Einkäufe in die Truhe, auch wenn er hierfür öfters einmal umschichten mußte.

"War nur ein Angebot." erwiderte Paul noch und blieb ein wenig länger in der Küche. Gianni war wirklich ein seltsamer Mensch, aber wenn man es genau bedachte, war er einfach nur anders und das machte ihn etwas seltsam, aber auch einmalig. Nach einiger Zeit kam er dann doch aus der Küche und beobachtete Gianni, wie er die Kiste ein-, aus- und umräumte. Irgendwie war es ja niedlich.

Den jungen Franzosen hinter sich nicht bemerkend, seufzte Gianni leise und stemmte die Hände in die Seiten, als er vor der Truhe kniete und überlegte – dann nahm er wieder einen Teil heraus und räumte seine Sachen diesmal anders ein, nickte dann und wann und lachte leise, als er schließlich alles passend eingeräumt hatte und den Deckel abschließen konnte. Den Schlüssel hängte er an seinen fast leeren Schlüsselbund und nickte, steckte ihn wieder ein und drehte sich um, um die Skizzen zusammenzuräumen. Und jetzt sah er auch Paul und erschrak einen Moment, ehe wieder lächelte und ihn leise fragte. "Es muß komisch gewesen sein, Hm ? Das ist ein Tick von mir, ich versuche immer, alles einzupacken, auch wenn es nur mit Mühe und Not geht."

"Ich fand es eher niedlich. Und vielleicht findest du noch eine größere Truhe, hier in der Straße gibt es noch einige Antiquitätenhändler." Er hockte sich zu ihm und tickte kurz auf die kleine Truhe. "Viel Platz is da nämlich nicht mehr drin."

Leise lachend, schüttelte Gianni den Kopf, denn der Andere hatte völlig Recht. Es hatte ihn vier Anläufe gekostet, alles hineinzubringen – und mehr ging wirklich nicht mehr hinein. "Das macht nichts ... sobald ich anfange, zu arbeiten, wird die Truhe schneller leer, als man denkt. Und sie gefällt mir, weißt du ? Alt, gebraucht, voller Erinnerungen und Leben. Die Truhen in den Antiquitätengeschäften sind oft gereinigt und desinfiziert, die Händler denken gar nicht daran, daß sie so auch alles entfernen, das eine Truhe einmalig macht. Vielleicht hole ich mir irgendwann einmal eine eigene, neue Truhe ... doch das hat Zeit. Apropo – es ist schon spät, wir sollten vielleicht schlafen gehen ? Du solltest auch, Paul ... damit du wach bist, wenn die Lieferer Morgen kommen. Ich wünschte, sie hätten Nachmittags nicht den anderen Termin gehabt ... dann hättest du länger schlafen können."

"Mach dir da mal keine Gedanken, ich bekomme genug Schlaf." Paul klopfte Gianni auf die Schulter und erhob sich aus der Hocke. Im Stehen zupfte er seine Hose wieder ein Stück hoch, denn sie war ein wenig herabgerutscht, als er sich hingehockt hatte. "Gute Nacht, Gianni." wünschte er und verschwand dann doch schon in sein Zimmer. Vielleicht tat es ihm wirklich mal ganz gut, wenn er etwas früher schlief.

Wieder einmal ein wenig Rot werdend, rief ihm Gianni noch ein leises "Gute Nacht." hinterher, ehe er einmal tief durchatmete und mit den Skizzen in der Hand aufstand. Eigentlich hätte er sie sich noch einmal durchsehen wollen, doch er steckte sie lieber wieder in das Skizzenbuch, ehe er kurz ins Bad ging und seine Abendtoilette erledigte, während er noch darüber nachdachte, daß er gerade eben noch mehr von Pauls Körper gesehen hatte. Und wieder war ihm etwas aufgefallen, daß dieser mit seinem Vater gemeinsam hatte: Am Übergang vom Rücken zum Hintern besaß auch Paul die beiden Muttermale, die Henri gehabt hatte ... und dazu hatte Gianni auch ein wenig des Hinterns sehen können, ein Anblick, der ihn nach wie vor verwirrte.

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