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 Cesare und Shean  01
 

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In der Dunkelheit eines Kellers erklang ein leises Schluchzen. Tief im Dunkel und in der Kälte des feuchten Kellers kauerte eine zierliche Gestalt und weinte leise. Cesare hatte die Arme um seine Knie geschlungen und verbarg sein Gesicht an den langen Beinen. Er trug einen alten, dreckigen Overall, beschmiert mit Öl aus einer Werkstatt und viel zu groß für seinen schlanken Körper. Mit Grauen dachte er an die letzten Stunden zurück. Er war mit Omi in die Stadt gefahren, um einzukaufen. Wie so oft, hatten sie sich getrennt, da sie verschiedene Interessen hatten. Er hatte sich eine Weile umgesehen und dann passierte es auch schon. Er war in eine kleine Seitengasse zu einem seiner Lieblingsläden gegangen. Er war nicht so voll und überlaufen wie andere Läden und lag etwas abseits, doch die Kleider waren immer wunderschön. Jedoch kam es anders, denn dort überraschte er ein paar Dealer, eindeutig Ausländer. Noch bevor er weglaufen konnte, hatten sie ihn auch eingeholt und in ein Auto verfrachtet. Einer hielt ihn fest und hielt ihm auch den Mund zu, der Zweite hatte nur gelacht, daß sie sich mit der Hübschen vergnügen würden, doch als er ihm unter den Rock fasste, erschrak er. Ja, Cesare war keine Frau, etwas, das die drei Männer zu einem üblen Spiel hinreißen ließ. Sie verschleppten ihn in diesen Keller, fesselten ihn und rissen ihm die Kleider vom Leib. Ein Knebel verhinderte, daß Cesare schrie, dann vergewaltigten sie ihn, besudelten ihn mit dem Sperma, das jetzt noch immer an seinem Körper haftete. Die Vergewaltigung war aber nicht so schlimm wie das, was folgte. Sie beschmierten ihn mit Dreck, lachten laut, dann schnitten sie ihm die langen Haare ab, meinten, daß ein Kerl so etwas nicht braucht, auch seine Fingernägel schnitten sie ihm ab und dann steckten sie ihn in den dreckigen Overall. Jetzt hatten sie ihn zurückgelassen und eingesperrt. Daß sie wiederkommen würden, hatten sie gesagt. Allein der Gedanke machte Cesare Angst, er fuhr sich durch das kurze Haar, schluchzte wieder auf. Er fühlte, wie kurz es war, teils nur an die fünf Zentimeter und an anderen Stellen länger, er sah aus wie ein gerupftes Huhn.

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Nervös stand Omi am Treffpunkt. Cesare war schon eine halbe Stunde überfällig und das Handy war auch aus. Etwas das nicht typisch Cesare war, es musste etwas passiert sein, sonst wäre er hier. Sie Beide waren mit ihren Motorrollern gekommen. Cesares war auch noch da, also war er auch noch nicht vorgefahren. Eigentlich wollten sie da sein, bevor es dunkel wurde, aber es war nun schon fast dunkel...dunkel und kalt. Außer Shean war auch Keiner im Haus und er war nicht da, sondern bei einem Rennen. Ohne groß zu überlegen, tippte er die Nummer von Sheans Handy und rief ihn an. Er musste ihn um Hilfe bitten.

Gerade, als der junge Ire in eine Kurve der langen Straße bog, fühlte er das Vibrieren des Handys an seiner Brusttasche und fluchte leise ... sofort drosselte er die Geschwindigkeit und hielt an der Seite, riß die Lasche an der Montur auf und zog das Handy heraus, während er den Sturzhelm öffnete und vom Kopf riß. "WAS IST LOS, VERDAMMT ??!!!" Er war mehr als nur wütend und brüllte in das Handy – es war gefährlich, ihm beim Fahren anzurufen und auch das Adrenalin der Fahrt floß noch heiß durch seine Adern. Er hatte gesehen, daß es Omi war, die Nummer kannte er inzwischen auswendig – doch er hatte dem Kleinen auch gesagt, daß er ihn auf keinen Fall anrufen wollte, wenn er unterwegs war.

Omi hatte das Handy schon mal von seinem Ohr weggehalten, das Brüllen war auch laut genug und erst danach setzte er es wieder an sein Ohr und holte Luft. "Cesare ist weg, er und ich wollten zusammen auf den Rollern zurück. Er ist schon eine halbe Stunde überfällig und noch nicht da. Das passt nicht zu ihm, er ist immer pünktlich, man kann sich auf ihn verlassen... Es muss ihm was passiert sein und da du der Einzige bist, der nicht in Tokio ist, musst du mir suchen helfen." Das ratterte er in einem langen Atemzug herunter und er hielt sich den Höher vorsorglich noch mal ein kleines Stück weiter weg vom Ohr.

Und er tat auch gut daran ... kaum, daß Omi geendet hatte, fluchte Shean laut, was sein Vokabular hergab und beruhigte sich nur langsam wieder, als er tief Luft holen mußte. Erst dann schloß er die Augen – nickte unmerklich und antwortete dem Kleinen in normaler Lautstärke. "Verdammt, was hat diese Zicke jetzt schon wieder angestellt ... verdammt noch eins, ist gut, Kleiner. Nach dem Rennen werde ich ihn suchen, vorher kann ich nicht, du weißt so gut wie ich, daß Shagen gewettet hat und megasauer wird, wenn ich nicht gewinne. Ich ruf dich an, sobald ich fertig bin, denke, eine Stunde. Warte bis dahin noch bei dem Roller, vielleicht hat er sich nur wieder in einer Boutique verlaufen und findet vor lauter Shoppen wieder nicht zur Uhr. Bis dann." Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Shean auf und fluchte noch einmal – stellte das Handy aus und steckte es zurück in die Monturtasche, setzte den Helm auf und fuhr das letzte Stück bis zu der illegalen Rennstrecke, einem abgesperrten Stück Autobahn, das noch nicht ganz fertiggestellt war.

Omi seufzte leise. Noch eine Stunde in der Kälte warten, na Danke. Zum Glück war hier ein kleines Teehaus mit Blick auf die Straße und so verzog er sich dort hinein und bestellte sich einen heißen Jasmintee. Die drei Ausländer waren auch an der Strecke beim Rennen, denn einer von ihnen war der neue Fahrer von Chester. Auch er hatte gewettet, war aber auch nicht anwesend, was wohl auch verständlich war. Wie Francis hatte der Fahrer eine weiße Kluft und eine weiße Maschine zum Fahren da, es war ein Markenzeichen von Chester. Die zwei Anderen waren Freunde und Aufpasser des Fahrers. Einer von ihnen lachte leise und wedelte mit dem Haarschopf herum. "Ein prima Glücksbringer... mach ihn doch an der Maschine fest, Kirby." Er hielt den Schopf dem Fahrer hin, doch der drückte die Hand weg. "Spinnst du ? ... Das bremst nur... nimm dein Spielzeug weg, später kannst es dem Flittchen ja in den Arsch stecken." Der Andere prustete lachend los. "Ja, als Schweif, was ?! Geile Idee, das muss ich dann knipsen."

Just in diesem Augenblick kam auch Shean an und fuhr auf seine Startposition, an die der Veranstalter ihn winkte ... das Lachen dieser Kerle und den Grund davon, bekam er eigentlich nur nebenher mit, bis etwas völlig Unerwartetes seine Aufmerksamkeit fing. In dem Haarbüschel, das der Eine so herumwirbelte, leuchteten leichte, farbige Strähnen – das dunkle Rot und das ebenso dunkle, doch leuchtende Blau, das der junge Ire so widerlich aufdringlich gefunden hatte, als er es das erste Mal sah. Es war unverkennbar – die waren die Haare Cesares, doch wieso hatte sie dieser Arsch ?! Shean kam jedoch nicht mehr dazu, zu reagieren, denn nun schob auch der Weißblonde, der bei den anderen Beiden gewesen war, seine Maschine an den Start – und der junge Ire knurrte laut unter seinem Helm, denn dieses verfluchte Weiß würde er überall wiedererkennen. Nun wußte er auch, wer der neue Fahrer Chesters war, nachdem Shean über Francis gesiegt hatte – es ärgerte den jungen Iren nur, daß weder Shagen noch Chester hier waren, da sie geschäftlich unterwegs waren und das Rennen hier ohne sie lief. Doch Shean hatte nicht vor, zu verlieren – gerade jetzt ganz gewiß nicht, denn mit diesen amerikanischen Ärschen hatte er definitiv noch ein Hühnchen zu rupfen, oder deren Zwei, oder Drei. Dann jedoch versiegten diese Gedanken unter seinem Adrenalinrausch – anders als bei den Rundenrennen, ging es hier nur darum, als Erster durchs Ziel zu kommen, ohne zuvor in eine der Baumaschinen oder Pfeiler zu krachen oder auf einem Kiesel oder Ähnlichem auszurutschen und zu stürzen. Genau das, was Shean liebte – gefährlich, riskant und einzig und allein auf das Können des Fahrers, dessen Wagemut, zugeschnitten.

Auch der Geschmack von Kirby, er war hochkonzentriert, dann der Starschuss. Die Maschinen rasten los, gleich am Start schellten Zwei aneinander und fielen aus, das Rennen war von Anfang an heiß und gefährlich. Die Maschinen preschten zwischen den Baumaschinen hindurch, hin und wieder krachten Einige gegen die Maschinen, rutschten übelst auf dem Kies aus oder schafften es mit Mühe, einem Hindernis auszuweichen, um dann gleich zu stürzen. Kirby hielt mit Shean mit, er war ebenso waghalsig, doch nicht so erfahren und so kam er nur wenige Momente nach ihm durchs Ziel. Er hielt etwas von Shean entfernt und die zwei Anderen kamen auch gleich zu ihm. Wieder wedelte der eine mit dem Haarzopf herum und fing sich gleich eins von Kirby. "Du nervst verdammt !...Kannst ja bald weiterspielen, aber lass mich in Ruhe mit diesem Ding."

Inzwischen hatte Shean seinen Helm abgenommen und nickte nur, als der Veranstalter ihn zum Sieger erklärte und es gleich notierte, denn die Wetteinsätze würden pflichtschuldigst an Shagen ausbezahlt werden, dazu kannte der Veranstalter den Silberhaarigen zu gut. Der junge Ire hingegen ging zu den drei Amis und betrachtete sie sich – dann erwachte ein nichts Gutes verheißendes Lächeln auf seinen Lippen, als er leise zu ihnen sprach. "Hey, ihr ... ihr seid die Neuen von Chester, oder ? Hast dich gut geschlagen, Schneekopf ... was haltet ihr davon, wenn wir ein klein wenig nach hinten gehen, von den Anderen weg, uns etwas unterhalten ? Schließlich werden wir uns denk ich öfters sehen ..."

Kirby hatte einem der Zwei seinen Helm in den Arm gedrückt und lächelte hart. "Gern doch...du bist der Tiger, nicht wahr ? Ich hab schon von dir gehört.... Wie gehst Francis ?" hakte der gleich nach, er war ja sein Nachfolger. Mit den beiden Anderen folgte er Shean in eine ruhige Ecke.

"Dem gehts klasse, Danke der Nachfrage ... er erholt sich und wir fahren oft gegeneinander, er wird bald wieder für Shagen fahren können. Und ja – ich bin der Tiger ...." Leise sprechend, ging Shean weiter, bis sie aus der Sicht der Anderen waren – dann drehte er sich um und musterte die Drei. Langsam wich sein Lächeln und er knurrte leise – schlug dann ohne Vorwarnung zu und traf den Fahrer mit seiner Faust hart am Kinn, so daß dieser nach hinten und an die Wand geschleudert wurde, eher dem Zweiten den Stiefel direkt und mit voller Wucht ins Brustbein trat und den Dritten, der noch immer den Haarschopf hielt, am Kragen packte, um ihm mit seinem Kopf an dessen zu schlagen. Mit Genugtuung sah Shean, daß der Fahrer KO war und der Zweite verzweifelt versuchte, Luft in seine lädierten Lungen zu bringen – betrachtete den, den er gerade hielt und ließ ihn einfach fallen, ehe er ihm den Haarschopf aus den Fingern nahm und sich neben ihn kniete. "Woher hast du diese Haare ? Und ich rate dir, lüg mich nicht an, wenn du nicht ein oder zwei Ohren verlieren willst ..."

Da die zwei Mutigen außer Gefecht waren, gerade der weißblonde Kirby, der bisher immer alles hatte regeln können, blieb der Angsthase übrig. Dessen Stirn blutete und er sah Shean mit verängstigten Augen an. "Wir... wir haben's soner Transe abgeschnitten.... sollte mal ein echter Kerl werden, das Flittchen." erklärte er und wurde beim Reden etwas mutiger.

"Eigentlich war das ja nicht verkehrt ..." Mit den Worten beugte sich Shean noch näher – biß dann urplötzlich zu und dem Aufschreienden ein Stück des Ohrs heraus, das er zur Seite spuckte und sich dann das Blut von den Lippen wischte, während er ihn mit der anderen Hand an der Kehle untenhielt. "Nur zu dumm, daß ich das Flittchen kenne – und ihn zurückholen muß. Also – WO IST ER ?!!! Und wehe, du lügst mich an ...."

"In... in einer Lagerhalle, in nem Keller... am Stadtrand." erklärte er hastig und bekam nur halb mit, daß Shean den Haarschopf in seine Motorradkluft steckte. "Ich zeigst dir, Okay ? Aber bitte kill mich nicht, ja, bitte ?" bettelte er. Seine Freunde waren noch immer nicht ganz zu gebrauchen und so musste er sich ja irgendwie am Leben halten.

Noch immer leise knurrend, verengte der Rotblonde seine Augen – dann nickte er kurz und stand auf, riß den Anderen am Kragen mit nach oben und schubste ihn zu seiner Maschine. "Ein Mucks oder eine falsche Bewegung und du bist augenloses Hackfleisch, verstanden ?! Setz dich nach vorne – ich hab dich lieber vor mir."

"Okay.... kein Mucks." wisperte der nach und setzte sich auf die Maschine. Er tat nun alles, was Shean ihm sagte und hielt sich locker am Lenker fest, als der sich hinter ihn setzte und die Maschine startete. Er hoffte, seine Freunde würden ihn da rauspauken.

Shean hingegen packte die Hände des Anderen und legte sie auf die Griffe vom Lenker, umfaßte sie hart mit seinen Händen und nickte. "Okay – an den Stadtrand. Ich will nur was von dir hören, wenn wir die Richtung ändern müssen, und das RECHTZEITIG, verstanden ?!" Ohne eine Antwort abzuwarten, gab der junge Ire Gas – jagte in demselben, halsbrecherischen Tempo wieder die Rennstrecke zurück, fuhr an den Anderen vorbei und weiter durch die Stadt in die Richtung, die ihm der Andere wies.

Der führte ihn weiter lotste ihn durch die Straßen, bis sie bei der kleinen Halle ankamen. Er war auch froh, daß sie anhielten, er war nicht ganz so sattelfest wie Kirby und sein Kumpel. Die Zwei hatten sich inzwischen auch wieder gefangen und schlugen den Weg zur Halle ein. "Unten im Keller is das Flittchen.." Der Angsthase öffnete die Tür, dort ging gleich eine Treppe hinab in den Lagerkeller.

Leise knurrend, stieß Shean den Anderen immer wieder an, wenn dieser langsamer wurde und Zeit zu schinden versuchte – Shean wußte, daß die Anderen bald kommen würden und wollte so schnell wie es möglich war, wieder weiterkommen. Als sie schließlich vor der abgeschlossenen Kellertür ankamen, stieß der Rotblonde den Angsthasen mit voller Wucht gegen die Metalltüre, so daß dieser das Bewußtsein verlor. Schnell hatte er den Riegel gelöst und riß die Türe auf – fluchte laut und ging zu dem in ein Eck zusammengekauerten Mann, der die Knie angewinkelt hatte und sichtbar zitterte. "Hey, Zicke – steh auf, wir müssen weg, ehe die anderen Arschlöcher kommen !" Er kniete vor Cesare nieder und fluchte noch immer – doch nicht mehr so laut, als er sah, wie lädiert der Andere war.

Cesare hatte leicht aufgesehen, als er Shean erkannte, schluchzte er leise auf. Gerade Shean musste ihn so sehen. Fast widerwillig ob er seinen Kopf. Er sah schrecklich aus, jedenfalls für sich selber. Das Gesicht war verdreckt, Makeup hatten sie ihm abgewischt und so sah er ganz natürlich aus. Er sah Shean etwas verstört an, schien zu warten, daß er lachte oder sonst was tat, er sah aus wie eine abgerupfte Vogelscheuche, gerade mit dem zerrupften, kurzen Haaren.

Doch dieser dachte nicht daran – er sah nur zur Tür und fluchte leise, seufzte dann und zog Cesare einfach mit sich hoch, als er aufstand. Ohne ein Wort zog er ihn mit sich und die Treppe wieder hoch – weiter durch die Halle und zu seiner Maschine, ehe er seinen Helm aufsetzte und ihm einen der Männer gab. "Setz dich hinter mich, so ist es sicherer – und halt dich fest, ich werde so schnell fahren, wie es sicher ist, damit wir wieder heimkommen, ehe die Anderen zurückkommen." Mit den Worten setzte er sich auf die Maschine und startete sie – wartete darauf, daß Cesare den Helm auf- und sich hinter ihn setzte, damit sie losfahren konnten. Shean war unruhig – und man merkte es auch, er wollte so schnell wie möglich weg, denn mit Cesare hintendran wollte er keine Schlägerei führen.

Cesare gehorchte automatisch, er setzte sich den Helm auf und setzte sich hinter Shean. Er klammerte sich regelrecht an ihn und zitterte noch immer. Als Shean losfuhr, schloss er seine Augen, er hatte Angst vor dem schnellen Fahren und doch bewegte er sich mit Shean, damit es ihm das Fahren erleichterte. Wenn sie Zuhause wären, würde er sich in seinem Zimmer einschließen und baden und erst rauskommen, wenn Shagen wieder da war.

Der junge Ire registrierte dankbar, daß Cesare keine Zicken machte und auch beim Fahren ein wenig mithalf – er dachte nicht weiter darüber nach und fuhr den Weg zurück, achtete auf den entgegenkommenden Verkehr und fluchte leise, als nach der Hälfte der Strecke, mitten in freier Natur, der Motor zu zicken begann. Ein kurzer Blick zeigte ihm den Grund – der Benzinstand war schon auf Reserve und er fluchte leise, als er bei einer von Bäumen verdeckten Parkplatzausfahrt rausfuhr und anhielt. Keinen Augenblick zu früh – mit einem erneuten Fluchen sah er auf der Gegenfahrbahn die weiße Maschine des anderen Fahrers. Doch sie fuhren vorbei, denn sowohl Shean wie auch Cesare waren durch die Bäume verdeckt – erneut fluchend, doch froh über ihr Glück, strapazierte der Rotblonde es nicht weiter, schob seine Maschine in das Dickicht an der Seite und versteckte sie ein wenig abseits, deckte sie mit Zweigen und Gras zu. Erst dann kam er wieder zu Cesare – nahm ihn einfach an der Hand und zog ihn ebenso in das Dickicht, bis sie außer Sichtweite waren und sah ihm dann direkt in die Augen. "Hey – hör mir zu, ja ? Wir müssen zu Fuß weiter, mir ist der Sprit ausgegangen. Anrufen, daß uns Omi abholt, kann ich auch nicht, weil beim Kampf das Handy zu Brei ging. Hast du wenigstens nen Teil von dem verstanden, was ich sagte ?" Die Stimme des Iren war ruhig – eindringlich, hart, doch ruhig, da er sah, daß Cesare noch immer unter Schock stand.

Cesare hatte nicht verstanden, warum Shean angehalten hatte, doch jetzt verstand er sehr wohl. "Ich hab's kapiert, so dumm bin ich auch nicht." erwiderte Cesare leise und biss sich dann auf die Unterlippe, er wäre beinahe wieder zickig geworden. Warum nur immer bei Shean, gerade bei dem Mann, der ihm geholfen hatte. Daß gerade er es war, machte Cesare nicht wirklich glücklich, gerade Shean musste ihn so zugerichtet sehen. "Ich will schnell Heim."

"Geht klar – komm einfach mit, wir gehen ein wenig abseits von der Autobahn, damit die uns nicht entdecken. Verfluchte Drecksäcke ....." Mit einem kurzen Nicken drehte Shean sich um – nahm den Motorradhelm und hängte ihn über seinen Arm, blickte noch einmal zurück, ob der Andere nachkam und ging ihm dann durch das mittlerweile durch den Spätherbst spärlich gewordene Unterholz vor. Daß Cesare sich zurückgehalten hatte und ihm nicht wieder zickig kam, rechnete der Ire ihm hoch an – das war etwas, das er gerade eben überhaupt nicht brauchen konnte. Den Gedanken daran, wie mies es Cesare gehen mußte, daß er sich überhaupt zurückhielt, verdrängte er – es war wichtiger, daß sie vorankamen, denn es würde noch lange dauern, bis sie wieder in die Stadt kamen, um dort an einer Telefonzelle Omi anrufen zu können.

Cesare hatte den fremden Helm in den Büschen liegengelassen und lief hinter Shean her. Nach einer Weile trat er auf etwas Spitzes und zuckte zusammen. Er hatte keine Schuhe an und nackte Füße, die auch rasch kalt wurden. "Shean ?... Hast... hast du Socken an ?" Die Worte kamen leise über seine Lippen, fast ängstlich. Er merkte, daß Shean angespannt war.

Fast augenblicklich wirbelte der Rotblonde herum und wollte schon zu einer Antwort ansetzen – doch dann hielt er sich zurück, als ein Blick auf die bloßen Füße Cesares fiel und er begnügte sich damit, nur leise zu fluchen. Doch es war nicht gegen den Anderen gerichtet, sondern gegen sich selbst – in seiner Hast, wegzukommen, hatte er nicht darauf geachtet, ob Cesare überhaupt Schuhe angehabt hatte und schimpfte sich jetzt selbst einen Idioten. Shean überlegte nicht lange – ohne noch weiter zu zögern, nahm er Cesare auf die Arme und sprach ein kurzes "Nein, hab ich nicht – ich trag nie welche, das weißt du doch." zu ihm, ehe er sich wieder auf den Weg machte, dabei darauf achtend, daß Cesare keine Äste ins Gesicht schlugen.

Cesare war fast den Tränen nahe, doch er schluckte sie herunter, so gut es ging. Daß Shean ihn nun trug, behagte ihm nicht, er war so verwirrt. "Ich.. ich hab's vergessen, tut mir leid." Als Nächstes bemerkte er, wie vorsichtig Shean lief, versuchte, die Äste von ihm wegzuhalten. "Warum hast du mir geholfen ?...Du kannst mich doch nicht leiden."

"Kann ich auch nicht – aber das ist noch lange kein Grund, dich diesen Ärschen zu überlassen und da unten verrotten zu lassen. Ich bin zwar manchmal mies und ein Arschloch – aber das mach ich nicht. Außerdem ... Omi hätte mir die Ohren langgezogen mit seiner Heulerei, wenn ichs nicht versucht hätte. Daß die Idioten ausgerechnet zu dem Rennen kamen und auch noch mit deinen Haaren wedelten, war pures Glück – aber ich bin froh darüber, wie ich dich sonst hätte finden sollen, weiß der Geier." Während er sprach, sah Shean unverwandt auf den Weg vor ihnen und ging weiterhin durch das Unterholz – das Gewicht des ein wenig Kleineren bemerkte er kaum, denn dieser war nicht nur kleiner, sondern auch schmaler und leichter, gerade jetzt nach dem Erlebten. "Kannst dich schon festhalten – so fällts mir leichter und dir auch." Ihm war aufgefallen, daß Cesare es mied, ihn anzufassen, wo es nicht nötig war – doch das erschwerte ihm ein klein wenig das Tragen und es war für ihn auch nicht so schlimm, wenn Cesare näherkam, da er im Moment kein Make-Up mehr trug.

Bei der Erwähnung der Haare zitterte Cesare leicht, doch dann tat er, was Shean sagte und schlang einen Arm um dessen Nacken. So war es wirklich leichter für sie Beide. Was ihn ein wenig traf, war, daß Shean ihn nur wegen Omi gesucht hatte und nicht wegen ihm selber. Aber er kannte ja Sheans Einstellung, er konnte ihn nicht leiden, doch warum, wusste er noch immer nicht genau. Shean war schön warm, das konnte er jetzt deutlicher fühlen und sein Körper sog diese Wärme regelrecht in sich auf. Der Overall war nicht besonders warm, aber wenigstens hatte er etwas am Leib und war nicht nackt.

Unmerklich dabei nickend, als Cesare gehorchte, bahnte der Rotblonde ihnen weiterhin den Weg und wurde dabei nicht langsamer ... er wußte, er konnte noch einige Zeit durchhalten, doch ihm kam ein anderer Gedanke, der sich langsam nicht mehr verdrängen ließ. Shean konnte riechen, daß sich diese Amerikaner an Cesare vergangen hatten – etwas, das seine Wut langsam wieder weckte, auch wenn er sich beherrschte, um den Schlanken nicht noch weiter zu beunruhigen, Daß Cesare in einem leichten Schockzustand war, erleichterte zwar das Tragen – doch es war nicht unbedingt gut und das wußte der junge Ire auch. Doch dann zogen sich seine Brauen nach unten, als eine leichte Böe ihm einen bekannten Geruch zuwehte – ohne zu zögern, orientierte er sich und schlug einen anderen Weg ein, denn was er gerochen hatte, kam ihm mehr als nur gelegen. Und tatsächlich – nach etwa einer Viertelstunde, die Shean von der Autobahn weg und in die leicht bewaldete Ebene gegangen war, öffnete sie sich zu einem kleinen, mittlerweile ausgetrockneten Moor, in dem ein kleiner Weiher lag, der scheinbar früher einmal zur Fischzucht genutzt worden war. Auch jetzt waren noch einige Fische drin und auf den Zügen Sheans erwachte ein breites Grinsen – er setzte Cesare direkt am Ufer ab und ging dann zu der kleinen Hütte an der Seite, trat die Türe einfach ein und nickte, als er innen Einiges fand, das sie brauchen konnten. Mit einem großen Stabnetz und einer Armvoll alter, doch noch intakter Kleidung kam er wieder zu Cesare zurück – warf ihm die Kleidung mit einem "Wasch dich runter und wirf den Overall in den Schuppen." in den Schoß und ging ans Wasser, um dort mit dem Netz einen der Fische zu fangen.

Überrascht fing Cesare die Kleidung. "Danke." wispernd, zog er auch gleich den Overall aus und stieg in das Wasser. Endlich konnte er sich den Dreck vom Körper waschen, was er auch gewissenhaft tat. Als er sein Haar nässte, schluchzte er leise auf, es war so kurz, es war ab, nichts mehr da. Er verhielt einen Moment still im Wasser und betrachtete sein Spiegelbild. Was er sah, erschreckte ihn sehr und er floh fast aus dem Wasser, zog sich an und verkroch sich dann in der kleinen Hütte.

Shean hatte ihn während der ganzen Zeit beobachtet – blickte ihm nun nach und fluchte leise, wurde aber durch einen Fisch abgelenkt und fing ihn kurzerhand. Ein kurzer Schlag mit einem Stein und er hatte ihn erledigt – nahm das Messer, das er in der Hütte gefunden hatte und nahm den Fisch aus, zog ihm auch die Haut ab und kam mit dem restlichen Fisch in die Hütte, um es dort in eine Schale zu legen, die er vorher vom Staub befreit hatte. "Hier – iß, was Anderes ist nicht da. Ich komme gleich wieder." Mit den Worten ging der Rotblonde wieder nach draußen – er überlegte einen Moment, dann nahm er ungesehen von Cesare dessen Haare aus dem Oberteil, vergrub sie und legte noch ein wenig Gras darauf, damit man nichts mehr sah. Erst dann ging er an eine andere Stelle und erleichterte sich dort – er hielt es für besser, Cesare nichts von dem Haar zu sagen, denn es würde dessen Schmerz noch verschlimmern und ihn an das erinnern, was die Ärsche ihm angetan hatten. Dann fluchte Shean wieder leise – er war es nicht gewohnt, zu dem Schlankeren so rücksichtsvoll zu sein, doch es fiel ihm zunehmend schwerer, seine absolute Abneigung aufrechtzuerhalten, nun, da Cesare nicht geschminkt oder aufgedonnert war und nicht einmal mehr rumzickte. Also kam er langsam wieder zu ihm in die Hütte – setzte sich ihm gegenüber, seufzte dann aber leise und nahm eine der Decken, schlang sie sich um die Schulter und setzte sich zu Cesare, um auch ihm die Decke um die Schultern zu legen, da es so für Beide wärmer war. Auch wenn die Türe der Hütte zu war – sie besaß keine Feuerstelle und es würde recht schnell empfindlich kalt werden, wenn sie sich nicht gegenseitig wärmen würden.

Cesare hatte ein wenig von dem Fisch gegessen, es war noch etwas für Shean da. Er war doch deutlich erstaunt, daß Shean so sanft zu ihm war, ihm sogar ein Stück Decke abgab und irgendwie kuschelte sich Cesare einfach an den etwas Größeren, denn so war es wärmer. "Warum bist du so nett zu mir ? Du kannst mich doch sonst nicht leiden." Wieder sprach er leise, er konnte und wollte auch nicht lauter sprechen.

Shean drückte sich vor der Anwort, indem er zuerst den Fisch aufaß – dann seufzte er leise und legte die Schüssel beiseite, sah auf den Kopf des Anderen und grummelte mürrisch. "Weil ich weiß, wie es ist, wenn man vergewaltigt wird. Mehr als nur gut. Und weil du nicht so aufgedonnert bist – gegen dich persönlich hab ich nur was, wenn du zickst, aber was ich eben nicht leiden kann, ist deine bemalte Version, das ... ich mags einfach nicht." Er verstummte wieder – allein schon die Erinnerung daran sorgte dafür, daß er die Zähne zusammenbiß, bis sie knirschten und sein Körper sich anspannte – doch dann ließ er wieder locker und strich kurz über sein Gesicht, löste sich einen Moment lang und zog die schwere Lederjacke aus, legte sie an die Seite und zog Cesare wieder näher, während er die Decke wieder um sie hüllte. "Schlafen wir ein wenig – ich weiß, es ist eng, aber das Hilton kann ich dir nicht bieten." Die letzten Worten waren wieder leise gebrummelt – ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sich Shean auf die schmale Pritsche fallen und zog Cesare einfach mit sich, legte den Arm um ihn und schloß die Augen, um ein wenig zu dösen.

Cesare verstand es nicht, er war doch nicht anders, nur weil er geschminkt war. Doch er war auch zu müde, um da jetzt weiter drüber nachzudenken. Die Wärme von Shean tat gut und so schlief er neben ihm ein, kuschelte sich im Schlaf noch so nahe wie möglich an ihn heran.

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