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”Summer Dreams” 04
 

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Ein Jahr später ...

Mißmutig vor sich hinknurrend, verschränkte Rheed die Arme und blickte demonstrativ aus dem Fenster, würdigte seine Eltern keines Blickes und verwünschte die spießige Gesellschaft ans hinterste Ende der Welt. Nur die Androhung seines Vaters, ihn in ein Militärerziehungslager zu schicken war der Grund, weshalb er hier saß und ein weiteres Mal mit seinen Eltern in dieses dreimalverfluchte Feriencamp fuhr, in dem sie auch schon das letzte Jahr gewesen waren. Rheed konnte sich noch mehr als nur gut daran erinnern – und allein der Gedanke an den letzten Tag sorgte dafür, daß sein Knurren tiefer wurde und der Zorn in ihm fast ausbrach, doch er wußte, daß er sich nicht gehen lassen durfte, löste die Arme und ballte die Rechte zur Faust, so daß der nietenbeschlagene, fingerlose Lederhandschuh hörbar knarrte. Ein Geräusch, das der junge Goldhaarige liebte – und das man bei ihm dauernd hörte, da er zu seiner schwarzen Jeans schwarze Lederstiefel und eine schwarze Lederbikerjacke mit Nieten trug. Dann riß ihn jedoch ein bekanntes, zuckersüßes Singen aus seinen Rachegedanken und er blickte auf, fluchte lauthals und veschränkte die Arme, als sie durch das Tor des Feriencamps fuhren und schon von den breit lächelnden Mitarbeitern empfangen wurden.

Auch Leonardo stand dabei, er sang wie immer nicht, aber er war ordentlich angezogen und reizbar. Margo war dieses Jahr wiedergekommen und so langsam ging ihm dieses Weib auf die Nerven. Dann merkte er auf, als er die gelbhaarige Frau erkannte, die aus dem angekommenen Wagen stieg. Dann sah er einen weiteren gelben Schopf und lächelte kurz. Doch sein Lächeln erstarb, als er den Blick sah, den Rheed ihm zuwarf. Er war sich sicher, es war Rheed, er erkannte ihn aber nur an den gelben Haaren und an dessen Augenfarbe. In dem Jahr war der Junge in die Höhe geschossen, er war so groß wie er selber und war auch deutlich breiter geworden ... und wilder.

"Du verdammter Hurensohn ..." Die leisen Worte des Goldhaarigen waren zum Glück für Niemanden verständlich, doch er mußte sich zurückhalten, um einigermaßen ruhig zu bleiben. Doch er half nur kurz mit, seinen Rucksack in den Bungalow zu werfen, ehe er sich einfach umdrehte und wegging, da er auf keinen Fall die Willkommensrede des Veranstalters mitanhören wollte. Stattdessen verzog er sich an den Rand des Camps und setzte sich auf einen Baumstamm, holte eine Zigarette heraus und zündete sie an, um sie in aller Ruhe und fernab von dem Trubel, der ihn nervte, zu rauchen.

Selbst wenn Leo gewollte hätte, konnte er nicht hinterher, er musste bleiben, bis sein Auftritt war. Erst, als sein Tanzen beendet war, verließ er die Veranstaltung. Rheed hatte er dort nicht gesehen, also musste er sich irgendwo herumtreiben. Er wollte ihm aber nicht unbedingt über den Weg laufen und nur in seinen Bungalow, aber seine Hoffnung wurde jäh zerschlagen, als er um eine Ecke ging und mit dem Jüngeren zusammenprallte.

"Was zum ?!" Rheed knurrte auf und packte den Tanzlehrer am Kragen, zog ihn bis kurz vor sein Gesicht und erdolchte ihn fast mit seinem wütenden Blick. "Spionierst du mir nach, Arschloch ?! Oder warum läufst du mir praktisch auf die Füße ?!"

Rheed hob ihn fast hoch, als er ihn gepackt hatte, und genau das sorgte dafür, daß Leonardo einen Moment etwas Furcht in den Augen hatte, doch dann packte er eines von Rheeds Handgelenken und versuchte, sich zu befreien. "Ich will nur zu meinem Bungalow, er ist gleich um die Ecke ... also lass mich los, Rheed."

Für seine Bemühungen erntete er jedoch nur einen noch wütenderen Blick, ehe der Goldblonde ihn einfach losließ und von sich wegstieß. "Sieh an – du erinnerst dich noch an mich ? Bleib mir vom Leib, ich bin nicht mehr der kleine Junge, den du einfach herumschubsen kannst, wie du es willst. Die Zeiten sind endgültig vorbei, verstanden ?! Gut. Und nun verpiß dich, bevor ich dir die hübsche Fresse poliere und mir Ärger einhandle." Rheed war stinkwütend – und anders als noch ein Jahr zuvor, zeigte er seine Wut nicht nur, sondern ließ sie auch überdeutlich heraus.

Und Leo taumelte etwas zurück, denn der Schubser war wirklich nicht ohne gewesen. "Ich habe dich nie herumgeschubst ... aber egal, mit dir scheint man eh nicht reden zu können ... du bist immer noch ein Kind." Bei seinen Worten drehte er sich herum, um zu gehen. Er meinte ernst, was er sagte, der Körper von Rheed war jetzt erwachsen, aber geistig war er noch immer der bockige Junge vom letzten Jahr.

Doch er kam nicht weit – das war der letzte Tropfen gewesen, der das Faß zum Überlaufen brachte und der Goldhaarige packte Leo, stieß ihn an die Bungalowwand und pinnte ihn mit seinem Körper an das Holz, während er die schulterlangen, gelockten Haare fest in der Linken gepackt hielt und den Kopf Leos in den Nacken zwang. Da Leo mit der Brust an der Hauswand stand, hatte Rheed genug Möglichkeiten, ihn von hinten festzupinnen und trotzdem die eine Hand freizuhaben, und er kam näher, biß ihn einmal kurz und hart in die Halsseite und wisperte gefährlich leise in dessen Ohr. "Hör gut zu – ich war nie ein Kind, ich habe niemals eines sein dürfen, das haben meine beknackten Eltern gut verhindert. Ich bin nicht trotzig - ich bin wütend, und nun habe ich auch endlich den Körper, um meine Wut auszuleben. Und ich bin auch nicht mehr auf dich angewiesen, um zu einem Mann zu werden – das haben Andere erledigt, Ballerina. Ich hole mir nun, was ich will und muß nicht mehr betteln ... und dir die Genugtuung geben, mich hinzuhalten, zu locken und dann einfach mit einem Kuß abzuschmettern und dir mit dem Reitlehrer eins darüber abzulachen, wie auch ich dir verfallen bin und dir noch gutes Geld dafür gegeben habe, daß du mich mit dem größten Ständer stehengelassen hast, den ich bis dahin gehabt hatte. "

Bei dem Biss keuchte Leo schwer, er konnte nicht weg und sich kaum bewegen. Die leisen Worte aber sorgten dafür, daß er verstand, es war wirklich ein Fehler gewesen, Rheed zu küssen. Damals hatte er gedacht, daß er ihm wenigstens den einen Kuss schenken konnte. "Ich habe nie über dich gelacht ... ich hab gemerkt, daß du in mich verliebt warst, es war nicht gut. Dir die Absage zu geben, war für mich auch nicht einfach, ich hab dich wirklich gemocht. Aber jetzt bist du einfach nur aggressives Arschloch geworden, ich will gar nichts mehr mit dir zu tun haben."

"So wenig wie ich, Leo. Das Arschloch bist nämlich du – du denkst, nur weil du gut aussiehst und alle um den Finger wickeln kannst, gibt es dir das Recht, mit allen rumzuficken und sie auszunutzen. Aber nicht mit mir, bei mir zieht das nicht mehr, Süßer. Ich will nur meine Ruhe vor all dem falschen Getue – und dem Nächsten, der mir falsch kommt, dem poliere ich die Fresse. Also, häng dich an die nächste Schlampe und fick dich aus, oder gönn dir den Reitlehrer, wenn er noch immer da ist. Dann hab ich wenigstens Ruhe vor dir und Deinesgleichen !!" Mit den Worten löste sich Rheed und stieß noch einmal kurz die Schulter des Anderen an die Bungalowwand, spuckte zur Seite und drehte sich wortlos um, um davonzugehen und sich dabei eine Zigarette anzuzünden. Seine schweren Stiefel waren gut auf dem Pflasterwegen zu hören, die zwischen den Bungalows entlangführten und verhallten schließlich, als er im Dunkel verschwand.

Erst, als die Schritte nicht mehr zu hören waren, löste Leo sich von der Wand, er hatte seinen Kopf daran gelehnt und leise geflucht. Jetzt drehte er sich um und atmete tief durch, er fühlte noch immer den Biss im Nacken und tastete danach. "Verdammt, hat der fest zugebissen." Er beschloss wirklich, ihm aus dem Weg zu gehen, eigentlich hatte er gedacht, daß er Rheed letztes Jahr geholfen hatte, selbstbewusster zu werden, aber daß er so selbstbewusst wurde, hatte er nicht erwartet. Der Kuss war eindeutig ein Fehler gewesen, wenn der Junge dadurch so verbittert geworden war. Leo versuchte, die Gedanken loszuwerden und ging weiter zu seinem Bungalow, um dort zu duschen und danach würde er sich hinlegen.

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"Nein, Mom ! Ich bin mit in dieses verdammte Camp gekommen, weil ihr mich dazu gezwungen habt, aber ich werde KEINEN der Kurse hier mitmachen, verstanden ?! Und du brauchst mir nicht mit dem Militärcamp kommen, Dad – ein Wort darüber, und ihr habt mich die längste Zeit gesehen !" Ohne eine Antwort abzuwarten, warf Rheed das Frühstücksmesser auf den Tisch, an dem sie gerade gefrühstückt hatten, stand auf und lief raus, weg von dem schrillen Gezeter seiner Mutter und den wütenden Worten seines Vaters. Doch er hatte kein Glück ... ihm passierte nun das Gleiche wie am gestrigen Abend und er prallte mit Jemanden zusammen, der durch die Wucht schwankte und ohne den festen Griff des Goldhaarigen hingefallen wäre. Doch als Rheed sah, mit wem er hier zusammengeprallt war, verfinsterte sich sein Gesicht, ehe er leise seufzte und den festen Griff löste, sobald der Tanzlehrer wieder fest stand. "Paß auf deinen Weg auf – ich will nicht nochmal in dich reinrennen, Okay ?"

Leo fühlte sich einen Moment, als hätte ihn ein Bulle gerammt, er war froh, daß Rheed ihn wenigstens am Fallen gehindert hatte und sah ihm kurz nach. Von drinnen hörte er das Zetern von Rheeds Eltern und jetzt verstand er auch, warum der junge Mann so wütend war. So fasste Leo sich ein Herz und lief ihm nach. "Rheed, warte bitte." Er holte auf und hatte auch genug Abstand, damit er nicht womöglich wieder ne Faust oder Sonstiges abbekam.

"Was ?!" Das leise Wort klang ein wenig harsch, doch leise genug um zu merken, daß der Goldhaarige eigentlich nur genervt war. Er blieb auch stehen – doch er drehte sich nicht um, sondern wartete wie er war auf den Tanzlehrer, auch wenn er sich nicht denken konnte, was dieser noch von ihm wollte. Daß Leo ihn nicht berührte, rechnete er ihm hoch an – denn er wußte nicht, ob er ihn dann nicht stärker geschlagen hätte als den Abend zuvor, und das konnte er sich nicht leisten, da es der Job Leonardos verlangte, daß dieser gut ausah.

Leo schloss auf, er hielt aber trotzdem noch einen kleinen Abstand ein. "Ich hab deine Eltern gehört ... ich kann verstehen, daß du so wütend bist. Vielleicht sollten wir mal in Ruhe reden, auch wegen letztem Jahr, ich möchte, daß du mich verstehst."

Das ließ Rheed leise und ein wenig hart auflachen, ehe er mit einem ebenso harten Lächeln den Kopf schüttelte und schließlich zu dem Brasilianer sah, der nun vor ihm stand. "Mich verstehen ? Ich denke, das tust du nicht, Leo. Niemand tut das. Und wegen letztem Jahr – was gibts da zu vestehen ? Du hast dir das Einzige geholt, das ich dir damals bieten konnte ... tanzen und einen Kuß. Denke, es war für dich ein Hochgenuß, daß du der erste warst, der mich geküßt hat, Hm ? Vergessen wirs ... ich will nur meine Ruhe und das hier alles vergessen, der Streß mit meinen Alten reicht mir." Die Worte waren zwar hart, doch nicht mehr so harsch ... und das kurze, harte Lächeln, das für einen Moment um die Mundwinkel Rheeds spielte, milderte sie auch noch ein klein wenig mehr.

So langsam wurde Leonardo klar, daß er Rheed wirklich nicht verstand und nie verstanden hatte. Er hatte gedacht, er wüsste, was in ihm vorging, doch da hatte er sich getäuscht. "Ich wollte dich nicht verletzten, bitte glaube mir. Ich hatte dich wirklich sehr gern ... aber du musst auch mich verstehen, du warst und bist immer noch minderjährig."

"Und weil du es gerade eben bist, darfst du natürlich nicht deinen Job aufs Spiel setzen, nicht wahr ? Ich bin nicht so dumm, wie ich aussehe, Leo ... ich weiß, daß du nie mit den Mädchen pennst, sondern dir immer nur die alten Schrullen ins Bett holst. Wenns nach mir gegangen wäre, dann wäre gar nichts zwischen uns passiert – Okay ? Ich wollte nie in den Kurs und du nie was von mir. Aber es ist passiert und in einer Hinsicht bin ich dir dankbar, Leo – ich war so wütend, daß mich der Ehrgeiz packte und nun muß ich mir von Niemandem mehr etwas gefallen lassen." Mit den Worten ging Rheed an dem ein wenig Älteren vorbei und weiter den Weg entlang – das Gekeife seiner Eltern im Bungalow war inzwischen verstummt und bevor seine Mutter herauskam um zu ihren Kursen zu gehen, wollte der junge Goldhaarige schon außer Sichtweite an einem ruhigen Fleckchen sein und ein wenig rauchen.

Einen Moment blieb der Brasilianer stehen, dann lief er Rheed wieder nach und er stellte sich vor ihn. "Meine Mutter war eine Nutte, ich habe fünf Geschwister und ich bin als Teenager von Freiern meiner Mutter mehrfach vergewaltig worden. Ich war der Älteste und wollte nicht, daß meinen Geschwistern was passiert. Ich war so groß wie du letztes Jahr, sehr schlank und es war schrecklich ... ich will das Keinem antun. Und ich weiß nicht, ob du es wirklich gewollt hättest ... und wenn die Ferien vorbei gewesen wären ? Was wäre dann gewesen ? Hast du da mal drüber nachgedacht ?" Er wandte sich jetzt ab und ging, er hatte noch Keinem was von seiner Vergangenheit erzählt und gerade jetzt kam Einiges wieder hoch.

Rheed hatte diesen Ausbruch ganz gewiß nicht erwartet – doch er antwortete der davoneilenden Gestalt nicht, sondern schnaubte nur kurz, ehe er weiterging und durch die Bungalows den Weg zum Waldrand einschlug. Mit so etwas hatte er definitiv nicht gerechnet – und das ausgerechnet von dem Mann, der für seine Ruhe und unerschütterliche Geduld mit Anderen bekannt war. Als Rheed am Waldrand ankam, setzte er sich wieder auf den Baumstamm, auf dem er schon Gestern gesessen hatte und dachte nach; was wäre gewesen, wenn sie wirklich Sex gehabt hätten ? Eigentlich hätte es nicht viel geändert ... lediglich die Enttäuschung und Wut Rheeds wären geringer gewesen oder vielleicht sogar nicht einmal gekommen, der Ehrgeiz jedoch schon und das Ergebnis wäre am Ende das Gleiche gewesen. Mit dem Gedanken ließ Rheed die Kippe zu Boden fallen und trat sie mit seinem Stiefel aus, zündete sich eine Neue an und versank noch ein wenig in Gedanken, während im Hintergrund schon die ersten Rufe der Kursleiter zu hören waren.

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Gegen Nachmittag kam Leo wieder den Weg entlang, er wollte zu seinem Bungalow und musste eben dort lang, wo er am Abend auf Rheed getroffen war. Er hoffte, daß er nicht da war, denn seit dem Morgen stand er etwas neben sich und hatte Margo eine Abfuhr erteilt, die sich gewaschen hatte. Es hatte sich rasch bis zum Boss herumgesprochen und eben hatte er sich eine dicke Rüge abgeholt und sich zwangsweise bei Margo entschuldigt. In Gedanken bog er um die Ecke und stolperte somit wieder über den Gelbhaarigen, nur verhinderte er diesmal, daß er ihn anrempelte. Nach kurzem Zögern ignorierte er ihn und ging schweigend an ihm vorbei zu seinem Bungalow.

Der fluchte lauthals, da ihm seine Zigarette abgebrochen war und verengte die Augen, als er erkannte, wem er das zu verdanken hatte. "Sag mal – seit wann läufst du nur noch blind durch die Gegend ?! Schau gefälligst, wohin du läufst oder ob da Jemand ist, Okay ? Ich hab nicht mehr viele Zigaretten und hier draußen kriegt man die Dinger nirgends !"

"Ich hab noch welche im Bungalow, ich rauche eh nicht so viel. Ich leg sie dir raus, wenn du magst." Leo stoppte und drehte sich kurz um, weil er auf eine Antwort wartete. Er rechnete aber nicht wirklich damit, daß Rheed die Zigaretten annahm.

Für einen Moment spielte der Goldhaarige wirklich mit dem Gedanken, sie abzulehnen ... doch dann gewann seine Vernunft die Oberhand, denn sie waren hier mitten auf dem Land und zum Wohle der Gesundheit konnte man hier keine Zigaretten kaufen. "Nicht nötig – ich geh mit dir mit, dann hast du deine Ruhe. Und ... Danke." Gerade das Letzte fiel Rheed sehr schwer und es kam eigentlich viel zu harsch von seinen Lippen, doch er meinte es ehrlich. Es war ungewöhnlich, daß ein Kursleiter so etwas tat – und gerade Leo mußte seine Vorräte nun wirklich nicht mit ihm teilen.

Der wirkte fast ein wenig erleichtert und nickte. "Komm, es ist gleich um die Ecke." murmelnd, drehte er sich um und ging langsam vor. Er hatte den selben Bungalow wie letztes Jahr und ahnte nicht, daß der Gelbhaarige den Weg dorthin gut kannte.

"Du hast den gleichen Bungalow wie letztes Jahr – ist das hier normal ?" Rheed kam gerade der gleiche Gedanke und er sprach ihn auch aus, da er sich nicht mehr zurückhielt. Er wartete jedoch die Reaktion des Tänzers ab, denn er konnte sich denken, daß dieser ziemlich überrascht sein würde.

"Ja, das ist ..." Mitten im Satz stockte Leo und drehte sich überrascht zu dem Jüngeren. "Du weißt, wo er ist ?" Noch im selben Moment, als er fragte, ahnte er woher und lächelte etwas wehmütig. "Du hast mich bespannt, hab ich recht ?"

Bei der Frage lachte Rheed kurz auf und blickte zu dem Brasilianer, während ein hartes Lächeln über seine Züge spielte. "Jep – ich dachte, ich könnte dich bei irgendetwas erwischen und es gegen dich verwenden. Kam aber anders, als ich dachte ... du hast dich geduscht und nicht mit den Kundinnen rumgemacht. War ein ziemlich heißer Anblick und ich bin noch ein paar Mal hergekommen, um dir zuzusehen. Du solltest dir wirklich einen Vorhang für das Fenster besorgen, Leo."

Es dauerte einen Moment bis Leo sich fing, er hatte es gerade eben nur vermutet und daß es wirklich so war, erschreckte ihn schon ein wenig. "Normal rennen hier auch keine Spanner herum und ich dachte, der Busch vor dem Fenster ist Sichtschutz genug." Er ahnte, daß da auch mehr passiert war. "Dir scheint es Spaß gemacht zu haben ?"

"Klar ? Ich war zwar jung, aber nicht dumm – und eine solche Gelegenheit würde sich nicht so schnell wieder bieten. Wieso hast du eigentlich nie eine der Weiber hierher mitgenommen ? Reine Neugier." Mittlerweile waren sie an dem Bungalow angekommen und Rheed lehnte sich an die Wand, steckte die Daumen in die Gürtellaschen seiner Jeans und wartete darauf, daß Leo sein Wort hielt und ihm ein paar Zigaretten herausbrachte. Man sah ihm an, daß er sich nicht im Mindesten für sein Spannen schämte – er hatte eine Gelegenheit, die sich bot, wahrgenommen, und wenn der Tänzer nicht auf seine Privatsphäre achtete, war das dessen Schuld.

"Komm mit rein." bot Leo an, trat ein und ließ die Tür offen. "Ich habe Bier im Eisschrank." Es war unverbindlich, das konnte man gut hören. "Dann kannst du den Bungalow auch mal von innen sehen."

Das Angebot überraschte Rheed ein wenig, doch er nickte nur ... ein Bier wäre jetzt nicht schlecht und er hatte so oder so nichts vor. Mit einem kurzen "Okay." stieß er sich wieder von der Außenwand ab und trat ein, blickte sich neugierig um und folgte Leo in die Küche, um sich dort auf die Tischkante zu setzen. Irgendwie hatte er so eine Ahnung, daß der Brasilianer reden wollte – er konnte dessen Fragen schon fast fühlen, doch er sagte nichts, sondern nahm nur das Bier entgegen, nickte kurz dankbar und nahm schon einen ersten, tiefen Schluck aus der Flasche.

Leo wollte schon reden, aber er wusste nicht, ob Rheed dann nicht wieder an die Decke ging. Er selbst nahm selber einen Schluck und nickte, schwieg noch, weil er nicht ganz wusste, wie er anfangen sollte. "Du bist ganz schön hochgeschossen ... hast schwer gearbeitet, oder ?" Er fing mal so an und atmete kurz durch.

"Jep – kaum waren wir wieder Daheim, kam mir mein Alter damit, daß er das Taschengeld kürzte. Meinte, der Urlaub hätte soviel gekostet und er müßte sparen. Da platzte mir das erste Mal der Kragen und ich suchte mir eine Arbeit im Hafen. Das Schuften sorgte endlich dafür, daß ich meinen Schub bekam – ich aß plötzlich das Doppelte von vorher und setzte es gleich in Muskeln und Größe um. Paßte meiner Mom nicht im Geringsten, sie sah in mir immer das Mädchen, das sie gern gehabt hätte. Als sie wieder einmal jammerte, weil ich mir die Haare zu einem Pferdeschwanz band, bin ich kurzerhand zum Friseur und habe mir die Seiten und oben schneiden lassen. Den Ärger hättest erleben sollen – aber als ich dann mit den Lederklamotten ankam, war es ganz aus. Habs mir aber nicht mehr bieten lassen und meinen Dad zusammengebrüllt – und es hat geholfen, seither sagen sie nichts mehr." Kurz aufschnaubend, verengte Rheed seine in diesem Moment hart glitzernden Augen – dann nahm er einen weiteren Schluck und blickte wieder zu dem Tanzlehrer, gespannt darauf, was dieser dazu sagen würde.

Der brauchte einen Moment und starrte Rheed offen an. "Zieh mal deine Jacke aus ... Bitte." bat er leise in der Hoffnung, daß er nicht gleich eine geknallt bekam.

Einen Moment lang spielte der Goldhaarige auch mit dem Gedanken – doch dann nickte er nur, denn er konnte sehen, daß es einfach nur freundliche Neugier war, die Leo veranlaßte, ihn zu fragen. Also öffnete Rheed die Knöpfe und schlüpfte heraus, legte sie hinter sich auf den Tisch und blickte nun wieder zu dem Brasilianer, der ihn betrachtete.

Der hielt sich auch zurück, obwohl der Anblick wirklich lecker war. Durch das hautenge, schwarze Shirt konnte man jeden einzelnen Muskel sehen. "Du hast dich wirklich rausgemacht ... hast du noch weiter getanzt ?" Er blickte ihm in die Augen und lächelte, denn diese Frage brannte ihm ja doch auf der Zunge.

"Klar, was denkst du denn ... ich war jeden Abend in der Disco und hab mir den Frust abgetanzt und nebenher auch einige Kerle aufgerissen, die ich dann in der Nebenstraße vögeln konnte. Hättest du nicht erwartet, Hm ? Aus dem adretten, hübschen Jüngelchen wurde ein Straßenschläger feinster Güte, der sich bei Nichts mehr zurückhält." Während er sprach, nahm Rheed die Bierflasche auf und als er verstummte, trank er wieder einen Schluck und genoß es, wie das Bier kühl seine Kehle herunterrann. Er konnte nur zu deutlich sehen, daß Leo scharf auf ihn war – mittlerweile kannte er diesen Blick nur zu gut, denn er hatte ihn schon oft genug in der Disco und in den Hintergassen gesehen und darauf reagiert. Hier wartete er jedoch ab – er wurde aus dem Tänzer nicht ganz schlau, denn dessen Verhalten schien täglich zu wechseln.

Klar war Rheed für Leonardo sehr anziehend, denn jetzt war er genau sein Typ geworden. Aber er hielt sich sichtlich zurück. "Nein, das hätte ich wirklich nicht gedacht." erwiderte er leise und holte noch ein Bier aus dem Kühlschrank, um es dem Jüngeren zu geben. Dann setzte er sich und nickte auf den anderen Stuhl. "Wenn du dich hier austanzen willst, die Angestellten treffen sich jeden Abend, um sich auszutoben."

"So ? Wo macht ihr das, damit es noch nicht rausgekommen ist ?" Dies war genau das, was der Goldblonde brauchte – eine Möglichkeit, fernab von den neugierigen Augen der Älteren seine aufgestaute Energie loszuwerden. Während er fragte, erhob sich Rheed und setzte sich auf den anderen Stuhl, ehe er eine Braue hob und hart lächelte. "Kommt der Reitlehrer auch dorthin ?"

"Der Ort ist geheim ... und Nein, er kommt nicht hin, weil er nicht mehr hier arbeitet. Er und die Tochter eines Gastes sind erwischt worden und er flog raus." Leo war sicher, daß es Rheed freute, denn es war offensichtlich daß er ihn nicht hatte leiden können.

Doch eigentlich war das Gegenteil der Fall, Rheed fluchte und strich sich die langen Ponys nach hinten, ehe er einen Schluck Bier trank. "Verdammt – ich hätte ihn gern durchgevögelt, das kann ich mir jetzt abschminken. Wie kann man nur so blöd sein ?! Gibts wenigstens einen annehmbaren Ersatz ? Oder sind das alles nur Luschen ?" Die letzte Frage war an Leo gerichtet und Rheed neigte sich wieder vor, stellte das Bier auf den Tisch und blickte interessiert auf den Tanzlehrer.

Der hätte mit sowas nie gerechnet, er fing sich aber wieder und überlegte. "Er und ich waren die Einzigen mit dieser Vorliebe ... der neue Reitlehrer ist ein reiner Weiberheld." Irgendwie klang es jetzt, als würde wirklich nur er zur Verfügung stehen, aber so war es ja nunmal auch. "Einer von den Gästen vielleicht noch, aber der ist ein arrogantes Arschloch."

"Vergiß es, auf Zicken steh ich nicht. Und die Gäste sind eh zu gefährlich, das gibt nur Ärger. Sieht so aus, als ob nur wir Beide übrig bleiben, oder ?" Daß er nur so geringe Auswahl hatte, paßte Rheed überhaupt nicht – er hatte sich schon darauf gefreut, den überheblichen Reitlehrer einzureiten, doch nun war ihm dies auch genommen worden. Und so blieb nur noch Leonardo, um sich ein wenig zu vergnügen, etwas, von dem der Goldhaarige nicht genau wußte, ob es ihm gefiel.

"Scheint so ... oder du stellst auf Handbetrieb, wie auch immer." Zwar juckte es Leo, aber er war ruhig genug und zeigte, daß er auch darauf verzichten konnte. Wenn, musste Rheed den ersten Schritt machen.

Bei den Worten verengten sich die Augen des Goldblonden und er zog die Brauen ein wenig tiefer ... die Antwort gefiel ihm nicht und so handelte er, stand auf und packte Leo am Kragen, zog ihn ebenfalls auf und in einen heißen, harten Kuß. Erst, als Leo nach Luft japste, ließ er ihn wieder los und nahm die Bierflasche, trank sie aus und stellte sie auf den Tisch, nahm die Lederjacke auf und nickte nur noch kurz. "Wir sehen uns." Dann drehte er sich wortlos um und ging aus dem Bungalow, zündete sich eine seiner Zigaretten an und genoß die Kühle der hereingebrochenen Sommernacht.

Zurück blieb Leonardo, der wie durch den Wind geschossen dastand. "Mensch Junge, hast du gut küssen gelernt." murmelnd, setzte er sich wieder und seufzte leise. Jetzt wollte er ihn kosten, die Wildheit von Rheed fühlen, jetzt war er genau das, was Leo gern mochte und doch war er schon fast zu wild. Morgen würde er ihm die Zigaretten zustecken, aber jetzt wollte er duschen, stand wieder auf und ging ins Badezimmer. Wie früher schon ließ er das Fenster einen kleinen Spalt offen, vielleicht würde der Gelbhaarige ja wieder zusehen.

Jener war noch in der Nähe geblieben, um ein wenig nachzudenken ... doch er merkte auf, als das Licht im Badezimmer des Tanzlehrers anging und drückte die Zigarette mit dem Stiefel auf dem Boden aus, kam wieder näher und lächelte hart, als er Leonardo dabei beobachtete, wie dieser gewohnheitsmäßig das Fenster der Dusche öffnete. Wie auch schon vor einem Jahr bot er dabei und beim Duschen einen herrlichen Anblick – doch anders als früher, berührte sich Rheed nicht, sondern sah nur zu und genoß, was er sah. Erst, als Leo die Dusche wieder abstellte, drehte er sich um und veschwand in der Nacht ... er mußte nachdenken, und auch, wenn er das eigentlich nicht wollte, er mußte zurück zu seinen Eltern.

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