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”Bleeding October” 11
 

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In dem Hotelzimmer arbeitete mit einem leisen Rauschen die Klimanalage gegen die heißen Temperaturen des Hochsommers an. Für Menschen wohl angenehm leise, für das empfindliche Gehör der Vampire nahm das aber schon fast dröhnende Ausmaße an.

Krutari lag auf seinem Rücken auf dem Bett und Sha'kafir saß vorm Bett auf dem Boden. Er hatte sich zurückgelehnt und seine Arme nach rechts und links auf dem Bettrand ausgebreitet. Immer noch floßen die geteilten Gedanken durch ihn durch und er knurrte hin und wieder leise. Zwischendurch warf er Krutari vernichtende Blicke zu. Aber auch das würde nichts an der Art und Weise ändern, wie der diesen Gedankenaustausch fabrizierte. Nicht nur die Informationen wechselten den Besitzer, sondern auch die dazugehörigen, empfundenen Gefühle.

Krutari räkelte sich mit halbgeschloßenen Augen auf dem Bett herum und erhob sich dann plötzlich, so daß sein Bruder reflexartig mit dem Kopf herumruckte und ihn fragend ansah. "Die Beiden werden sicher einen guten Plan aushecken. Wir sind später nur für die Umsetzung zuständig..." Er deutete nach draußen, wo sich die Sonne anschickte, endlich unterzugehen "... und ich habe Hunger !" Sha'kafir lächelte böse und nickte bestätigend.

Der Sommer war heiß und die Menschen kleideten sich nur mit dem Nötigsten. So ließ allein schon ihr Anblick einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Kurzzeitig sah Sha'kafir noch einmal zu Col, gab aber einen weiteren Versuch, ihn anzusprechen auf. Somit erhoben sich die Zwillinge und schickten sich an, auf ihre nächtliche Jagd zu gehen. Als Erstes benötigten sie den dazu passenden Jagdort. Krutari griff zum Zimmertelefon und kontaktierte die Rezeption. Er orderte zwei kalte Getränke für die Bücherwürmer und eine Stadtkarte von Trier und Umgebung.

Wenig später stand auch schon ein Bückling in der Tür mit einem Wägelchen, reichte die bestellten Getränke und leichte Knabbereien dazu. Gehörte zum Service, wie er sich dazu ausdrückte. Etwas zerknirscht bemerkte er die Anzahl der im Zimmer vorhandenen Personen. "Meeting...." bemerkte Sha'kafir trocken. "Was sich noch hinauszögern könnte. Sind sie so freundlich, ein weiteres Zimmer zuechtzumachen ?" Und wie freundlich der dunkelhaarige, leicht untersetzte Mann war, nachdem ein recht großer Geldschein den Besitzer gewechselt hatte. "Das Zimmer nebenan ist noch frei. Ich werde ihnen den Schlüssel umgehend aushändigen." Kein Wort von Formalitäten, sicher würde er später bei der Abreise nach einer entsprechenden Unterschrift fragen.

Als endlich der Hotelpage verschwunden war, faltete Krutari die Karte auf dem Bett aus und die Zwillinge vertieften sich darin. Günstigerweise hatte der Hotelpage auch an einen Restaurantenführer gedacht, alle möglichen Schauplätze nächtlicher Aktivitäten waren ebenfalls darin aufgeführt.

Sowohl Col wie auch Alejscha hatten sich derweil weiterhin den Aufzeichnungen gewidmet und sahen gerade eben die Bilder durch, die der junge Forscher von der Kapelle gemacht hatte, in der er und Shak fast verschüttet worden wären, als dieser ihnen die Getränke brachte. Ein kurzes, dankbares "Ah, das hatts jetzt gebraucht ... ich hab schon gar nicht mehr daran gedacht." wispernd, sah Col zu dem Vampir hoch - doch dann seufzte er nur wieder, als dieser sich gar nicht mehr um ihn kümmerte, sondern mit seinem Bruder zusammen die Karte durchsah und eine Disco nach der Anderen durchdiskutierte, ob sie wohl geeignet wäre. Der junge Werpanther hatte sich auch bedankt, doch nur mit einem Nicken, da der Vampir ihn so oder so nicht mehr beachtet hatte. Als er nun einen Schluck Wasser nahm, fühlte er, wie auch sein Hunger erwachte ... doch er trank noch ein wenig mehr von dem Wasser, schnappte sich dann die Schüsseln mit den Crackern und stellte sie zwischen sich und Col, damit sie sich wenigstens damit ein wenig den Magen vollschlagen konnten, ein Angebot, das der junge Forscher auch gerne annahm.

Sha'kafir und Kruatri hatten sich dann für eine Kneipe am anderen Ende von Trier ausgesucht. Das sollte eine kleine gemütliche Bude sein, mit kleinem Tanzparkett und guter Küche. Begleitet wurde alles von einer stimmungsvollen Musik. "Na das hört sich doch gut an." Krutari fingerte an seinen Sachen herum und nickte nur. Die sollten noch reichen. Im nächsten Moment floßen seine schwarz gefiederten Flügel aus dem Rücken und Krutari bewegte dabei den Kopf und Schultern so, daß sich die Wirbel im Genick knackend lösten. Er ging aufs Fenster zu und öffnete es. Als sich seine Krallen um den Fensterrahmen legten, um sich in die Nacht zu katapultieren, sah er noch einmal zurück zu Alejscha. "Nicht fremdknabbern und erst recht nichts hier in der Gegend! Ich bring dir was mit!" Dann schoß er in die Nacht hinaus. Sha'kafir schlug eben grade auch seine Flügel zurück, ging auf das Fenster zu, während sein Blick noch auf den beiden Forschern lag. Warnend sah er Alejscha an. Er wußte nicht, wie gut sich der Werpanther im Griff hatte und ließ Col nur ungern ohne Schutz zurück. Dennoch folgte er seinem Bruder in die Nacht.

Wenig später landete sie auf einem niedrigen Dach in der Nähe der Kneipe. Während sie in eine dunkle Gasse hinabsprangen, verwandelten sie sich zu ihrem menschlichem Äußeren zurück und traten dann hinaus in das Straßenlicht. Die Gegend hier war als eher ruhig zu bezeichnen, kaum Verkehr und kaum Nachtschwärmer auf der Straße. Sha'kafir ging vor und öffnete die Tür der Kneipe. Eine Qualmwolke und laute Musik kam ihm entgegen und er knurrte leise. Langsam ging er hinein und Krutari folgte ihm. Damit er nicht gegen den Lärm hier drinnen anbrüllen mußte, orderte er beim Wirt zwei Bier vom Faß per Handzeichen. Dieser lächelte nur, da ihm die Art und Weise der Bestellung gefiel. Ein freier Tisch war schnell gefunden, an dem sich die Zwillinge niederließen. Natürlich war ihr Erscheinen nicht unbemerkt geblieben. Dazu fielen die Beiden zu sehr zusammen auf. Wenig später kam die Bedienung mit dem Bier und stellte es vor den Vampieren hin. Krutari bezahlte gleich und das Mädchen verschwand wieder hinter der Theke. Sacht an dem Getränk nippend, sahen sich Beide um und suchten nach potentiellen Opfern. Krutari fing derweil ein Gespräch an "Wie sieht es zwischen dir und Col wirklich aus? Hast du ihm gesagt, was du...." Sha'kafir unterbrach Krutari "...fühlst? Nein. Also.. ich habs nur angedeutet...Ich... wüßte nicht, wie...." Schallend lachte Krutari auf "Das sieht dir ähnlich. Ist es denn für dich so schwer, dich zu binden? Das Blutband besteht zwischen euch doch schon. Er könnte dich nicht einmal abweisen." Sha'kafir schüttelte den Kopf "Das ist es ja. Sein Wille ist nicht frei. Er hat das Blutband nicht in seiner Natur erkannt. Dennoch kann ich fühlen, daß er wirklich liebt. Aber..." Sha'kafir suchte nach Worten. Kruatri lehnte sich zurück und sah seinen Bruder aus den dunkelblauen Augen an, deren bernsteinfarbener Rand zu funkeln begannen "Mann, dich hat es ja wohl voll erwischt. So gefühlsduselig hab ich dich noch nie erlebt. Du hast dir doch sonst immer genommen, ohne zu fragen!" Sha'kafir verengte die Augen "Ja... klar.. nur Col steht in der Schußlinie... und das nur wegen mir...." Er winkte ab. Krutari erkannte, daß es unangenehme Formen für seinen Bruder annahm. Dieser mußte sich erst an den Gedanken gewöhnen, nicht mehr der einsame Krieger zu sein. Sicher, Sha'kafir würde sogar erpreßbar werden. Sha'kafir drehte den Spieß einfach um, um abzulenken. "Und du und Alejscha?" Krutari schmunzelte und zuckte mit den Schultern "Er ähnelt so verflucht Enrico... " Sha'kafir nickte. Er wußte, was seinen Bruder mit Enrico verbandt, auch wenn es sonst kaum ein anderer wußte. "... und ist über beide Ohren in mich verliebt." Krutari lachte amüsiert auf "Und seinem Verlangen weiß ich bald nichts mehr entgegenzusetzen..." Sha'kafir nickte. Er hatte gesehen, was die Beiden bisher mit einander getrieben hatten. Aber sie endeten an dieser Stelle ihr Gespräch, da sich zwei Mädchen zu ihnen gesellten. Somit wechselte schnell das Thema und die Zwillinge zogen die beiden Frauen in ihren Bann. Wenig später teilten sich die 4 ein Zimmer über der Kneipe und hatten das Flirten von vorhin hier oben in die Tat umgesetzt. Daß sich die Zwillinge ebenso leidenschaftlich berührten und küßten, verwirrte die Mädchen nur am Rande. Sie wurden per Hypnose willig gehalten und verloren mit jedem Kuss ein Stück ihres Lebens. Einige Stunden später hockten die Zwillinge Rücken an Rücken an einander am Fußende des breiten Bettes. Sha'kafir rauchte und sah auf die beiden Mädchen, die sich wie schlafend auf den Laken räkelten. Ihre Brüste hoben sich aber nicht mehr, da sie keinen Atem mehr in sich aufsogen, der sie mit Leben versorgte. Süß kreiste ihr erhitzes Blut in den Adern der beiden Vampire. Einige Zeit später standen die Zwillinge am Fenster, jeder hielt eines der Mädchen auf den Armen und Krutari sah sich noch einmal prüfend im Zimmer um, daß auch ja nichts mehr von ihrer Anwesenheit hier zeugte. Die beiden Leichen wurden dem Fluß übergeben. Als der Sonnenaufgang nur noch einige Stunden entfernt war, standen Krutari und Sha'kafir wieder in dem Hotelzimmer, wo sie Col und Alejscha zurück gelassen hatten.

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Rom

Aus einer Nobeldisco schallten Bässe auf die Straße hinaus. Die Neonlichter erhellten den Nachthimmel und ersetzte die Sterne über der ewigen Stadt. Das Licht zog partyliebende Menschen wie die Motten an. Eine ewig lange Schlange stand vor dem Eingang der "Bloody Mary", welcher von vier Bodyguards bewacht wurde. Sie waren in schwarze Anzüge gehüllt, die ihre bulligen Körper fast zu sprengen drohten. Jeder von ihnen besaß ein Namensschildchen und ein Ohrstöpsel, worüber sie jederzeit kommunizieren konnten. Niemand kam an ihnen vorbei, der nicht nach etwas aussah oder auf der Gästeliste stand.

Eine schwarze Limousine fuhr vor und hielt direkt vorm Eingang an der Straßenseite. Mehrere bewaffnete Männer stiegen aus, ein paar wieselten herum zur hinteren Autotür und machten sie auf. Ein blonder Hüne mit blauen Augen und dunkel blauen Anzug kam zum Vorschein. Er lächelte, als er die Menschen vor dem Eingang sah und schüttelte den Kopf. Er machte ein paar Schritte auf den Eingang zu und wartete. Hinter ihm spuckte die Limousine noch zwei leidlich attraktive Mädchen aus. Eine hatte schwarze, glatte Haare und ein aufreizend geschnittenes Kleid an. Schwarzer Stoff umschmiegte die Schöne im gewagten Stil. Das bodenlange Kleid war an der linken Seite bis knapp über den Hüftknochen aufgeschlitzt, so dass man die Träger ihres Höschen sehen könnte, würde sie eines tragen. Der Rücken war bis knapp übern Po ebenfalls komplett frei. Die Schwarzhaarige begab sich zu dem Hünen und schmiegte sich an seine rechte Seite. Danach kam eine dunkelrothaarige Frau zum Vorschein und schien die verkörperte Sünde selbst zu sein. In weichen Locken wallte ihr Haar über ihre freiliegende Schulter. Ihr Körper wurde von schwarzem Lack nur wenig verhüllt. Ein knapper Minirock mit silbernen Kettchen verziert, ein enges Lackmieder zauberte ein atemberaubendes Dekolte. Sie schmiegte sich an die linke Seite des Blonden. So marschierte das Trio auf den Eingang zu. Ohne sich anstellen zu müssen, wurden sie einfach kommentarlos eingelassen. Einige Stimmen wurden in der Schlange der Wartenden laut, die das wohl nicht billigen wollten. Doch darauf achtete Niemand.

Als die drei den großen Tanzsaal betraten, ging ein knappes Raunen im Eingangsbereich durch die Clubbesucher. Aber das verlor sich bald in der treibenden Musik. Eine Lasershow bot den Gästen unter anderem eine Abwechslung. Unter der Decke hingen mehrere Käfige, in denen Gogos sehr aufreizend tanzten. Das Motto heute Abend schien irgendein Fetisch zu sein. Denn die Schönen waren in Lack und Leder gekleidet, hatten Zierfesseln am Körper und waren in den Käfigen angekettet. In zwei kleinen, höher gelegen Logen wurde je eine SM-Show geboten. Auf der einen Seite wurde ein nacktes, hübsches Mädchen kopfüber an ein x-förmiges Kreuz gebunden und von einer Frau und einem Mann scheinbar gezüchtigt. Sie hantierten mit Feuer, Vibratoren, Klammern und Nadeln. Auf der anderen Seite wurde ein Junge gerade auf alle Viere per Peitsche gezwungen. Er mochte vielleicht erst 17 oder 18 Jahre alt sein. Ein Kettenkostüm zierte den dünnen Körper. Er hatte ein dickes silbernes Halsband an, woran eine schwere Kette hing. Diese endete in den Händen eines vermummten, muskelbepackten Mannes, der jetzt kräftig an der Kette zog. Der Junge hatte sogar Tränen in den Augen und spielte den Ängstlichen. Der Knebel in seinem Mund verhinderte ein schmerzvolles Aufstöhnen, als der Vermummte von hinten in ihn eindrang. Niemand sah die Kratzspuren auf dem Holzboden, die die inzwischen blutigen Fingernägel des Jungen hinterließen. Ein Blick zurück zur anderen Loge zeigte, wie sich der Mann von der Gekreuzigten gerade einen blasen ließ, während die Frau genießerisch mit den Fingern in ihre Scheide eindrang und mit der Zunge ihren Kitzler bearbeitete. Die Körper der beiden ‚Opfer’ wiesen Wachsspuren und leicht gerußte Haut auf.

Der blonde Hüne lächelte sinnierend, verlor sich für einen Moment in dem Anblick, der sich ihm da bot. Daß das keine Show war, sondern brutale Realität für die beiden Opfer, wussten nur Eingeweihte. Die Beiden würden den Morgen nicht mehr erleben und auf wunderlicher Weise spurlos verschwinden. Dann entwand er sich den beiden Schönen, küsste Beide ausgiebig, was die Feuerwehr beinahe auf den Plan gerufen hätte und setzte letztendlich seinen Weg fort. Er strebte eine Hintertür an, stieg eine enge Treppe hinauf und kam auf eine weitere Tür zu. Diese war elektronisch gesichert und dazu noch gepanzert. Eine Kamera aus der linken Ecke surrte leise, als sie den Blonden ins Visier nahm. Dann schnarrte der Türöffner und die Panzertür schwang einen Spalt weit auf. Den Rest drückte der Blonde allein auf und trat in das dahinter liegende Zimmer. Mit einem müden Lächeln durchschritt er den Metalldetektor, der natürlich ansprang. Aber keiner der zehn anwesenden Wachmänner reagierte darauf. Der Blonde war nur zu gut bekannt hier, somit durfte er auch mit Waffen zum Chef. Dieser saß in einem hohen Ledersessel, zog genießend an seiner Zigarre und blies den feinen Rauch in dünnen Kringeln wieder aus. Kalt lächelnd, sahen sich die beiden Männer an. Der Rauchende schwang die Beine vom Schreibtisch und setzte sich etwas auf, reckte dabei die Hand dem Eintretenden entgegen. "Sei mir gegrüßt, Sandego." Dieser ergriff die Hand und drückte kurz als Begrüßung zu. Knapp nickte er. "Warum hast du mich rufen lassen, Tentruh?" Tentruh legte die Zigarre in einen Aschenbecher vor sich und sah Sandego an. Sein Blick war todernst, dass es dem Blonden kalt den Rücken runterlief. "Krutari ist tot!" verkündete er. Sandego schnappte sichtlich nach Luft und blinzelte ein paar Mal, als wäre das ein schlechter Traum. Doch Tentruh wiederholte seine Worte, während er sich durch die glatten, blauschwarzen Haare fuhr. "Er ist tot! Und seine Truppe auch." Er lehnte sich zurück in den Sessel und sah seinen Gegenüber eindringlich an. "Du weißt, was das bedeutet. Amar wird uns rufen lassen. Also halte dich und deine Jungs bereit. Wir werden den Krieg fortsetzen müssen!" Sandego nickte abwesend. Es war ein harter Schlag für ihn. Krutari. Das war der beste Krieger in der Familie gewesen. Leise sprach er "Die Reihen dieser Bastarde werden unruhiger. In letzter Zeit fanden sehr viel mehr Übergriffe auf unsere Familie statt. Einige strategisch wichtige Punkte sind ausgefallen. Sie töten gezielt unsere Verbündete in machtvollen Positionen. Krutari war wohl ihr größter Erfolg in letzter Zeit." Er sah auf und Tentruh an "Ob sie etwas wissen?" Tentruh schüttelte entschieden den Kopf "Nicht einmal die Familie weiß über alles Bescheid, was Amar veranlasst hat. Sha’kafir ist nun schon ein ganzes Jahr ununterbrochen unterwegs in geheimer Mission. Was er tut und ob es Erfolg hat, sickerte an keiner Stelle durch. Nur Amar weiß wirklich alles." Sandego erhob sich und nickte. Er wusste was jetzt zu tun war und verabschiedete sich.

Wenig später in der Nacht hallten weitausholende Schritte durch eine alte Halle mit fast schwarzen Steinen. Am Ende war der prunkvolle Thron, auf den Amar geruhte, seine Leute zu empfangen. Traurig sah er dem blonden Hünen entgegen. Dieser ging ca. 20 Schritt, bevor er Amar erreicht hatte auf ein Knie runter und neigte den Kopf "Herr. Ich habe soeben von eurem Verlust erfahren." Amar hob seine knochige Hand und verbot mit dieser stillen Geste jedes weitere Wort des Blonden. "Mein Herz tut weh, Sandego. Geh und bring mir den Kopf des Mörders meines Sohnes. Jetzt ist es an dir und Tentruh unsere Familie zu schützen. Leite alles Nötige in die Wege, rüste deine Leute zum Krieg. Du hast freie Hand. Befreie Rom von dieser ungehörigen Plage und fordere Rache für mich ein." Amars Worte klangen feierlich. Es war fast wie ein Ritterschlag für Sandego. Seine Stellung in der Familie hatte sich verbessert, auch wenn die Begleitumstände alles andere als begrüßenswert waren. Demütig verneigte er sich erneut und trat den Rückweg wortlos an.

Erst als er vor dem Eingang des großen alten Gemäuers stand, klappte er den Kragen hoch als würde er frieren. Dann sah er sich noch einmal um, musterte das Anwesen und verschwand in der Dunkelheit.

Einige Zeit später stieß Sandego eine Tür zu einem Pub auf. Mehrere Männer sprangen von ihren Stühlen auf und hatten blitzschnell ihre Waffen in den Händen. Schwarze Revolvermündungen zielten auf den Blonden. Dann kam ein entnervtes Seufzen. "Sandego, was soll der Mist?" Doch nicht wie sonst, erhellte sich der Blick des Blonden, wenn er zu dieser Truppe stieß. Er sah den Redensführer eindringlich an. Dieser schien zu begreifen "Es ist soweit ?!?" Sandego nickte nur. Der bullige Mann ließ sich langsam auf seinen Sitz sinken und kratzte sich mit dem Revolver an der Schläfe. Er schloß kurz die Augen und schien zu überlegen. Dann sprang er wieder auf "Los, ihr dreckigen Hunde. Wir sind ab sofort im Dauereinsatz. Damit das klar ist! Ich will kein Gemecker hören und nur Taten sehen. Vergeßt nicht, was ich euch gezeigt habe und jetzt verpisst euch in eure Verstecke." Es war nicht zu übersehen, dass dieser Mann mit den kurzen dunkelbraunen Haaren einmal zur Army gehört hatte. Sein Ton und sein Gebärden sprachen dafür.

Wenig später standen die Vampire in voller Montur in der Gasse, wo Krutaris Truppe geschlagen worden war. Sandego ließ die Männer verteilen und ausschwärmen. Tentruh trat zu ihm heran "Ich werde versuchen heraus zu finden, was hier passiert ist. Du such den Eingang zu ihrem Unterschlupf und räuchere sie aus!" Beide sahen sich für einen Moment stillschweigend an, dann folgte ein Handschlag und eine Umarmung, die wie ein Ritus aussahen. Tentruh wartete noch eine Weile, bis er anfing, mit seinen Sinnen die Gasse auszuloten.

Mit hohem Alter entwickelten einige Vampire besondere Fähigkeiten. Aber von diesen besonderen Vampiren gab es kaum noch welche. Sie wurden gezielt als erste in diesem Krieg getötet und andere wurden erst gar nicht so alt. Tentruh war einer der wenigen, die weit mehr als fünf Jahrhunderte zählten. Und er war eine Art Medium geworden. Wenn er Personen oder Gegenstände berührte, bestand die Möglichkeit, dass er eine Vision bekam. Was sie zeigte, war meist wie ein Traum, und Tentruh musste heraus finden, ob es mit der Vergangenheit oder der Zukunft zu tun hatte. Außerdem hatte er einen ganz eigenen Spürsinn. Es war immer nur ein unbeschreibliches Kribbeln, wenn er auf etwas stieß, was eine größere Bedeutung hatte.

So erfasste auch jetzt ein Kribbeln seine Sinne. Insgeheim hatte er wieder begonnen, an den Tod von Krutari zu zweifeln. Wollte ihn sein Spürsinn darauf aufmerksam machen, dass er so falsch nicht lag? Er konzentrierte sich und ging die Gasse ab. Nichts sah hier nach einen Kampf aus, nicht mal für die sensibilisierten Sinne eines Vampirs. Hin und wieder berührte er Wand oder Boden und kam letztendlich zu der Stelle, wo das Parkhaus zusammengebrochen war. "Tentruh, wir haben den Eingang." Er nickte Sandego zu, "Seid vorsichtig!", und widmete sich wieder dem Geröll. Und da kam die Vision. Er sah den Sturz von Krutari und Alejscha. Mit weit aufgerissenen Augen sah er auf den Stein, den er berührt hatte. Es dauerte einiges an Zeit, bis sich Tentruh den Weg durch die Geröllmaßen gesucht hatte, um tiefer zu kommen. Er musste einige Steine wegstoßen und andere durchschlagen. Dann fiel er fast selbst in die Tiefe, konnte sich im letzten Moment an einen Stahlträger festhalten und sah unter sich. Ein Hohlraum. Er ließ sich fallen und kam federnd auf. In Hockstellung sah er sich um und fand die Stelle, wo Krutaris Bein aufgespießt worden war. Da klebte noch Blut. Krutaris Blut! Stirnrunzelnd zerrieb er die getrocknete Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger. Das bedeutete aber, das Krutari nicht tot war. Oder? Es hätte sich doch verflüssigen müssen. Irgendwas stimmte hier doch nicht! Dann sah er den einzigen Ausgang aus diesem Raum und folgte ihm. Ein Labyrinth von Gängen musste Tentruh durchforsten und stand Stunden später in einem kleinen Raum, wo nur eine Matratze lag, eine Klamottentruhe stand und ein Schreibtisch. Verächtlich rümpfte er die Nase. Es roch nicht gerade angenehm hier unten. "Dreckige Bastarde!" fauchte der Vampir ungehalten. Er ging auf die Matratze zu und berührte diese. Eine neue Vision erschütterte Tentruh. Bestürzt wich er von der Matratze fort. Was er gesehen hatte, trieb ihm einen bitteren Geschmack auf die Zunge, als würde er sich übergeben müssen. Er hatte Krutari gesehen, wie er sich an einem Werpanther vergangen hatte. Erste Gedanken über die Notwendigkeit vertrieben den Ekel. Er hatte die Wunden gesehen, die Krutari davon getragen hatte. Doch zu mehr kam er nicht. Den Schatten hatte er zu spät registriert, war noch zu sehr von der Vision gebannt. Als nächstes traf ihn ein harter Schlag, der ihm die Besinnung raubte.

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