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”Das Thai-Restaurant” 01
 

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Es war ein wirklich gelungener Coup gewesen. Ricky freute sich wie ein Schneekönig. Zu erst war er ja sauer gewesen, als ihn der Boss der Tokyoter Yakuza nach Berlin geschickte hatte, wo er eines der kostbaren Farbergé-Eier aus dem Museum stellen sollte. Der Auftrag war so was von einfach, dass er es schon fast als Beleidigung seiner Fähigkeiten ansah. Immerhin war er das Phantom. Diesen Spitznamen hatte der Sohn eines Yakuza und einer Deutschen von der Polizei seiner Geburtstadt bekommen, da man ihn noch nie gesehen hatte und die Ordnungshüter ihn nur immer an seiner "Arbeit" erkannten. Saubere Einbrüche, keine Zerstörung, keine Fingerabdrücke und die Bestohlenen merkten oft erst nach langer Zeit, dass ihnen etwas fehlte und dann war Ricky, der eigentlich Takashima Richard Kenjiro hieß, schon lange über alle Berge. Ebenso legendär waren seine Balancekünste. Ricky hatte ein phantastisches Gleichgewichtsgefühl, er konnte auf allem balancieren, egal wie schmal oder wie schwankend es war und in Tokyo ging das Gerücht, er könne sogar auf einer Bleistiftspitze balancieren, aber das war natürlich nur ein Märchen.

Nun huschte Ricky über die Dächer, die hier viel breitere Dachfirsten hatten als in Tokyo und die für ihn geradezu wie Spazierwege waren. Lächelnd betrachtete er das Farbergé-Ei in seiner Hand und da passierte es. Er übersah einen losen Dachziegel, stolperte und rauschte das Dach hinunter. /Nur nicht das Ei fallen lassen!/, war sein wichtigster Gedanke. Dann wurde es kurzfristig dunkel um ihn. Als Ricky wieder klar sehen konnte, lag er in einer hellerleuchteten Großküche, mitten in einem See aus Glassplittern, mit dem Hintern in einem der großen Spülbecken. Verdattert blickte er sich um, sah die erstaunten Blicke der Umstehenden und dann blieb sein Blick an den dunkelbraunen Augen eines jungen Asiaten hängen, der ihn mit offenem Mund anstarrte.

Grinsend schlug Chiat seinem jungen Küchengehilfen auf die Schulter. "Das macht nichts.", sagte er und goss den mit viel zu viel Fischsoße angemachten Dip weg. "Machs einfach noch mal!"
Die Küchenhilfe nickte lächelnd und drehte sich weg, um einen neuen Dip anzurühren, während Chiat sich eine Möhre vornahm und daraus einen Schmetterling schnitzte, den er dann auf ein Hauptgericht setzen konnte.
Plötzlich regnete es Glassplitter und ein Mensch segelte durch das Dach. Mit dem Hintern landete er in dem linken Teil der Spüle und Chiat starrte ihn aus großen Augen an.
Alles Gute kommt von oben, huschte es ihm durch den Kopf, doch der Mann vor ihm wirkte nicht gerade vertrauenswürdig, dazu kam noch das teuer aussehende Ei in dessen Hand.
"Das ist meine Küche!", stellte er lächelnd fest und reichte dem Fremden dennoch die Hand, um ihm aus der Spüle zu helfen. Seine Unsicherheit ließ er sich durch nichts anmerken.

Ricky ließ sich aus der Spüle helfen. "Chikusho! [Scheiße!]", fluchte er herzhaft, als er mit nassem Hinterteil wieder festen Boden unter den Füssen hatte. Dann besann er sich auf seine gute Erziehung und sagte zu dem etwas kleineren Mann: "Danke." Er versuchte gar nicht erst, dass Farbergé-Ei zu verbergen. "Ähm, ...wo geht es denn hier raus?", fragte er ohne diese faszinierenden Augen des anderen aus dem Blick zu lassen. Er war es ja gewohnt, immer braunäugige Menschen um sich zu haben, aber diese Augen hatten irgendwas besonderes, etwas, das ihn magisch anzog.

Chiat ging auf die Frage des Mannes gar nicht ein. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er sah in die Runde und nickte seinem Beikoch zu, der sich unauffällig zum Lieferanteneingang verzog.
"Ich hoffe mal, Sie haben eine gute Haftpflichtversicherung, die für den Schaden aufkommt."

Ricky sah den Anderen entgeistert an. "Was?"', fragte er etwas dümmlich. Er blickte sich vorsichtig um und sah, dass einer der Männer sich langsam in den Hintergrund schob. /Der Lieferantenausgang ist also schon mal gecancelt./, resümierte Ricky. /Also Flucht nach vorn und quer durchs Restaurant oder was auch immer das hier ist./ Er bewegte sich langsam in die Richtung, in der er den Ausgang zum Lokal vermutete.

Das Lächeln in Chiats Gesicht erstarb nicht. Weiterhin betrachtete er den Mann vor sich und gab mit den Fingern nur ein kurzes Zeichen, damit jemand den Kellnern Bescheid gab.
Chiat verstellte dem Fremden geschickt den Weg, wenn er jetzt an ihm vorbei wollte, dann musste er entweder über die riesige Spülmaschine hechten, was gar nicht so einfach wäre oder aber er musste an dem Regal mit den Tellern vorbei.
"Sie werden doch eine Versicherung haben?", erkundigte sich der Thai noch mal, dann sagte er in seiner eigenen Sprache, sodass ihn der Fremde nicht verstand, dass jemand den Chef anrufen und die Polizei informieren sollte. "Wer soll sonst für den Schaden aufkommen? Ich?"
Der Thai stellte sich auf alles ein, sogar darauf, dass der Fremde sich den Weg freischlagen würde.

Gehetzt blickte sich Ricky um. Diese Situation war ihm vollkommen fremd, denn noch nie war er bei einem Bruch oder auch danach erwischt worden, er kannte sich also mit so etwas gar nicht aus. So wie der Thai jetzt stand, war ihm der Weg durch das Lokal auch versperrt. Der Blick der dunkelgrauen Augen hetze durch die Küche, blieb an dem See aus Glassplittern und Wasser neben der Spüle hängen. Kurz blickte Ricky nach oben zu dem Oberlicht, durch das er eben gerade gefallen war, dann hinüber zu dem Regal mit den Tellern und wieder zurück zu dem Asiaten vor ihm. Unauffällig steckte er das Farbergé-Ei in eine Tasche seiner Jacke. Nun hatte er beide Hände wieder frei. Noch einmal blickte er in diese faszinierenden braunen Augen, dann sprintete er los. Fast aus dem Stand sprang er auf das schmale Geschirr-Regal, balancierte geschickt darauf entlang, sprang auf das Oberlicht zu und bekam den Rand zu fassen. Ein eleganter Aufschwung und Ricky konnte sich hoch auf das Dach stemmen. Noch einmal blickte er hinunter in die Küche, traf auf den Blick der braunen Augen des Kochs und murmelte ein leises "Oyasumi nasai [Gute Nacht]"

Chiat kam gar nicht mehr dazu den Fremden aufzuhalten, der so schnell, wie er hier gelandet war, auch wieder verschwunden war. Irritiert sahen er und die anderen in der Küche sich an, als seine Küchenhilfe wiederkam und ihm mitteilte, das der Chef und die Polizei verständigt waren und schon vernahm er die Sirenen.
"Na toll.", brummte er. "Und ich darf den ganzen Mist jetzt ausbaden. Ich geh mal vor in den Gastraum und erklär den Gästen, dass es etwas länger dauert mit dem Essen. Das hier können wir ja nicht mehr anbieten. Überall können Glassplitter drin sein."

Mit einem leisen Seufzen legte Dimi den Grafitstift beiseite und klappte den Zeichenblock zu, legte auch diesen auf seinen Couchtisch - betrachtete die hereinbrechende Nacht und überlegte, ob er noch zum Einkaufen gehen sollte oder nicht vielleicht doch .... "Nein, nicht schon wieder Pizza - die kommt mir langsam zu den Ohren raus. Mal sehen, was es sonst noch gibt ...." Leise zu sich selber wispernd, nahm der schlanke Maler das Telefonbuch heraus und blätterte ein wenig darin - sah sich die Adressen der einzelnen Restaurants an und seufzte leise, ehe er das Buch wieder weglegte und nickte. 'Hm.... vielleicht sollte ich mir mal wieder was gönnen. Das letzte Mal, dass ich essen gegangen bin, war mit .... vergiss es einfach.' In Gedanken mit sich selber hadernd, reagierte Dimi schon längst und schlüpfte in seine Stiefel, die schwarze Lederjacke vom Haken nehmend - zog auch diese über und band die langen, weißblonden Haare im Nacken zusammen, steckte noch Schlüssel, Handy und Geldbeutel ein und machte sich auf den Weg zu dem Thai-Restaurant, das im letzten Jahr nicht allzu weit entfernt geöffnet hatte.

Ohne weiter auf seine Umgebung oder die noch flanierenden Menschen auf den Straßen zu achten, ging der junge Maler weiter, dabei ein wenig nachdenkend .... stockte erst, als er schließlich vor dem Restaurant ankam und musterte dessen Namen, das eher dezent gehaltene Mao Thai und nickte. 'Wird schon was sein ... Richard hat immer davon geschwärmt, wenn er ... hör auf, an ihn zu denken.' Leise, stille Gedanken, die Dimi beschäftigten, als er eintrat - sich schließlich in eine eher stillere, dunklere Ecke setzte und die Jacke über den Stuhl hängte, dem Ober freundlich zunickend, als dieser ihm eine Speisekarte brachte.

Chiat fuhr sich mit den flachen Händen übers Gesicht, dann nahm er seine Kochmütze ab und näherte sich der Klapptür. Hinter dem braunen Holz blieb er stehen, ehe er die Tür ein Stück in den Gastraum drückte und hindurch spähte. Die Gäste verhielten sich ruhig, ganz normal. Sie schienen nichts mitbekommen zu haben. Gerade eben kam sogar noch ein neuer Gast und suchte sich die ruhige, gemütliche Nische aus, die auch Chiat so sehr mochte. Sein Blick glitt über den zart wirkenden Mann.
Reiß dich zusammen, Chiat, rief er sich zurecht, ehe er in den Gastraum trat.

Ricky war auf dem Dach nur einige Schritte weit gelaufen, gerade so weit, dass man ihn durch das zerstörte Oberlicht nicht mehr sah. Dann blieb er stehen. Wieso hatten ihn die braunen Augen des Chefkochs, denn irgendwie war er sich sicher, dass der gutaussehende Asiat der Chef der Küche war, wieso hatten ihn diese Augen so gefesselt? /Heh, Takashima Richard Kenjiro, dass war ein Kerl!!/, rief er sich selber zur Raison. /Seit wann interessieren dich Kerle?/ Die Sirenen der heranstürmenden Polizei rissen ihn aus seinen Gedanken. Immer wieder war er von dem Lichterspiel der Signallichter der Polizeiautos fasziniert, egal ob in Tokyo, New York, Hongkong oder hier in Berlin. Sein Sensei hatte ihn oft dafür gerügt, dass er nach einem Bruch in der Nähe blieb oder sogar Tage später zurückkehrte, nur um aus sicherer Entfernung die Ermittlungen zu beobachten, wenn man endlich den Einbruch und den Diebstahl bemerkt hatte. Ricky hatte sich dann damit verteidigt, dass er aus den Ermittlungen und dem, was die Polizei herausfand, nur lernen könne und diese Fehler beim nächsten Mal nicht wieder zu machen. Das er einen kindlichen Spaß an den funkelnden Lichtern hatte, sagte er natürlich nicht. Leider konnte er heute nicht lange bleiben, denn das Intermezzo in der Küche hatte ihn schon genug Zeit gekostet. Sein Kontaktmann wartete bereits seit einiger Zeit am Treffpunkt und Ricky wollte auch so schnell wie möglich das Ei loswerden. Irgendwie brannte es ihm dieses Mal unter den Nägel. Vielleicht weil ihn zum ersten Mal jemand mit der Beute gesehen hatte. So etwas war ihm vorher noch nie passiert und genau dafür verfluchte er sich. /Hoffentlich hat der Kerl kein gutes Personengedächtnis und die anderen in der Küche auch nicht./, dachte er, denn dann wäre es vorbei mit seinem Spitznamen Phantom. Bis jetzt existierten auf der ganzen Welt nicht ein einzige Bild oder eine Phantomzeichnung von ihm, so dass die Polizei ihn eigentlich immer nur an Hand seiner "Arbeit" erkannte. Ricky hoffte, dass sich das nun nicht gerade geändert hatte.

Gerade hatte sich Dimi eines der Gerichte herausgesucht und wollte bestellen, als er eine Bewegung im Augenwinkel sah. Kurz eine der dunklen Brauen hebend, wunderte er sich, dass der Koch oder Oberkellner - oder was auch immer - aus der Küche herauskam und auf die Gäste sah, zu sprechen ansetzte. Nun doch neugieriger geworden, stützte er das Kinn auf der Hand auf - strich sich nebenher eine der langen Ponysträhnen hinter das Ohr und wartete gespannt darauf, was er zu hören bekommen würde. 'Garantiert, dass die Küche abgebrannt ist oder Ähnliches ... bei deinem Glück? Hundert Pro ... Miesepeter.' Leise, gehässige Gedanken, die Dimi an sich selbst richtete - und auch gleich wieder unterband, als der Asiat Luft zum Sprechen holte.

Chiat holte noch einmal tief Luft, ehe er sein Sonntagslächeln aufsetzte und mit voller Stimme erklärte: "Leider gab es ein kleines Unglück in der Küche..." Eigentlich wollte er weiterreden, doch in diesem Moment, vernahm er aus der Küche die Stimme seines Chefs. Sein Lächeln verflog, doch schnell hatte er sich wieder im Griff. Soeben traten auch die uniformierten Männer durch den Haupteingang. "Ich hoffe sie lassen sich durch die Polizei nicht verunsichern, denn soeben wurde ein Überfall auf uns verübt."
Chiat dachte angestrengt nach. Er konnte den Gästen ja kaum mitteilen, dass ein Mann durch das Oberlicht gefallen und wieder abgehauen war. "Die Getränke gehen natürlich aufs Haus und wenn sie eine Weile warten wollen, dann verspreche ich ihnen, dass sie auch noch ihr bestelltes Gericht bekommen."
Chiat winkte nach Dong und wies ihn an, sich mit den anderen um die Gäste und deren Wohl zu kümmern, danach wies er den Polizisten den Weg.

'Natürlich ... wie sollte es auch anders sein. Na ja, wenigstens sind die Getränke umsonst ....' Leise in Gedanken seufzend, ließ Dimi seinen Blick den Polizisten folgen und betrachtete dabei den Asiaten, der ihnen die Nachricht mitgeteilt hatte - für einen winzigen, unbeachteten Augenblick umspielte ein Lächeln die Züge des Weißblonden, dann fing er sich wieder und schalt sich in Gedanken einen Narren, weshalb dieser ausgerechnet am selben Geschlecht und dann auch noch ausgerechnet an ihm interessiert sein sollte und bestellte bei dem nun an den Tisch tretenden Ober eine große Apfelschorle.

Bevor Chiat die Tür zur Küche hinter sich zuzog, sah er noch mal zu dem hellhaarigen Mann in der Nische. Er lächelte ihn an und nickte leicht, dann verschwand er in der Küche, wo schon sein Chef Kob und die anderen warteten.
Geduldig beantwortete er die Fragen und ließ es über sich ergehen, dass in seiner Küche Fingerabdrücke genommen wurden. Als sich die Uniformierten den Angestellten widmeten, öffnete Chiat den Kühlschrank und holte Khanom Luk Jub (feines, köstliches Mungobohnen-Marzipan, zu Früchten geformt, mit dünnen farbigen Gelee überzogen in den Formen von Bananen, Birnen, Äpfeln und Weintrauben) hervor. Normalerweise bot dies ein Thai-Restaurant nicht an, da diese Süßigkeiten nur in Garküchen auf Märkten angeboten wurde, aber dies war dem jungen Thai egal. Er drapierte die Süßigkeiten auf kleinen Tellern und betrat wieder den Gastraum. Er verteilte die Teller an den Tischen, an denen noch Gäste saßen und freute sich, dass der Mann in der Nische durchgehalten hatte.
Galant stellte er den Teller vor ihm ab, lächelte und wünschte: "Lassen sie es sich schmecken. Eine kleine süße Köstlichkeit."

Völlig in Gedanken versunken noch mal die Speisekarte durchgehend, hatte Dimi den Thai erst bemerkt, als dieser direkt vor ihm stand und ihn ansprach - sah nun ein wenig verdutzt auf die kleinen Früchtchen, lächelte dabei unwillkürlich auf und nickte. "Ich danke ihnen - die sehen herrlich aus, was ist das?"
Während er sprach schon eine der kleinen Trauben aufnehmend, schnupperte Dimi daran - widerstand aber noch und hob fragend eine Braue, da er seine Neugier schon zu oft mit dem ihm unangenehmen Geschmack einer Alkoholpraline bezahlt hatte.

"Das ist eine Art Marzipan aus Mungobohnen.", erklärte er lächelnd. "Kosten Sie ruhig. So was werden Sie so schnell nicht wiederbekommen. Khanom Luk Jub wie es bei uns heißt, gibt es normalerweise in keinem Restaurant. Ich stell nur welche her, weil ich sie gern esse." Chiat musterte den Mann vor sich ganz genau. Die Haare waren ja unendlich lang. Noch nie hatte er so langes Haar gesehen und schon gar nicht bei einem Mann. "Kann ich ihnen bei der Wahl des Essens irgendwie behilflich sein?", erkundigte er sich lächelnd, damit hatte er einen guten Grund noch einen Moment länger bei dem Mann stehen zu können.

Mit einem weiteren kurzen Lächeln bedankte Dimi sich und biss in die kleine Marzipantraube - schloss für einen Moment seine Augen und genoss einfach, ehe er die Traube langsam aufaß und erst dann antwortete. "Die sind wirklich gut - besser als das Marzipan, das man hier eigentlich bekommt. Und selber gemacht? Wow." 'Idiot, der ist wahrscheinlich Koch und kann das - und hör auf zu lächeln, machst dich ja lächerlich.' In Gedanken mit sich selber schimpfend, verbannte Dimi jeglichen inneren Streit und nickte kurz - seufzte dann und nahm die Karte auf, ehe er sich wieder an den Asiaten wandte. "Ja. Ich ... bin ehrlich. Ich habe Angst, das Gericht, das ich aussuche, könnte zu scharf sein ... am Liebsten wäre mir etwas mit Rindfleisch und dieser schmackhaften, dunklen Sauce, auch wenn ich keine Ahnung habe, was das ist ... ich hab's mal von einem Bekannten mitgebracht bekommen. Und ich mag's eben ein wenig milder und wollte nicht wieder süß-sauer nehmen."

Chiat nickte zufrieden. Dem Mann schmeckten die Süßigkeiten. "Ja, die mache ich selber und noch andere Süßspeisen. Ist schließlich mein Job. Ich bin der Chefkoch vom Mao Thai"
Kurz dachte er nach, was er dem Mann empfehlen konnte, ehe er antwortete: "Wie wäre es mit phat-thai-sai-khai nüüa - gebratenen Nudeln nach Thaiart mit Rindfleisch. Ich kann es ohne Chili kochen. Davor empfehle ich eine thom ka gkai - eine traditionelle Suppe mit Huhn, wobei ich sie lieber mit Riesengarnelen mag. Dazu empfehle ich einen Mangosaft oder ein Singha - thailändisches Bier."

"Das hört sich sehr gut an ... und bitte ohne das Chili. Die Suppe mit Garnelen, als Getränk bitte den Saft. Wenn es geht." Die Bestellung wieder mit seiner gewohnten Kühle abgebend, milderte Dimi es mit der ehrlichen Bitte am Schluss ... fragte sich dabei jedoch in Gedanken, wie viele der Gäste wohl immer Extrawünsche hätten und nahm sich derweil automatisch einen Marzipanapfel, ihn in Gedanken genießend. "Diese Früchtchen sind wirklich einmalig ... gibt es die nur bei ihnen? Gekauft sind sie, denke ich, weniger gut, oder?" Ehrliches Interesse zeigte sich während der Worte in seinen Zügen und auch den goldbraunen Augen, da solche kleinen Süßigkeiten eine Schwäche von ihm waren.

Chiat nickte und notierte sich in Gedanken die Bestellung. Er nickte den Polizisten zu, als diese das Lokal verließen. Es schien wohl alles geklärt zu sein.
"Die süßen Sachen gibt es hier sonst auch nicht.", erklärte er lächelnd. "Wie gesagt, ich mach die nur für mich und Freunde. Ich kenne nur wenige Orte hier in Berlin, wo man so was bekommen kann, aber nicht in Restaurants. Sie müssen mal an einem Wochenende in den .....Park (den Namen verschweig ich mit Absicht, sonst wimmelt's demnächst in Berlin nur so von deutschen Frauen, die das essen wollen *g*) gehen. Meine Landsleute treffen sich dort den ganzen Sommer über und da werden Khamon verkauft. Aber sie können ruhig auch wieder hier vorbeischauen, dann bekommen sie welche von mir. Fragen sie einfach nach Chiat."
Chiat entfernte sich nickend von dem Tisch an dem der hellhaarige Mann saß und sagte laut, so dass ihn die letzten Gäste verstanden: "Wir werden jetzt in der Küche aufräumen und dann kommen ihre bestellten Speisen."
Im Kopf ging er noch mal fix die Bestellung des Mannes durch, dann verschwand er hinter der Tür zur Küche.

Ladislaw brummte schlecht gelaunt vor sich hin. Nichts, aber auch gar nichts konnte er mehr machen. Wenn er das ein tat, dann geschah etwas, was er überhaupt nicht mochte. Und wenn er nichts tat, was in seinen Augen die einzige Alternative war, die ihm zur Verfügung stand, dann starb er vor Langerweile.

Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte: Er hasste es, dass er Bewährung bekommen hatte. Jetzt durfte er noch nicht einmal laut auf der Straße niesen, ohne dass er vor den nächsten Richter geschleift wurde.

Abrupt blieb Ladislaw stehen. Rote und blaue Lichter zuckten nervös durch die Straße.

Polizei?

Eigentlich war das kein Menschenschlag, mit dem er es näher zu tun bekommen wollte. Dennoch blieb er neugierig stehen, während er unbewusst, mit leicht nervöser Geste sich durch die schwarzen Haare strich.

Türen klappten laut zu und das alarmierende Funkeln erlosch. Erleichtert seufzte er auf. Was immer der Grund für diesen Einsatz war, er schien beendet. In einem geordneten Chaos fuhr ein Wagen nach dem anderen wieder ab und ließ eine kleine Traube nach möglichst blutigen Neuigkeiten heischende Menge zurück.

War das nicht das Thai-Restaurant, wo die Bullen rausgekommen waren?

Ladislaw hob eine Augenbraue. Kurz überschlug er seine baren Finanzen, dann nickte er und ging zielstrebig auf sein jetzt auserkorenes Ziel zu.

Vielleicht war der Abend ja doch noch für etwas gut.

Geübt legte er ein gewinnendes, aber nicht zu aufdringliches Lächeln auf, schlängelte sich gekonnt an dem sich langsam auflösenden Menschenauflauf vorbei und schnappte dabei ein paar Brocken der recht aufgeregt geführten Unterhaltung auf. Dann war er vorbei und betrat das Entre des Restaurants.

Erst mal tief Luft holend blieb Chiat in seiner verwüsteten Küche stehen. Sein Chef trat neben ihn und erkundigte sich, ob denn trotz allem noch Gäste da waren und diese Frage konnte Chiat zum Glück bejahen. Mit ein paar Befehlen brachte er sein Team in Schwung und kurz darauf war von den Scherben nichts mehr zu sehen und eine Glaser-Firma war auch schon da, um das Oberlicht erst mal mit Holz zu sichern.
Zwei Küchenhilfen kümmerten sich darum, das die offen gestandenen Speisen entsorgt worden und Chiat machte sich an die Thom ka gung und die anderen Vorspeisen die bestellt waren.

Völlig überrumpelt von diesem Angebot, konnte Dimi nur kurz nicken und andeutungsweise lächeln, ehe der Asiat wieder in die Küche verschwand ... strich sich dann über das Gesicht und trank einen tiefen Schluck seiner Schorle, als er über das Gesagte nachdachte. 'Er heißt Chiat, merk dir's ... dieser Park, ich glaub, ich hab schon mal davon gehört - Dimi, du solltest wirklich öfter rausgehen. Nur für sich und Freunde....' In Gedanken versunken, drehte er das Glas in seinen Händen und merkte nicht, dass seine Züge wieder kühler wurden, als sein gewohnter Ernst zurückkam ... dann trank er einen weiteren Schluck und nahm unbewusst seinen kleinen Notizblock heraus, den Druckbleistift aus der kleinen Rille darin und begann, Chiats Gesicht zu skizzieren. 'Wie er das wohl meinte ... macht er das nur, weil ich ihn gelobt habe? Oder zählt er mich zu seinen ... Dimi, du bist ein Träumer. Er hat dich hier zum ersten Mal gesehen, sich gefreut, dass dir die Früchtchen schmecken und ist bestimmt Hetero, bei deinem Glück kann das gar nicht anders sein.'

Neugierig und etwas misstrauisch sah Ladislaw sich um. Irgendwie sah hier alles ziemlich normal aus, auch wenn der Geräuschpegel der wenigen Gäste wahrscheinlich höher als gewöhnlich war.

Der einzige Ruhepunkt schien ein junger Mann etwa seines Alters zu sein. Er fiel nicht nur durch seine Ruhe auf, auch durch sein Äußeres.
Wahnsinn, überlegt Ladislaw mit mildem Erstaunen, solche Haare hatte er noch nie zu Gesicht bekommen.
Irgendwie fast weiß und so lang, wie er sie es bei seiner letzten Freundin nicht waren. Wenn er ehrlich war, war der Typ insgesamt hübscher als jede seiner Freundinnen. Das Leben war ungerecht. Insgesamt fiel der andere auch durch sein eher geschlechtsloses Aussehen auf.

Na, was soll´s, seufzte Ladislaw stumm. Der Typ war mit Sicherheit Model und verdiente sein Geld leichter... Nun gut, er malte. Konnte auch sein, dass er Maler war, Künstler halt. Ladislaw gab sich einen Ruck, als er merkte, dass er erstens auf den Gast starrte und zweitens, dass er im Weg stand, immer noch im Eingang dieses Etablissements. Normalerweise erfasste er Situationen schneller, doch heute...

Wenn hier ein Überfall stattgefunden hatte, dann wirkte einfach alles hier ziemlich normal. Ladislaw wurde neugieriger als zuvor. Jetzt wollte er es wissen und der geistig abwesende blonde Mann schien das perfekte Opfer, um ihm Rede und Antwort zu stehen.

Mit einem gewinnenden Lächeln trat er an den Tisch heran und räusperte sich leise.
"Kann ich Sie mal kurz stören?"

Bei den Worten hochsehend, hob Dimi eine der hellen Brauen - lehnte sich dann zurück und schloss seinen Notizblock, den fremden, jungen Mann vor sich musternd. Groß, vielleicht ein wenig jünger als er selbst - doch um einiges breiter. "Ja? Sie wünschen?" Fast sofort fielen Dimi die teuren Klamotten auf - ebenso das leicht herrische Wesen, das er durch das durchaus gewinnende Lächeln des Anderen nur zu gut erahnte. 'Pass auf, Dimi - eitel und von sich eingenommen. Na, dann sehen wir mal, was er von mir will, vielleicht überrascht er mich ja.' Leise, ein wenig zynische Gedanken, die dem Hellhaarigen durch dem Kopf geisterten - jedoch ohne auch nur einen Funken der Kühle in seinem Gesicht zu ändern.

Lad´s Lächeln wurde breiter. Schnell überschlug er in Gedanken, mit was für einer Art Mensch er es zu tun hatte, und verlegte sich darauf, es mit Vorsicht zu versuchen, gepaart mit einem Hauch von zuvorkommender Höflichkeit.
"Ich wollte hier zu Abend essen, doch dann habe ich die Polizei gesehen.", begann er. "Können Sie mir sagen, was passiert ist?"

"Nur das, was uns auch gesagt wurde - ein Überfall, doch scheinbar nichts Ernstes." Den kühlen Blick über die geschäftig redenden Gäste schweifen lassend, seufzte Dimi innerlich auf - überschlug kurz, wie er ihn am Besten loswurde ohne unhöflich zu sein und sprach schließlich weiter, ehe sein Gegenüber ihm antworten konnte. "Um ehrlich zu sein - es interessiert mich auch nicht besonders, ich gehöre nicht zu den Menschen, die Klatsch lieben. Ich kam ebenfalls hierher, um in Ruhe zu Abend zu essen - und es war mir ehrlich gesagt schon Aufregung genug." In Gedanken noch ein leises 'Außerdem bist du nicht mein Typ und garantiert Hetero....' nachsetzend, hoffte Dimi inständig, dass dieser sich nicht zu ihm, sondern an einen der anderen Tische setzen würde ... jedoch nicht allzu sehr an einen solchen Glücksfall glaubend.

In der Küche herrschte geschäftiges Treiben. Chiat hatte alle Hände voll zu tun. Hier und da probierte er und gab Anweisungen, dann waren endlich die Vorspeisen fertig und Dong begann sie an die Tische zu verteilen. Nur eine der Vorspeisen nahm Chiat an sich, dann betrat er wieder den Gastraum.
Ein leichter Stich durchfuhr ihn, als er einen Fremden an dem Tisch des Mannes sitzen sah, der ihm irgendwie gefallen hatte. Tief atmete er noch einmal durch, ehe er sich der Nische näherte.
"Ihre Thom ka gung.", lächelte er und stellte sie vor dem Hellhaarigen ab. Ein kurzer Seitenblick nur auf den anderen Mann, dann fragte er freundlich nach dessen Wünschen: "Haben Sie sich schon entschieden?"

Fast sofort erhellte sich das Gesicht Dimis, als ein kurzes Lächeln über seine Lippen huschte, dann nahm er mit einem leisen, doch ehrlichen "Danke." die Suppe entgegen - seine Freude darüber, dass Chiat ihm die Suppe persönlich gebracht hatte, wurde jedoch durch den uneingeladenen Tischnachbar merklich vermindert. Die übrigen Früchtchen hatte Dimi wohlweislich auf seine Seite in Sicherheit gebracht, dass der Fremde nicht vielleicht auf den Gedanken käme, sie wären Allgemeingut - dann kam Dimi ein kurzer Gedanke, den er auch sofort in die Tat umsetzte, solange der Andere noch mit der Karte beschäftigt war. "Ähm ... Chiat ... hätten sie vielleicht eine zweite Serviette für die Früchtchen? Ich möchte sie mir gerne mitnehmen, um sie in Ruhe genießen zu können ..."

Chiat konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er zwinkerte dem Mann zu und eilte zu dem Tisch, auf dem schon fertig gefaltete Servietten standen. Er griff nach einer der roten Papierblumen und brachte sie zu dem hellblonden Mann in der Nische. Ohne eine Wort reichte er ihm die Serviette und sah den anderen an, in der Hoffnung, er würde endlich bestellen.

Ein leichter Hoffnungsschimmer glomm in Dimi auf, als er das Zwinkern sah - dann nahm er mit einem weiteren, kurzen Lächeln die Serviette entgegen und bedankte sich, ehe er die Früchtchen einwickelte und sie sorgsam in seine Jackentasche legte. 'Verflixt, wie nur ... Hm ... na hoffentlich setze ich mich da nicht in die Nesseln. Okay, machen wir's über die Hintertür.' In Gedanken einige unverfängliche Möglichkeiten durchgehend, wie er sein Interesse bekunden konnte, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten, entschied Dimi sich schließlich für die Sicherste: Er nahm seinen Notizblock und trennte die kleine Skizze ab, während Chiat mit dem Anderen beschäftigt war - setzte seine Unterschrift an den Rand und schrieb seine Handynummer auf die Rückseite. Dann faltete er den kleinen Zettel noch immer unter dem Tisch versteckt zusammen und ließ ihn im Block drin - legte diesen wieder neben sich auf den Tisch und widmete sich der Suppe, überrascht deren exzellenten Geschmack genießend.

Irgendwie fühlte Ladislaw sich wie in einem falschen Film. Hatte er hier etwas nicht mitbekommen? Etwas zaghaft ließ er die kurze Szene Revue passieren.
Ein kleiner und sich entsetzlich anfühlender Gedanke stieg in ihm hoch. Leicht schluckte er. Sich nichts anmerken lassend und das unhöfliche Gebaren des Hellhaarigen übergehend, setzte er krampfhaft noch einmal sein Lächeln auf und entschuldigte sich mit einem Schulterzucken: "Tut mir leid, ich wollte sie nicht stören."

Sein Gegenüber sah kurz auf und nickte dann.

Ladislaw fühlte sich entlassen und mächtig gedemütigt. Wütend ballte er die Hände zusammen. Mit Mühe hielt er sich zurück und vermied das Knurren, welches ihm in der Kehle steckte.

Nicht hier, setzte er fest, während es langsam in ihm zu kochen begann.

Der Aufenthalt hier war ihm mächtig verleidet worden. Hunger hatte der schwarzhaarige Mann auch keinen mehr. Fast fluchtartig verließ er das Lokal.

Chiat sah dem Fremden nach, als dieser sich eilig erhob und ohne ihn auch nur einmal angesehen zu haben verschwand. Er zuckte mit den Schultern.
"Was war das denn?", fragte er den Blondhaarigen und schüttelte leicht den Kopf, als Dong, ihr Oberkellner, sich ihm nähern wollte.

"Ich weiß es nicht genau ... es schien, als ob ihm irgend etwas eingefallen ist und plötzlich wurde er ziemlich ... wütend. Auch wenn es unpassend ist, aber ich bin froh, dass er ging, bevor noch Ärger aufkam." Dem davoneilenden Schwarzhaarigen nachsehend, zog Dimi kurz die dunklen Brauen nach unten - schüttelte die Gänsehaut ab, die ihm den Nacken herabkriechen wollte und lächelte wieder zu dem Asiaten hoch. "Die Suppe ist vorzüglich, Chiat - ich bin froh, dass ich ihrer Empfehlung gefolgt bin."

"Kann sein.", murmelte Chiat und widmete sich wieder dem Gast. "Schön, dass es Ihnen schmeckt. Empfehlen Sie uns doch weiter." Grinsend wollte Chiat sich schon wieder abwenden, als ihm etwas einfiel. "Ach, sag doch bitte du. Ich mag's nicht so förmlich."

"Gerne. Und wenn wir gerade dabei sind ... ich bin Dimi. Und natürlich werde ich dein Restaurant weiterempfehlen ... ich kenne einige Leute aus dem Internet, die in Berlin wohnen." Ein wenig verlegen strich er sich eine der langen, hellen Ponysträhnen nach hinten und lächelte dabei ... sich den jungen Asiaten unauffällig näher betrachtend. 'Er hat dich geduzt ... ist das jetzt gut oder nur Höflichkeit, ach lass diese Vorurteile, ob er wohl noch mal kommt? Zum Zahlen bestimmt nicht, das machen nur die Ober, verflixt ... Moment.' Seine herzschlaglange, innere Zwiesprache unterbrechend, als ihm ein Gedanke kam, zögerte Dimi noch - gab sich dann selbst einen Ruck und fragte ihn leise genug, dass es die anderen Gäste nicht mitbekamen. "Wäre es vielleicht möglich ... ich meine, könnte ich vielleicht noch eine Portion von diesen Früchtchen bekommen? Natürlich nicht umsonst, ich ... würde mich freuen." 'Herrgott, Dimi, was soll das Gestotter ...' Sich in Gedanken wieder selber scheltend, verstummte der Hellhaarige schließlich und hoffte, dass er Chiat nicht irgendwie vor den Kopf gestoßen hatte.

"Dimi, also.", lächelte Chiat. "Sehr angenehm."
Langsam fand Chiat Gefallen an dem ruhigen Mann, der so höflich und doch so unsicher war. Chiat nahm die unterdessen leergegessene kleine Schüssel an sich und nickte. "Klar, ich bring dir nachher noch welche, jetzt muss ich aber langsam mal wieder in die Küche und mal nachsehen, was mein Stab macht." Er nickte Dimi noch mal zu, dann ging er langsam Richtung Küchentür.
Er gefällt mir, dachte er noch, dann hatten ihn schon wieder die Gerüche der Gewürze umhüllt und er machte sich leise seufzend wieder an die Arbeit.
"Habt ihr an die Nudeln gedacht?", fragte er in die Runde.
"Ja, die sind fast fertig.", antwortete sein Beikoch. "Die waren doch ohne Chili, oder?"
"Ja, ohne Chili.", murmelte Chiat, dem es plötzlich unwahrscheinlich schwer fiel, sich auf das Kochen zu konzentrieren.
Ein Glück, dass wir kein Salz verwenden, sondern alles mit Fischsoße würzen. ich würde jetzt sicherlich alles versalzen, spukte es dem Thai in den Kopf.

Wütend über diese zwei Typen und noch mehr wütend über sich selbst, suchte Ladislaw eine der dunkleren Ecken auf.
Angewidert verzog er das Gesicht, als er penetranten Müllgestank in die Nase bekam. Schnell zog er sich in eine weniger intensiv riechende Ecke zurück. Scheinbar hatte es ihn hinter das Restaurant verschlagen.
Lad zuckte mit der Schulter.

Diese zwei Männer. Das konnte nicht sein. Die waren doch schwul!

Innerlich heulte er auf. Hatte er denn nur mit diesem Gesocks zu tun? Das waren doch keine Männer mehr. Warum eigentlich er? Konnten die ihm nicht aus dem Weg gehen? Nun gut: Er war es gewesen, der seine Neugier nicht im Zaume halten konnte und deshalb zu dem Hellhaarigen gegangen war.
Nur warum kam es ihm mittlerweile vor, als ob die ganze Welt sich gegen ihn verschworen hatte? Erst dieser Jörg, der ihm mächtig auf die Eier gegangen war, als dieser ihm feixend erklärt hatte, dass er der Schwarm von so einer Schwuchtel wäre. Wenn dieser es dabei belassen hätte, wäre alles nicht so gelaufen. Aber natürlich war es ein gefundenes Fressen.

Ladislaw atmete gequält auf. Mit leicht zitternden Finger griff er nach seinen Zigaretten. Noch immer nervös zündete er sich den etwas zerknittert aussehenden Glimmstängel an.
Du siehst langsam Gespenster, erklärte sein Verstand ruhig und ein wenig abfällig. Es gibt doch nicht nur Schwule auf der Welt. Du hast überreagiert und dich selten dämlich benommen.

Ladislaw stieß den Rauch aus und betrachtete abwesend die weiße Wolke. Ja, wahrscheinlich war es so. Er reagierte einfach nur noch überempfindlich, auch wenn er ein Anhänger von Murphies Gesetz war und es diesem entsprach, wenn genau seine Befürchtungen eintreffen würden.

Noch ein leises "Natürlich. Und Danke, Chiat." nachsetzend, blieb das leise Lächeln noch einige Herzschläge auf Dimis Zügen, ehe es wieder hinter seinem gewohnten Ernst verschwand ... da die Nudeln noch ein wenig dauern würden, nahm er seinen Notizblock heraus und grübelte ein wenig darüber, schlug derweil unbemerkt seine Beine übereinander und setzte sich ein wenig schräger hin. Völlig in Gedanken versunken, machte er einige Notizen darüber, welche Motive er in seinem nächsten Auftragsbild verwenden würde ... setzte neben die Notizen winzige, flüchtige Skizzen, um es sich besser zu verdeutlichen und achtete eigentlich gar nicht mehr auf die anderen Gäste um sich herum.

Chiat starrte auf den Feuertopf, der vor ihm stand. Irgendjemand hatte ein Gericht im Feuertopf bestellt, aber er wusste nicht mehr, welches es war. Seufzend drehte er sich um, sah seine Gehilfen an und gönnte sich einen Schluck Wein, der offen neben ihm stand.
"Mach Feierabend!" Dong war durch die Tür getreten und sah Chiat an. "Den Rest schaffen wir allein. In einer Stunde ist sowieso Küchenschluss."
Chiat nickte dankbar. "Ich werde noch was essen und dann verschwinden. Bringst du Dimi..." Chiat schluckte leicht. Er hatte einen Gast einfach mit seinem Namen benannte. "Dem blonden Mann in der Nische seine Nudeln und sag ihm, dass ich nachher noch mal zu ihm komme!"
Dong nickte grinsend, nahm die Nudeln an sich und verließ die Küche. Chiat ließ sich an einem der Zubereitungstische nieder und nahm sich etwas Laab (Nationalgericht, was es ganz selten in 'nem Restaurant gibt, da es aus rohen geschabten Fleisch besteht und ziemlich scharf ist) und Klebereis. Er war froh, dass er wenigstens für die Angestellten des 'Mao Thai' original kochen konnte.

Den flachen Teller transportierend, bemerkte Dong, dass noch gar keine Warmhalteplatte bei dem Mann in der Ecke auf dem Tisch stand.
"Entschuldigung, wir haben die Warmhalteplatte vergessen." Schnell hatte er eine aufgestellt und den Teller mit den Nudeln darauf platziert, dann reichte er dem blonden Mann noch einen Teller.
Er wünschte: "Guten Appetit." und richtete aus: "Chiat kommt nachher noch mal zu Ihnen."

Verdutzt aufsehend, als der Ober ihm seine Nudeln brachte und auch die Wärmeplatte, sprach Dimi ein unwillkürliches "Das wäre doch nicht nötig gewesen...." - verstummte aber bei dem letzten Satz und nickte, lächelte kurz und antwortete dem Ober, während er seinen Druckbleistift in die Rille des Notizblockes steckte und diesen zuklappte. "Ich danke ihnen - ich hoffe, es macht Chiat nicht zuviel Mühe, schließlich sind noch so viele Gäste hier." Während er sprach, nahm sich Dimi gekonnt mit Gabel und Löffel, die er zu einer Zange zusammenhielt, von den Nudeln auf seinen Teller und schnupperte unwillkürlich - aß dann genießend, blies jedoch dabei unauffällig auf jeden Bissen. 'Verflixt ... die Platte hätte er ruhig weglassen können, dass das immer so heiß sein muss ... wenigstens ist es nicht scharf, Gott sei dank. Und vor allem keine Stäbchen, dann blamiere ich mich nicht so...'

Dong schüttelte den Kopf. "Chiat hat so eben Feierabend gemacht. Er isst noch etwas, dann wird er zu ihnen kommen."
Grübelnd, darüber sinnierend, was Chiat und diesen Mann verband, ging Dong zu einem Paar, das nach ihm gewinkt hatte, um zu bezahlen.

Mit nur mäßigem Hunger und Appetit formte Chiat den Klebereis zu einer Kugel und dippte sie in eine scharfe Soße, ehe er abbiss. Seine Gedanken kreisten um Dimi, der in der gemütlichen Nische saß und aß.
Innerlich hoffte der Thai, dass Dimi nicht das letzte Mal hier im Restaurant gewesen war.

Lad hatte genug vom Schmollen und sein Magen machte ihm unvermittelt klar, dass seine angebliche Appetitlosigkeit dem Schrecken geschuldet war.
"Dieser eingebildete Fatzke. Arschloch.", knurrte er halblaut, während er seine dritte Zigarette der Erde überantwortete. Missmutig stemmte er sich von der Wand ab. Thailändisch stand heute nicht auf seiner Speisekarte, soviel stand fest. Eigentlich konnte er nach Hause gehen und den Kühlschrank plündern, der Abend war gründlich hinüber. Anderseits war es auch ein Grund, sich um den Verstand zu saufen.

Ladislaw grinste und ließ mit großen Schritten das Thai-Restaurant hinter sich. Angesichts seiner Situation war es besser, wenn er das Abtauchen in die Nebelzonen des Alkohols auch zu Hause veranstaltete. Noch drei ganze Monate, dann hatte er es geschafft. Oh Gott, konnte die Zeit lang werden.

Etwas irritiert sah Ladislaw sich um, als er seltsam gekleidete Gestalten sah, die die Straße immer öfter bevölkerten. War ein besonderer Feiertag heute? Aber Karneval war doch vorbei. Er wurde blass und dann wieder rot, als er ein Paar, eindeutig einem Geschlecht zugehörig und eindeutig männlich, sich innigst küssen sah.

Ladislaw fühlte sich eindeutig verfolgt.

"Was starrst du so?", wurde er unfreundlich angefaucht, "Noch nie jemanden küssen sehen?"
Ladislaw stolperte rückwärts. Das war nicht sein Tag, eindeutig nicht. Die ganze Welt hatte sich verschworen. Schnell drehte er sich um, und sein Blick...
Der schwarzhaarige Mann erstarrte. Dann entkam ihm ein leicht hysterisch angehauchtes Kichern. "Alles klar.", murmelte er leise, "Die Verrückten haben heute Ausgang."

Schnell lief er an dem Plakat vorbei und ignorierte so gut wie es ging, die Männer, die um ihn herum Dingen nachgingen, die ihn eigentlich nicht wirklich interessierten. Nur kurz sah er auf, als ihm eine grüne Neonreklame ins Auge fiel. Ja, er kannte diesen Club, aber er hatte ihm nie Beachtung geschenkt, im Gegenteil: Er machte in der Regel einen großen Bogen darum und ignorierte diese Subkultur. Nur heute lief alles schief...

Noch ein "Danke." hinterher murmelnd, nahm Dimi einen Schluck der Schorle und grübelte ein wenig ... aß dann jedoch weiter und genoss jeden Bissen, da er schon lange nicht mehr so gut gegessen hatte.
'Ob die auch Mitnehm-Service haben ? Bring-Service nicht, sonst hätte es im Branchenbuch gestanden. Mann, was sag ich, wenn er wiederkommt - stottern? Toll. Mich bedanken ... Okay, aber wegen dem Geld - da kommt doch der Ober und kassiert. Hm... Jap, das is ne Idee.'
Den Teller wegstellend, da er inzwischen fertig war, nahm Dimi auch kurz die Serviette und wischte sich den Mund ab - nahm dann unauffällig aus seinem Geldbeutel einen 5-Euro-Schein und hoffte im Stillen, dass es nicht zu wenig für die Früchtchen war, sehr wohl wissend, wie teuer handgefertigte Süßigkeiten sein konnten. Dann steckte er den Geldbeutel wieder in die Jackentasche zurück und faltete den Schein - steckte die ebenso zusammengefaltete Skizze unbemerkt innenrein und behielt den Schein in der Handfläche der Linken, erneut einen Schluck der Schorle dabei nehmend.

Chiat schob die Schüssel mit dem Laab von sich und stemmte sich hoch. Mit ein paar Schritten landete er in der Umkleide und öffnete seinen Spind. In den karierten Hosen, dem weißen Hemd und dem roten Tuch um den Hals, würde er sicherlich nicht die Straße betreten.
Langsam schlüpfte er in seine CK-Jeans und das schwarze, hautenge Shirt von D&G. Die Boots hatte er schnell an den Füßen und dann warf er sich eine dünne Lederjacke über die Schulter.
In der Küche nahm er eine kleine Plastikdose aus dem Kühlschrank, dann war er bereit für den Aufbruch. "Bai la na khrap (Ich geh dann).", rief er seinem Team zu und stieß die Tür zum Gastraum auf.
Sein Herz machte einen Sprung, als er Dimi in der Nische sah. Lächelnd ging er auf ihn zu, setzte sich zu ihm und schob ihm die kleine Plastikdose zu. "Bewahr sie im Kühlschrank auf. Vier Tage sind Khanom in etwa haltbar."

Die schlichte, doch passende Kleidung sehr wohl bemerkend, zeigt sich wieder ein leises Lächeln auf den Lippen Dimis, als er sich eine Ponysträhne nach hinten streicht - froh darum, dass er schon gezahlt hatte und auch das Geschirr schon weggeräumt worden war, nickte er auf die Worte und sprach leise, als er die kleine Plastikdose nahm.
"Vier Tage? Nun ja, ich denke nicht, dass sie so lange halten, Chiat, dafür sind sie einfach viel zu gut. Ich ..." 'Mein Gott, trau dich halt endlich! Schnauze ....' Seine innere Stimme einfach zum Schweigen bringend, senkte Dimi kurz den Blick - nickte dann einfach und blickte dem Gleichgroßen in die Augen, erneut ein wenig dabei lächelnd.

"Ich denke, ich mache jetzt einen Fehler, aber ich würde mir wie ein Schnorrer vorkommen, wenn ich nicht wenigstens die Unkosten decke. Davon abgesehen, dass diese Khanom einfach nur köstlich sind." Während er sprach, nahm Dimi die Hand des Asiaten und legte ihm den gefalteten Geldschein hinein - stand dann mit einem leisen "Dir noch eine schöne Nacht, Chiat." auf und nahm Jacke und Dose, zügig aus dem Restaurant gehend und atmete draußen erst einmal tief durch. 'Dimi, du bist ein Depp. Ein Volldepp. Höchstwahrscheinlich ist er dir jetzt sauer und wirft den Zettel einfach weg ...'
Während seiner Gedanken hatte er sich die Jacke angezogen und ging zu seiner Wohnung zurück ... störte sich nicht weiter an den Nachtschwärmern und blieb in Gedanken, selbst als er wieder in seiner Wohnung war und die Früchtchen in den Kühlschrank stellte, die beiden letzten aus dem Restaurant allerdings aus der Serviette nahm und auf seiner Couch aß.

Verdutzt schaute Chiat auf den Geldschein in seiner Hand. Er wollte Dimi noch sagen, dass dies nicht nötig ist, doch der hellblonde Mann war schon verschwunden.
"So was verrücktes.", murmelte er und spürte Dongs Blicke auf sich ruhen.
"Na, dann steht einem neuen Abenteuer wohl nichts im Weg.", grinste der Oberkellner und Chiat winkte ab.
Er zog seine dünne Lederjacke über und verließ das Restaurant mit den Worten: "Bis morgen Mittag!"
Erst im Licht der Lampe vorm Eingang zog er seine Brieftasche hervor, um das Geld dahinein zu tun. Falls Dimi noch mal hier auftauchen sollte, dann würde er ihm die 5 Euro wiedergeben.
Unglaube zierte Chiats Gesicht, als er den Schein auseinander faltete. Ein Zettel lag darunter und diesen betrachtete er sich nun genauer. Sein eigenes Gesicht schaute ihn an und Chiat lächelte. Eine Ziffernfolge stand auch noch darauf und dies war eindeutig die Nummer von einem Handy.
"Ah ja, deshalb ist er Hals über Kopf aufgebrochen.", murmelte er Thai und packte alles ordentlich ein. Er würde Dimi sicher einmal anrufen, aber nicht mehr heute. Jetzt wollte er nur noch ins Bett und so kramte er die Schlüssel von seinem Golf hervor, damit er nach Hause fahren konnte.

Währenddessen hatte Dimi sich noch ein wenig mit dem Auftragsbild beschäftigt und seine Notizen ansatzweise auf das A3-Bild übertragen ... besah sich den groben Aufbau und nickte dann, ehe er den Block beiseite legte und sein Handy anseufzte.
'Wie ich's mir gedacht hab, voll in die Nesseln gesetzt. Typisch für dich, Dimi, du hättest es lassen sollen.'
Mit einem kurzen Nicken legte der schlanke Maler es wieder beiseite, strich sich die langen Haare nach hinten und stand von der Couch auf - setzte sich an seinen Computer und öffnete den Mailkasten. Mit einem Aufstöhnen betrachtete er sich die ganzen hereinflatternden Mails - löschte die Werbung und die unvermeidbaren Sexmails und baute sich dann ein wenig damit auf, dass die Kommissionen zwar eine Menge Arbeit, dafür aber auch Geld bedeuteten. Erst nach weiteren zwei Stunden war er endlich mit sämtlicher Korrespondenz fertig und hatte die neuen Aufträge ausgedruckt und mit den Eingängen auf seinem Konto verglichen - schaltete schließlich gähnend den Computer aus und bequemte sich noch ein Weilchen ins Bad, um dann letztlich hundemüde in seinem Bett einzuschlafen.

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