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”Das Callboy-Center” 14
 

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Florian schluckte erstmal. Für einen Moment schloß er die Augen, ehe er Lebeau wieder anschauen konnte. Vorsichtig zog er ihn enger an sich, versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sein Freund als Letztes gesagt hatte, daß dies das Ende ihrer Beziehung war. Es tat weh, ja, aber ihm ging es mit Sicherheit um Einiges besser als Lebeau, der soeben erfahren hatte, daß er seinen Vater verloren hatte. "Das tut mir wirklich leid." murmelte Florian und strich dem Dunkelhaarigen zärtlich über den Rücken. "Ich bin für dich da, wenn ich dir beim Packen und beim Buchen des Fluges helfen soll."

Nur ein weiteres, leises "Damned ..." wispernd, schloß der Dunkelhäutige seine Augen und ließ sich in die Umarmung fallen ... er versuchte noch einige Momente lang, sich zu beherrschen, doch dann schaffte er es nicht mehr und sein Körper wurde von einem leisen Aufschluchzen erschüttert. Es war nicht nur der Schmerz um den Verlust seines Vaters – es war auch die zärtliche Fürsorge Flohs und daß der es aktzeptierte, ohne durch ein sinnloses Klammern alles noch zu verschlimmern. Im Gegenteil ... gerade das Angebot zu helfen, half Lebeau durch den Schmerz und das Gefühlschaos und linderte die scharfen Spitzen des Verlustes, die durch das Innere des Tänzers schnitten. Erst nach einer geraumen Weile hatte er sich wieder beruhigt und seufzte leise, hauchte dem Blonden einen sanften Kuß auf die Lippen und lächelte ein wenig wehmütig, als er ihm mit der Rechten durch die hellen Haare koste. "Das Leben ist so grausam, Honey ... gerade, als ich dich entdeckte, muß ich dich wieder verlieren."

Florian gab darauf lieber keine Antwort. Dies alles schnürte auch ihm die Kehle zu, außerdem hatte er Angst davor, einfach in Tränen auszubrechen. Dies würde Lebeau nämlich in keiner Weise helfen. Er musste sich jetzt zusammenreißen. Zum Weinen hatte er später noch genügend Zeit und er wußte, daß er dies tun würde, denn im Moment hatte er das Gefühl, daß ihm Jemand das Herz aus dem Leib reißen wollte. "Ich bring dich nach Hause." wisperte er und fing die weichen Lippen seines Freundes für einen sanften Kuss ein. Vielleicht half diese Nähe ja Beiden ein wenig, auch wenn es kein wirklicher Trost war.

Mit einem kurzen Nicken gab der Tänzer seine Zustimmung und setzte sich auf den Beifahrersitz, seufzte leise und schloß einen Moment lang die Augen. "Ich danke dir, Honey ... bitte verzeih, daß ich dich so damit überfahre. Du hast Besseres verdient als Jemanden, der dir erst Hoffnungen macht und dich dann einfach wieder wegstößt. Es tut mir so Leid, Honey ..." Lebeau machte sich große Vorwürfe – genau das wollte er niemals Jemandem antun, und nun hatte er gar keine andere Wahl, als genau dies zu machen. Als sie schließlich fuhren, dachte der junge Tänzer noch einmal darüber nach ... es gab eigentlich nur einen winzigen Lichtblick, sie waren noch nicht länger beisammen gewesen, denn er wußte nicht, was er dann getan hätte.

"Du stößt mich doch gar nicht weg." antwortete Florian, der nur ahnen konnte, welche Hölle im Moment in Lebeau tobte. "Du musst nach Hause zu deiner Familie und dies kann ich dir doch gar nicht übelnehmen." Florian biß sich auf die Unterlippe, wollte nicht sagen, wie weh es ihm tat, daß er Lebeau gerade verlor. Er würde seinen Freund damit nur noch mehr ins Gefühlschaos stürzen. Der blonde Callboy gab Gas und verließ die Tiefgarage, um zu Lebeaus Wohnung zu fahren.

Während der Fahrt schwieg der dunkle Tänzer und dachte nach, überlegte, was er packen würde und was er hierlassen mußte. Es war eine schwere Aufgabe, doch es nutzte nichts – er mußte so schnell wie möglich fliegen und so konnte er auch nur das Nötigste packen. Er würde nach einer Weile noch einmal herkommen müssen, um die Wohnung und seinen Job zu kündigen, die restlichen Sachen einzupacken und nachschicken zu lassen ... dies wäre das Vernünftigste, so konnte er das Meiste noch hierlassen und das Packen würde schneller gehen. Dann merkte Lebeau auf, denn sie fuhren langsamer und stoppten schließlich vor seinem Wohnhaus – mit einem leisen Seufzer stieg der schlanke Tänzer aus und wartete auf den großen Blonden, ging dann vor in die Wohnung und sperrte sie auf.

Florian fühlte sich etwas eigenartig. Er hatte sich die ganze Zeit gewünscht, mal bei Lebeau zu sein, ihn durch die Wohnung noch besser kennenzulernen und nun war er hier und konnte nichts weiter tun, als still und leise von seinem Freund Abschied zu nehmen. Im Korridor blieb er erstmal stehen. "Soll ich dir irgendwas helfen ?" Die Augen für einen Moment schließend, erklärte er sich für total beknackt. Was tat er denn da ? Er half Lebeau dabei, daß er so schnell wie möglich nach Hause kam. Das war doch bekloppt, normalerweise versuchte man doch zu verhindern, daß man den Menschen verlor, den man liebte.

"Nein, danke ... das geht schon, ich packe nur das Nötigste. Den Rest lasse ich rüberkommen, das ist einfacher." Während er antwortete, holte Lebeau schon seinen großen Trolli vom Schrank und verstaute darin die nötigste Kleidung, ehe er ihn ins Wohnzimmer brachte und mit einem leisen, sehr amerikanisch klingenden Fluchen die wenigen Ordner einpackte, in denen seine gesammelten, wichtigen Papiere lagen. Ihnen folgten noch einige sehr persönliche Dinge, bis der Trolli voll war und Lebeau ihn schloß – dann holte er sich noch einen Messengerbag, den er mit den wichtigen Dingen wie seinen Paß, etwas zu lesen, den MP3-Player und noch diversen anderen Dingen füllte, die man lieber bei sich trug. Auch seine Schmuckschatulle gehörte dazu, so wie die kleine Dose mit seiner Notreserve an Geld ... schließlich war alles Wichtige verstaut und Lebeau kam in den Gang, nahm die Jacke auf und blickte mit einem leisen Seufzen zu dem großen Blonden, der so verloren vor ihm stand. "Ich wünschte so sehr, daß es einen Weg gäbe ... aber ich kann dir das nicht antun, Honey. Bitte verzeih mir ..."

"Was kannst du mir nicht antun ?" wollte Florian leise wissen. Er sah Lebeau in die Augen, auch wenn es ihm schwerfiel. Immerhin schien das jetzt tatsächlich das Ende zu sein. Es fiel ihm unwahrscheinlich schwer, sich seine wahren Gefühle nicht anmerken zu lassen. Sicher, man sah ihm an, daß er traurig war und Lebeau am Liebsten nicht gehen lassen wollte, aber tief in ihm drinnen, war noch viel mehr zerbrochen. Immerhin hatte er zum ersten Mal in seinem Leben einen Freund den er liebte, und den er nicht hergeben wollte. Eigentlich unglaublich, wie sehr sich Lebeau in der kurzen Zeit in sein Herz geschlichen hatte.

Und genau dieser Anblick war es, den der dunkle Tänzer so sehr gefürchtet hatte. "Dich aus allem rauszureißen, damit du bei mir bleibst ... ich kann es nicht, Honey. Dazu liebe ich dich viel zu sehr, du gehörst hierher. Und ich kann nicht bleiben – es geht nicht. Verdammt, ich wünschte ... bitte verzeih mir." Während er sprach, war Lebeau näher gekommen und stellte sich nun auf die Zehenspitzen, um ihn noch einmal zärtlich zu küssen – dann löste er sich und seufzte, zog die Jacke über und nahm sein weniges Gepäck, um es hinaus in das Treppenhaus zu bringen. Als Floh aus der Wohnung gegangen war, sperrte Lebeau sie ab und steckte den Schlüssel ein ... dann brachte er sein Gepäck nach unten und wartete schließlich am Hauseingang auf den Blonden, um ihn leise zu fragen. "Fährst du mich noch zum Flughafen ? Oder ist es dir lieber, wenn wir uns hier verabschieden ?"

"Du hast mir die Worte vorweggenommen." murmelte Florian und zog Lebeau nochmal für einen innigeren Kuß an sich, ehe er einen Arm um dessen Taille legte und mit ihm das Haus verließ. "Soll ich mich um deine Pflanzen kümmern und deinen Kühlschrank leerräumen ?" wollte er wissen und entriegelte den Wagen mit der Fernbdienung.

"Wenn du das tun würdest ? Das wäre wundervoll, Honey." Man sah Lebeau die Erleichterung regelrecht an – denn genau darüber hatte er sich schon Sorgen gemacht. "Du kannst dir auch von den Pflanzen, den Möbeln und Geräten nehmen, was du möchtest, Honey – ich werde lediglich den Inhalt der Regale und den meines Schrankes wieder zurück in die Staaten nehmen, alles andere müßte ich hier verkaufen. Also wenn du etwas brauchst, nimm es dir einfach, ja ?" Während er sprach, lud der Tänzer sein Gepäck schon in den Wagen und kam dann wieder zu Floh, küßte ihn sanft und lächelte ihn zärtlich an. "Und ich will kein Geld dafür sehen – dafür paßt du ja auch auf meine Wohnung auf."

"Mal schauen. Eigentlich hab ich ja alles." Florian schluckte, hielt schweigend seine Hand auf, damit er den Schlüssel entgegennehmen konnte und versuchte zu lächeln, was ihm nicht so recht gelingen wollte. Im Moment war ihm, als würde eine eiserne Klammer sein Herz gefangenhalten, um es danach auseinanderzureißen - aber dieser Schmerz würde vergehen, da war er sich sicher. Zum Glück kannten sie sich noch nicht so lange, also würde er schon bald wieder lachen können, außer es hatte ihn doch schwerer erwischt, als ihm zur Zeit bewußt war. Wie sagte man so schön, Liebeskummer dauerte die Hälfte der Zeit, die man sich kannte.

Leise seufzend, nickte Lebeau nur, stieg in den Wagen und schnallte sich an. Er sah sehr gut, wie nahe Floh das alles ging, doch er konnte es leider nicht ändern, so sehr er es auch wollte. Und wenn er noch mehr klammerte, würde der Abschied noch schlimmer werden – das wußte der schlanke Tänzer nur zu gut. Deshalb sagte Lebeau zumindest jetzt nichts mehr, als Floh einstieg und den Wagen startete, lehnte sich nur an und blickte auf die Straße, auch wenn er die Autos nicht bewußt wahrnahm. Dazu schwirrte im Augenblick viel zu viel in seinem Kopf herum und noch konnte er es nicht recht verarbeiten, daß sein Leben – wie es bis vor kurzer Zeit noch gewesen war – vorbei schien.

Florian fuhr eher nach Gefühl und nach Intuition, als wirklich mit Aufmerksamkeit. Er tat alles automatisch, blinken, bremsen, einordnen, an der Ampel halten. Er fühlte sich durcheinander und zum ersten Mal in seinem Leben war ihm wirklich nach Heulen zumute. Klar, auch er hatte schon geweint, aber noch nie wegen Liebeskummer.

Je näher sie dem Flughafen kamen, um so schlimmer wurde der Kloß, der in seinem Magen lag und ihm ein übles Gefühl bescherte. Für einen Moment überlegte er tatsächlich, ob er nur vorfahren und Lebeau aussteigen lassen sollte, aber dann entschied er sich anders und fuhr zu dem riesigen Parkdeck.

Die Fahrt hatte der junge Tänzer dazu genutzt, ein wenig ruhiger zu werden und sich zu fassen ... es war schon schlimm genug, daß er alles hinter sich lassen mußte, das er sich hier aufgebaut hatte, doch er konnte sich zumindest jetzt noch nicht gehen lassen. Erst, als sie langsamer wurden und in das Parkdeck einschwenkten, merkte Lebeau auf und seufzte leise – eigentlich war er froh, daß Floh ihn noch bis zuletzt begleiten wollte, denn so konnte er noch ein wenig mehr Zeit mit ihm genießen. "'Danke, Honey ... ich bin froh, daß du mich begleiten möchtest. So kann ich dich wenigstens noch ein wenig bei mir haben. Ich bin egoistisch, nicht wahr ? Aber ich kann mir nicht helfen."

"Du bist nicht egoistisch." erklärte Florian leise und mit belegter Stimme, als er einen Parkplatz entdeckt hatte und diesen okkupierte. "Dann wäre ich es nämlich auch, da ich dich eigentlich gar nicht gehen lassen möchte, aber muß." Sein Lächeln fiel gequält und schief aus, als er den Schlüssel zog und sich zu Lebeau umdrehte. Ein wenig Zeit hatten sie noch und so beugte er sich zu dem jungen Tänzer und Callboy hinüber und fing die weichen Lippen für einen sanften Kuss ein. "Du fehlst mir jetzt schon." wisperte er. Nie im Leben hätte er damit gerechnet

Dieser Kuß war so bittersüß wie es die Worte des Anderen waren und Lebeau seufzte leise und genoß die wenigen Augenblicke, in denen sich ihre Lippen so herrlich berührten. Ohne, daß er es bemerkte, hob er die Hand und berührte sanft die Wange Flohs, streichelte kurz durch dessen kurzes Haar und löste seine Finger dann ebenso wie ihren Kuß. "Du mir auch, Honey. Ich wünschte, ich müßte nicht los – ich wünschte, es gäbe eine andere Lösung. Aber ich will es dir nicht noch schwerer machen, ich ... hier." Schwer schluckend, nahm der Dunklere seinen Geldbeutel heraus und daraus eine Visitenkarte, drückte sie Floh mit einem leisen "Mail mir." in die Hand und schluchzte leise, als er die Türe öffnete und ausstieg. Es war einfach zuviel – am Liebsten wäre er sofort in die Schalterhallen des Flughafens geflüchtet, doch er brauchte noch sein Gepäck und das war hinten im Wagen.

Verwirrt und wie vor den Kopf geschlagen, starrte Florian auf die kleine Karte, steckte sie dann in seine Brieftasche und zog den Zündschlüssel ab. Seine Beine schienen aus Blei zu bestehen als er ausstieg, den Kofferraum öffnete und Lebeau sein Gepäck reichte. Mit der Fernbedienung verriegelte er den Wagen und hielt seinem Freund eine Hand hin, damit dieser sie ergreifen konnte. Sicher sah man ihm an, was er im Moment fühlte, auch wenn er sich Mühe gab, es zu verheimlichen.

Und Lebeau erging es nicht anders – ihm brach das Herz, den Blonden so zu sehen, aber er konnte es nicht ändern und so achtete er nicht weiter auf die Hand, warf sich ihm in die Arme und küßte ihn voller Feuer. Doch der Kuß endete so schnell, wie er gekommen war und der junge Amerikaner löste sich wieder, drehte sich um und nahm mit einem leisen "Good Bye, Honey." seine Koffer auf, um nun schon förmlich in die Schalterhallen zu flüchten. Noch immer mit Tränen in den Augen holte er die Tickets ab, die er sich schon bestellt hatte und gab die Koffer ab, eilte in die Schalterhalle, in die er muste und setzte sich auf eine der Bänke, um das Gesicht in den Händen zu vergraben und still zu trauern. Er war geflohen – doch er hätte es nicht ausgehalten, hier noch mit Floh zusammen auf den Flug zu warten und war froh, als keine zwei Minuten später schon der Aufruf für seinen Flug kam, so daß er sich in das Flugzeug flüchten konnte. Es war schwer, all das zurückzulassen ... doch er konnte nicht anders und hoffte, daß der Blonde es verstand und nicht zu sehr unter dem Schmerz ihrer Trennung litt.

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